11.12 Optische Instrumente
Durch den Bau der ersten optischen Instrumente im 17. Jahrhundert war es uns erstmals möglich, den Mikro- und Makrokosmos „genauer unter die Lupe zu nehmen“. Durch das Mikroskop wurden erstmals kleine Lebewesen (Mikroorganismen) in unzähligen Formen und Größen sichtbar, die mit bloßem Auge nicht erkennbar sind. Die Menschheit musste feststellen, dass es in der Welt weitaus mehr Lebewesen gibt, als sie bis dahin dachte.
Mit dem Lichtmikroskop konnten zum ersten Mal lebende Zellen beobachtet werden (Bild 11.123). Die Erkenntnis, dass alle Lebewesen aus Zellen bestehen (Zelltheorie), ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis von Krankheiten und deren Ursachen.
In diesem Kapitel erfährst du über optische Instrumente, die uns mehr sehen lassen als durch unsere Augen alleine. Neben der Lupe, wirst du optische Geräte kennenlernen, die aus mehreren dünnen Linsen bestehen.
11.12.1 Sehwinkel und scheinbare Größe
Wie groß dir ein Objekt erscheint, hängt nicht nur von seiner tatsächlichen Größe ab, sondern auf von der Entfernung zu deinen Augen (Betrachtungsabstand). Je weiter weg, desto kleiner erscheint dir dasselbe Objekt.
Diese scheinbare Größe (engl. apparent size) eines Objekts entsteht durch den Sehwinkel (engl. angle of view), unter dem das gesamte Objekt zu sehen ist (Bild 11.124). Alle optischen Geräte, die vergrößern, erreichen das durch eine Vergrößerung des Sehwinkels.
11.12.2 Lupe
Die Lupe (engl. magnifying glass) ist eines der ältesten optischen Instrumente. Sie besteht aus einer einzigen Sammellinse.
Den Strahlengang (Bild 11.125) kennst du schon von der Sammellinse: Befindet sich der Gegenstand innerhalb der einfachen Brennweite, entsteht bei der Sammellinse ein virtuelles, aufrechtes und vergrößertes Bild.
Ohne Lupe siehst du den Gegenstand unter dem Winkel \(\alpha\), mit der Lupe unter dem Winkel \(\alpha'\) – der Sehwinkel hat sich also vergrößert. Gegenstandweite und Bildweite sind unterschiedlich. Um die scheinbare Größe besser vergleichen zu können, verschieben wir das Bild zu der Gegenstandsweite, ohne den Sehwinkel zu verändern. Du erkennst: In unserem Beispiel siehst du den Gegenstand durch die Lupe um den Faktor \(1{,}62\) vergrößert. Mit Lupen werden Vergrößerungen um etwa das Vierfache erreicht, bevor Abbildungsfehler die Qualität zu stark beeinträchtigen.
11.12.3 Lichtmikroskop
Die ersten Lichtmikroskope ((engl. optical microscope)) wurden im frühen 17. Jahrhundert von Brillenherstellern in den Niederlanden und Dänemark entwickelt. Mit ihrer Hilfe können kleine Strukturen wie zum Beispiel Bakterien sichtbar gemacht und untersucht werden (Bild 11.126).
Ein einfaches Lichtmikroskop (Bild 11.126) besteht aus zwei Sammellinsen. Das von einer Lampe erzeugte Licht durchdringt die dünne Probe auf dem Objektträger (Gegenstand \(G\)). Dahinter befindet sich eine Sammellinse (Objektiv) mit einer kleinen Brennweite (\(2-15\;\mathrm{mm}\)), die ein stark vergrößertes Zwischenbild \(B_1\) erzeugt (Bild 11.127). Dazu muss sich der Gegenstand knapp außerhalb der Brennweite befinden. Die Lichtstrahlen gelangen jetzt durch eine zweite Sammellinse (Okular) bevor sie das Auge erreichen. Da sich das Zwischenbild \(B_1\) innerhalb der einfachen Brennweite des Okulars befindet, wirkt diese Linse wie eine Lupe und erzeugt ein vergrößertes, virtuelles und verkehrtes Bild \(B_2\) von \(B_1\). Damit wir das Bild mit unseren Augen scharf sehen können, muss sich das Bild mindestens außerhalb der deutlichen Sehweite befinden. In der Praxis wird der Abstand meist größer gewählt, um das Auge bei langer Beobachtung möglichst wenig anzustrengen.
Die Gesamtvergrößerung ergibt sich aus dem Produkt der Vergrößerungen von Objektiv (5- bis 15-fach) und des Okulars (10- bis 60-fach). Das ergibt einen maximalen Vergrößerungsfaktor von rund 1000 für ein Lichtmikroskop.
Die geometrische Optik setzt der Vergrößerung keine Grenzen. Sie ist aber durch die Wellennatur des Lichts begrenzt, die bei der geometrischen Optik nicht berücksichtigt wird. Ist die Größe des betrachteten Gegenstandes in der Größenordnung der Wellenlänge des Lichts, lassen sich seine Strukturen nicht mehr erkennen (Auflösungsvermögen). Die Untersuchung noch kleinerer Strukturen ist mit einem Elektronenmikroskop möglich.
