11.11 Fotokamera

Menschen wollten vermutlich schon immer ein getreues Abbildung von der Natur schaffen und Momente aus ihrem Leben in Bildern festzuhalten. Die ältesten uns überlieferten Beweise davon sind Höhlenmalereien. Zunächst gab es dafür nur eine Möglichkeit: Die Malerei. Anfang des 19. Jahrhunderts gelang es dann Licht mithilfe einer chemischen Reaktion auf einer Fotoplatte festzuhalten. Das war die Geburtsstunde der Fotografie (Bild 11.103).

Fotograf mit Kamera

Bild 11.103: Fotograf mit Kamera

Lange Zeit war Fotografie ein sehr teures und aufwendiges Hobby. Die digitale Fotografie, das Smartphone und das Internet haben die Fotografie innerhalb weniger Jahre radikal geändert. An den Grundlagen hat sich dabei aber wenig geändert.

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11.11.1 Aufbau einer Fotokamera

In Bild 11.104 siehst du den Aufbau einer Fotokamera, der ähnlich deinem Auge ist. Den vordersten Teil bildet das Objektiv, es enthält das Linsensystem und die verstellbare Blende (analog zur Iris). Dahinter befindet sich ein Verschluss, der sich beim Betätigen des Auslösers öffnet und Licht auf den Bildsensor/Film (analog zur Retina) einfallen lässt.

Aufbau einer Fotokamera

Bild 11.104: Aufbau einer Fotokamera

11.11.2 Fotografischer Film

In einer analogen Kamera fällt das Licht bei der Aufnahme auf einen mit einer lichtempfindlichen Fotoemulsion beschichteten Film (Bild 11.105). Nach der Aufnahme wird der Film manuell oder automatisch weiterbefördert und ist bereit für die nächste Aufnahme. Je nach Größe des Films muss nach 12, 24 oder 36 Aufnahmen der Film gewechselt werden.

Fotografischer Film mit Dose

Bild 11.105: Fotografischer Film mit Dose

Nach der Belichtung des Films in der Kamera muss er durch ein chemisches Verfahren entwickelt werden. Durch den Entwicklungsprozess entsteht ein dauerhaftes Negativ (Bild 11.106).

Fertig entwickeltes Negativ

Bild 11.106: Fertig entwickeltes Negativ

In einem zweiten chemischen Prozess können aus dem Negativ ein oder mehrere Papierbilder (Abzug) hergestellt werden. Sowohl das Entwickeln des Films als auch das Erstellen der Abzüge muss in einer Dunkelkammer erfolgen.

11.11.3 Bildsensor

In der digitalen Fotografie fällt das Licht bei der Aufnahme auf einen lichtempfindlichen Bildsensor statt auf einen Film. Die häufigsten Bildsensoren sind der CCD-Sensor (Charge Coupled Device) und der Active Pixel Sensor (CMOS-Sensor).

Beide Sensortypen besitzen – ähnlich unserem Auge – drei unterschiedliche Bereiche, die den Rot-, Grün- und Blauanteil des einfallenden Lichts mithilfe von Photodioden in elektrische Signale umwandeln.

Bayer-Matrix eines CCD-Sensors

Bild 11.107: Bayer-Matrix eines CCD-Sensors

In Bild 11.107 siehst du eine mögliche Anordnung der Bereiche (Bayer Muster). Grün kommt auf dem Bildsensor doppelt so oft wie die blauen und roten Bereiche vor. Das entspricht unserem Sehen, denn Grün liefert den größten Beitrag zur Helligkeitswahrnehmung im menschlichen Auge.

Ein quadratischer Bereich aus vier benachbarten Sensorwerten (2 Grün, 1 Blau, 1 Rot) wird zu einem Farbwert zusammengefasst (Demosaicing) und ergibt einen Bildpunkt (Pixel) auf dem digitalen Bild (11.108).

Rekonstruktion des Bildes aus den Sensordaten

Bild 11.108: Rekonstruktion des Bildes aus den Sensordaten

Bevor das Bild auf dem Datenträger der Kamera gespeichert wird, nimmt die Software der Kamera fast immer noch weitere Bildverbesserungen vor (zum Beispiel Rauschreduzierung). Einige Kameras gestatten das Speichern von Bildern im Rohdatenformat (RAW-Format). Im Gegensatz zu anderen Bild-Formaten werden hier die Daten des Bildsensors direkt (ohne Bearbeitung) in die Datei geschrieben.

11.11.4 Blende und Blendenzahl

Die meisten Objektive besitzen eine Aperturblende aus mehreren Lamellen, durch die die Menge des einfallenden Lichts reguliert werden kann. Als Blendenzahl wird das Verhältnis aus Brennweite \(f\) des Objektivs und des variablen Blenden-Durchmessers \(D\) (Öffnungsweite) bezeichnet.

\[\begin{equation} k={\frac {f}{D}} \tag{11.7} \end{equation}\]

Dieses dimensionslose Verhältnis wurde bewusst so gewählt, dass eine bestimmte Blendenzahl einer bestimmten Menge an Licht entspricht, unabhängig davon, welches Objektiv gerade verwendet wird.

Obwohl die Blende prinzipiell stufenlos geöffnet oder verkleinert werden kann, gibt es bestimmte Öffnungsweiten, bei denen die Blende einrastet. Diese Stellungen entsprechen bestimmten Blendenzahlen. Übliche Blendenzahlen sind

\[ \text{f/}1,\quad\text{f/}1.4,\quad\text{f/}2,\quad\text{f/}2.8,\quad\text{f/}4,\quad\text{f/}5.6,\quad\text{f/}8.0,\quad\text{f/}11,\quad\text{f/}16,\quad\text{f/}22 \]

Beachte: Da der Blendendurchmesser im Nenner steht, entspricht eine kleine Blendenzahl einer weit geöffneten Blende und umgekehrt (Bild 11.109)!

Unterschiedlich weit geöffnete Blenden eines Objektivs

Bild 11.109: Unterschiedlich weit geöffnete Blenden eines Objektivs

Die Zahlen wurden so gewählt, dass jede nächstgrößere Blendenzahl die einfallende Lichtmenge halbiert. Ein doppelter Durchmesser vervierfacht die Lichtmenge (Fläche!). Eine Verdoppelung der Lichtmenge ergibt sich bei dem Faktor \(\sqrt{2}\).

11.11.5 Schärfentiefe

Als Schärfentiefe (engl. depth of field (DOF)) wird die Ausdehnung vor und hinter dem scharf gestellten Motiv verstanden, die scharf auf einem Foto abgebildet wird. In Bild 11.110 siehst du die Schärfentiefe als hellblauen Bereich. Die strichlierte Linie zeigt die scharf gestellte Entfernung.

Unterschiedliche Schärfentiefe

Bild 11.110: Unterschiedliche Schärfentiefe

Die Größe der Blende hat nicht nur einen Einfluss auf die einfallende Lichtmenge, sondern auch auf die Größe der Schärfentiefe (Bild 11.111)

Aufnahme mit unterschiedlicher Blendenzahl

Bild 11.111: Aufnahme mit unterschiedlicher Blendenzahl

Den Grund, warum eine weit geöffnete Blende eine kleine Schärfentiefe bewirkt, siehst du im interaktiven Bild 11.112.

Entstehung von Unschärfe

Bild 11.112: Entstehung von Unschärfe

Wurde auf eine bestimmte Entfernung scharf gestellt, werden alle Punkte (A) in dieser Entfernung scharf (also als Punkt) auf der Filmebenen abgebildet (Punkt A’). Punkte vor (B) oder hinter dieser Entfernung (C) werden als Scheibe (B’ und C’) abgebildet und sind damit unschärfer. Je mehr Randstrahlen durch die Linse kommen (je weiter die Blende geöffnet ist und je kleiner die Blendenzahl), desto größer fällt die Unschärfe aus.

11.11.6 Verschluss und Verschlusszeit

Zwischen Blende und Film/Sensor befindet sich ein lichtundurchlässiger Verschluss (engl. shutter). Wird der Auslöser der Kamera gedrückt, öffnet sich der Verschluss und Licht fällt für eine bestimmte Zeit auf den Film/Sensor.

Die Dauer der Öffnung wird als Verschlusszeit (engl. exposure time) bezeichnet. Sie wird in Sekunden angegeben. Üblicherweise kann zwischen fix vorgegebenen Verschlusszeiten gewählt werden, zum Beispiel

\[ 1/500\;\text{s},\;1/250\;\text{s},\; 1/125\;\text{s},\; 1/60\;\text{s},\; 1/30\;\text{s},\; 1/15\;\text{s},\; 1/8\;\text{s},\; 1/4\;\text{s},\; 1/2\;\text{s},\; 1\;\text{s} \]

Wie bei der Blende, sind auch die Werte der Verschlusszeiten so gewählt, dass sich die Menge des Lichts bei jedem darauf folgenden Wert verdoppelt. Bei einer Verschlusszeit von \(1/500\;\text{s}\) fällt nur halb so viel Licht auf den Film/Sensor wie bei einer Verschlusszeit von \(1/250\;\text{s}\).

Die Verschlusszeit spielt eine wichtige Rolle bei der Aufnahme von bewegten Motiven. Je schneller das Motiv, desto kürzer musst du die Verschlusszeit wählen, um ein scharfes Motiv zu erhalten.