11.12.4 Galilei-Fernrohr
Das holländische oder Galilei-Fernrohr (engl. Galilean telescope) wurde um 1600 von Hans Lipperhey erfunden und besteht aus zwei Linsen: Einer Sammellinse als Objektiv und einer Zerstreuungslinse als Okular. Brennpunkt und Zerstreuungspunkt der Linsen fallen zusammen.
Den Strahlengang beim Galilei-Fernrohr siehst du in Bild 11.128. Ein Fernrohr vergrößert sehr weit entfernte Objekte. Daher können alle einfallende Lichtstrahlen parallel angenommen werden. Das parallel einfallende Strahlenbündel wird durch die Sammellinse konvergent. Ohne dass sich die Lichtstrahlen kreuzen, treffen sie auf die Zerstreuungslinse, wo sie parallel das Fernrohr wieder verlassen. Die Zerstreuungsweite ist kleiner als die Brennweite. Daher treten die Lichtstrahlen in einem steileren Winkel aus der Linse aus –- der Sehwinkel wird von \(\alpha_1\) auf \(\alpha_2\) vergrößert.
Aktuell wird dieses Prinzip vor allem in Theatergläsern („Operngucker“) verwendet, die aus zwei Mini Galilei-Fernrohren bestehen (Bild 11.129).
11.12.5 Kepler-Fernrohr
Das astronomische Fernrohr oder Kepler-Fernrohr (engl. Keplerian telescope) besteht aus zwei Sammellinsen, wobei ihre Brennpunkte in der Mitte zusammenfallen.
In Bild 11.130 siehst du den Strahlengang beim Kepler-Fernrohr. Ein Fernrohr vergrößert sehr weit entfernte Objekte. Daher können alle einfallende Lichtstrahlen parallel angenommen werden. Das parallele Strahlenbündel wird hinter dem Objektiv gebündelt und durch das Okular wieder zu parallelen Strahlen. Die Brennweite des Okulars ist kleiner als die es Objektives, daher treten die Lichtstrahlen in einem steileren Winkel aus der Linse aus – der Sehwinkel wird von \(\alpha_1\) auf \(\alpha_2\) vergrößert. Da sich der Strahlengang im Fernrohr kreuzt, erzeugt das Kepler-Fernrohr – im Gegensatz zum Galilei-Fernrohr – ein verkehrtes Bild!
Das Prismenfernglas („Feldstecher“) besteht aus zwei Mini Kepler-Fernrohren (Bild 11.131). Ein zusätzliches Umkehrprisma im Strahlengang sorgt dafür, dass trotz Bildumkehrung ein aufrechtes Bild zu sehen ist.
11.12.6 Stern-Beobachtung
Alle Sterne (bis auf die Sonne) sind so weit von uns entfernt, dass alle Lichtstrahlen, die uns erreichen, parallel verlaufen. Die Sehwinkelvergrößerung spielt bei so großen Entfernungen keine Rolle mehr. Trotzdem helfen uns Teleskope diese Objekte besser zu beobachten.
Die meisten Sterne sind mit dem mit dem bloßen Auge nicht zu sehen. Durch ihre große Entfernung erreicht uns zu wenig Licht, um sie zu erkennen zu können. Das astronomische Fernrohr (Bild 11.132) sammelt die von einem Stern achsenparallel einfallenden Lichtstrahlen. Dadurch erhöht sich die ins Auge fallende Lichtleistung. Bei einem Pupillendurchmesser von rund \(8\;\mathrm{mm}\) und einem Objektivdurchmesser von zum Beispiel \(80\;\mathrm{mm}\) beträgt das Verhältnis der Querschnittsflächen \(A_1:A_2 = d_1^2:d_2^2=100\). Die Anzahl der sichtbaren Objekte ist aber proportional zum Volumen und damit 1000-Mal so groß!
11.12.7 Spiegel-Teleskop
Die größten Teleskope der Welt sind weder Galilei- noch Kepler-Fernrohre. Das liegt daran, dass sich große optische Linsen aufgrund ihres Eigengewichts durchbiegen und auch schwierig herzustellen sind. Die Obergrenze von optischen Linsen liegt bei einem Durchmesser von etwa \(1{,}2\;\mathrm{m}\).
Noch größere Teleskope sind daher ausschließlich Spiegel-Teleskope (engl. reflektor teleskop). Dabei wird das einfallende Licht nicht gebrochen, sondern von einem gekrümmten Spiegel reflektiert und so gesammelt. Den Aufbau siehst du in Bild 11.133. Licht fällt zunächst auf den konkaven Hauptspiegel (\(S_1\)). Ein zweiter kleiner ebener Spiegel (\(S_2\)) reflektiert das gesammelte Licht in eine kleine Linse (Okular) seitlich am oberen Ende des Teleskop-Rohres.
Neben der Gewichtsersparnis gibt es auch noch einen weiteren Vorteil: Bei einem Spiegel kommt es zu keiner chromatischen Aberration. Das erste Spiegel-Teleskop baute schon Isaac Newton Mitte des 17. Jahrhunderts. Die größten aktuellen Teleskope verwenden Spiegel von rund \(10\;\mathrm{m}\) Durchmesser.
Da Spiegel auch günstiger als Linsen hergestellt werden können, findest du in der Hobby-Astronomie häufig Spiegel-Teleskope (Bild 11.134).