Verschlusszeit und bewegte Motive

Bild 11.113: Verschlusszeit und bewegte Motive

Du kannst aber auch eine lange Verschlusszeit wählen und die Kamera während der Aufnahme mit dem Motiv mitbewegen. Dadurch erhältst du ein scharfes Motiv und einen durch die Bewegung unscharfen Hintergrund (Bild 11.114).

Aufnahme mit mitbewegter Kamera

Bild 11.114: Aufnahme mit mitbewegter Kamera

11.11.7 Korrekte Belichtung

Mit Belichtung (engl. exposure) ist die Menge an Licht gemeint, die während der Aufnahme auf den Film oder den Bildsensor trifft. Fällt zu viel Licht ein, erhältst du ein zu helles, überbelichtetes Bild. Ist es zu wenig Licht, erhältst du ein zu dunkles, unterbelichtetes Bild. Da sowohl die Blendenöffnung als auch die Verschlusszeit die Menge des Lichts beeinflussen, müssen beide aufeinander abgestimmt werden, um ein optimal belichtetes Bild zu erhalten. Am besten stellst du dir die Belichtung als Flüssigkeitsstand in einem Becher vor (Bild 11.115).

Bechermodell Belichtung: a, b: korrekte Belichtung; c: überbelichtet; d: unterbelichtet

Bild 11.115: Bechermodell Belichtung: a, b: korrekte Belichtung; c: überbelichtet; d: unterbelichtet

Um es möglichst einfach zu machen, eine korrekte Belichtung zu erzielen, sind sowohl die Verschlusszeiten als auch die Blendenzahlen so gewählt, dass sich die Lichtmenge immer verdoppelt oder halbiert. Erhältst du bei der Kombination \(\text{f-}4\) (Blende) und \(1/30\;\text{s}\) (Verschlusszeit) ein optimal belichtetes Bild, gilt das ebenso für die Kombinationen \(\text{f-}5{,}6\) und \(1/15\;\text{s}\) oder \(\text{f-}8\) und \(1/8\;\text{s}\).

Willst du eine geringe Schärfentiefe, sodass Bereiche vor und hinter der Scharfstellungsebene unscharf werden, musst du eine kleine Blendenzahl (große Blendenöffnung) und eine entsprechende kurze Verschlusszeit verwenden. Willst du auf deiner Aufnahme Bewegungsunschärfe, musst du eine lange Verschlusszeit und eine entsprechend große Blendenzahl (kleine Blendenöffnung) wählen (interaktives Bild 11.116).

Blende und Verschlusszeit

Bild 11.116: Blende und Verschlusszeit

Alle modernen Kameras haben einen Automatik-Modus, der in Abhängigkeit von der Lichtsituation und dem Motive automatisch die richtige Kombination aus Blendenöffnung und Verschlusszeit für dich wählt. Das garantiert optimal belichtete Bilder, schränkt aber deine Gestaltungsfreiheit ein. Aus diesem Grund haben die meisten Kameras Möglichkeiten, diese Automatik teilweise oder ganz auszuschalten.

Kamera Betriebsartenwahl

Bild 11.117: Kamera Betriebsartenwahl

Du findest dazu auf dem Einstellrad der Kamera (Bild 11.117) folgende Modi:

  • Blendenautomatik (Einstellung S wie shutter priority). Du wählst die Verschlusszeit. Die Kamera wählt die dazu passende Blendenzahl.

  • Zeitautomatik (Einstellung A wie aperture priority). Du wählst die Blendenzahl. Die Kamera wählt die dazu passende Verschlusszeit.

  • Manuelle Belichtungssteuerung (Einstellung M). Du kannst Blendenzahl und Verschlusszeit selbst wählen.

11.11.8 Filmempfindlichkeit und ISO-Wert

Fotografische Filme gibt es in unterschiedlicher Filmempfindlichkeit (engl. film speed), die durch eine ISO Nummer gekennzeichnet sind.

\[ 100\quad 200\quad 400\quad 800\quad 1600\quad 3200\quad 6400\quad \ldots \]

Je höher die Zahl, desto weniger Licht wird beim Fotografieren benötigt, um ein optimal belichtetes Bild zu erhalten (Bild 11.118). Auch die Werte für Lichtempfindlichkeit der Filme wurden so gewählt, dass jede höhere Stufe doppelt so empfindlich wie die vorhergehende ist, daher nur die halbe Lichtmenge für ein gleich belichtetes Foto benötigt.

Gleiche Blende und Verschlusszeit bei unterschiedlicher Filmempfindlichkeit

Bild 11.118: Gleiche Blende und Verschlusszeit bei unterschiedlicher Filmempfindlichkeit

Grob gilt:

  • ISO 100–200: Normales Tageslicht
  • ISO 400–800: Bedeckter Himmel / Dämmerung
  • ISO 1600–6400: Nachts oder in dunklen Innenräumen

Je höherer die Filmempfindlichkeit, desto schlechter die Bildqualität, weil der Film gröberes Filmkorn enthält. Bei dem vergrößerten Bildausschnitt 11.119 kannst du den Unterschied sehen.

Vergleich Bildqualität ISO-100 mit ISO-3200

Bild 11.119: Vergleich Bildqualität ISO-100 mit ISO-3200

In Digitalkameras gibt es jeweils nur einen fix verbauten Bildsensor. Dieser hat eine maximale Empfindlichkeit, bei der noch ein passables Foto gelingt. Stellst du auf der Kamera einen kleineren ISO-Wert ein, regelt eine Software die Empfindlichkeit des Bildsensors herunter. Obwohl ein Bildsensor vollkommen anders als ein fotografischer Film funktioniert, wird auch in der Digitalfotografie die Bildqualität bei hohen ISO-Werten schlechter. Je weniger Licht auf den Sensor fällt, desto mehr macht sich das Bildrauschen bemerkbar. Auch die Größe des Bildsensors spielt eine Rolle – je größer die Fläche, auf die das Licht auftrifft, desto besser das Bild.

Für die korrekte Belichtung müssen daher drei Einflussfaktoren berücksichtigt und aufeinander abgestimmt werden (Bild 11.120).

Bechermodell Belichtung (mit ISO): a, b: korrekte Belichtung; c: überbelichtet; d: unterbelichtet

Bild 11.120: Bechermodell Belichtung (mit ISO): a, b: korrekte Belichtung; c: überbelichtet; d: unterbelichtet

11.11.9 Handykameras

Vermutlich trägst du die meiste Zeit eine Kamera bei dir. Obwohl Smartphones aufgrund ihrer Größe nur sehr kleine Objektive und Bildsensoren besitzen, machen sie schon erstaunlich gute Fotos und sogar Profis verwenden immer häufiger Smartphone Kameras für ihre Arbeit.

Smartphones besitzen meisten nur einen digitalen Zoom. Dabei wird nur der Ausschnitt des Bildes vergrößert. Die Qualität des Bildes sinkt dabei.

Smartphone mit mehreren Kameras

Bild 11.121: Smartphone mit mehreren Kameras

Aufgrund des kleinen Objektivdurchmessers von Handykameras lässt sich nur schlecht Unschärfe (eine kleine Schärfentiefe) erzeugen, außer wenn du extrem nahe an ein Objekt heranrückst. Handys mit mehreren Kameras (Bild 11.121) können trotzdem einen Bokeh-Effekt bei Porträt-Fotos erzeugen. Wie bei dem Sehen mit zwei Augen erhält das Smartphone durch die unterschiedlichen Blickwinkel (Parallaxen) eine Tiefeninformation. Ein Programm, das auf das Erkennen von Personen und Haustiere trainiert wurde, versucht zunächst das Motiv zu erkennen und rechnet dann Unschärfe in die Bereiche vor und hinter dem Motiv in das Bild hinein (synthetische Unschärfe). Dieses Verfahren liefert in den meisten Fällen erstaunlich gute Ergebnisse.

Die Kombination aus kleinem Objektiv und kleinem Bildsensor führt bei schlechten Lichtverhältnissen zu stark verrauschten Bildern, im Vergleich zu Fotokameras, bei denen das größere Objektiv viel mehr Licht durchfallen kann.

Es gibt also nach wie vor Gründe, eine Fotokamera zu verwenden.

11.11.10 Kameratypen

Willst du dir eine Kamera zulegen, kannst du zwischen den folgenden Bauformen wählen:

Kompaktkamera, Spiegelreflexkamera, Systemkamera (von links nach rechts)

Bild 11.122: Kompaktkamera, Spiegelreflexkamera, Systemkamera (von links nach rechts)

Kompaktkameras haben ein fix verbautes Objektiv und sind gute allround Kameras für Schnappschüsse. Sie sind kleiner und kompakter als Spiegelreflex- und Systemkameras und eignen sich gut für Aufnahmen unterwegs.

Spiegelreflexkameras und Systemkamera bieten die Möglichkeit, das Objektiv zu tauschen und so an die Aufnahmesituation anzupassen. Neben dem Normalobjektiv gibt zum Beispiel Teleobjektive für Sport- und Naturfotografie, Weitwinkelobjektive für Landschaftsfotografie oder Fischaugenobjektive für die Kunstfotografie.

Zu Beginn der digitalen Fotografie konnten Spiegelreflexkameras schneller automatisch scharf stellen und waren Systemkameras überlegen. Heute gibt es diesen Unterschied nicht. Im Gegenteil: Systemkameras sind kleiner, haben weniger mechanische Teile und können schneller aufnehmen, weil das Wegklappen des Spiegels entfällt. Einige Fotographen entscheiden sich auch heute noch für eine Spiegelreflexkamera. Die Wahl für eine Kamera ist eben auch Geschmackssache.