8.1 Grundlagen der Schwingungslehre
8.1.1 1-dimensionale Schwingung
Als Schwingung (engl. oscillation oder vibration) wird jede periodisch wiederkehrende Bewegung bezeichnet. Bewegt sich der schwingungsfähige Körper entlang einer Geraden, handelt es sich um eine 1-dimensionale Schwingung.
Die Bewegung eines sogenannten Federpendels (Bild 8.2) ist ein Beispiel für eine 1-dimensionale Schwingung.
8.1.2 Begriffe aus der Schwingungslehre
Die folgenden Begriffe findest du häufig in der Schwingungslehre:
Oszillator (engl. oscillatory system) ist eine andere Bezeichnung für einen schwingungsfähigen Körper.
Ruhelage oder Gleichgewichtslage (engl. point of equilibrium) bezeichnet den Ort, an dem sich der Oszillator befindet, wenn er keine Schwingung ausführt (Bild 8.3).
Rücktreibende Kraft (engl. restoring force) bezeichnet die Kraft, die den Körper immer wieder in die Gleichgewichtslage zurückkehren lässt.
Elongation y (engl. elongation) bezeichnet die momentane Auslenkung aus der Ruhelage (Bild 8.3). Sie kann positiv oder negativ sein. Bei der Elongation handelt es sich um eine Länge; die Einheit ist das Meter.
Amplitude A (engl. amplitude) bezeichnet die maximale Elongation (Bild 8.3). Bei der Amplitude handelt es sich ebenfalls um eine Länge; die Einheit ist das Meter.
Periodendauer T (engl. period) ist die Dauer für eine vollständige Schwingung – bis sich die Bewegung des Oszillators wiederholt. Die Periodendauer ist eine Zeitspanne; ihre Einheit daher die Sekunde.
Frequenz f (engl. frequency) bezeichnet die Anzahl der vollständigen Schwingungen pro Sekunde. Die Einheit ist \(1\;\mathrm{Hz}\) (oder \(1/s\); siehe dazu den Abschnitt Einheit der Frequenz). Sie ist der Kehrwert der Periodendauer (siehe Abschnitt Frequenz und Periodendauer):
\[ f = \frac{1}{T} \]
8.1.3 Orts-Zeit-Diagramm eines Oszillators
Wird an dem Oszillator ein Stift befestigt und ein Blatt Papier waagrecht daran vorbeigeführt, erhalten wir das Orts-Zeit-Diagramm des schwingungsfähigen Körpers (interaktives Bild 8.4).
Im Orts-Zeit-Diagramm des Oszillators erkennst du auf der Zeitachse die Periodendauer \(T\) (zum Beispiel der Abstand von einem Maximum der Kurve zum darauf folgenden Maximum oder von einem Minimum zum darauf folgenden Minimum) und auf der Ortsachse die Amplitude \(A\).
8.1.4 Harmonische und nicht harmonische Schwingungen
Im Bild 8.5 siehst du zwei unterschiedliche Schwingungen mit derselben Periodendauer: oben das Orts-Zeit-Diagramm eines Federpendels und unten das Elektrokardiogramm (EKG) eines Herzschlages.
Ist das Orts-Zeit-Diagramm eines Oszillators eine Sinus- oder Kosinus-Kurve, wird von einer harmonischen Schwingung (engl. simple harmonic motion) gesprochen. Diese Art der Schwingung ist für uns besonders interessant und wird uns die nächsten Abschnitte beschäftigen. Alle anderen Schwingungen werden als nicht-harmonische Schwingungen bezeichnet.
8.1.5 Frequenz und Tonhöhe
Schwingende Luft wird von deinen Ohren als Schall wahrgenommen. Die Druckschwankungen der Luft haben eine messbare Frequenz. Die durch eine harmonische Schallschwingung erzeugte Sinneswahrnehmung wird als Ton bezeichnet. Je größer die Frequenz, desto größer ist die Tonhöhe (engl. pitch).
Das menschliche Gehör nimmt ein bestimmtes Tonintervall immer als gleich groß wahr, egal ob du dich im tiefen oder hohen Tonbereich befindest. Zum Beispiel ist der gehörte Abstand zwischen Tönen \(a^{\prime}\) und \(a^{\prime\prime}\) derselbe wie zwischen den Tönen \(a^{\prime\prime}\) und \(a^{\prime\prime\prime}\), nämlich immer eine Oktave. Auf einer Klaviertastatur erkennst du auch, dass zum Beispiel \(a^{\prime}\) von \(a^{\prime\prime}\) genauso weit entfernt ist wie \(a^{\prime\prime}\) von \(a^{\prime\prime\prime}\) (Bild 8.6). Somit bilden die Oktaven auf der Klaviertastatur (und für das menschliche Gehör) eine arithmetische Folge. Je zwei benachbarte Glieder haben immer denselben Abstand – die Differenz der arithmetischen Folge.
Beginnen wir mit dem Kammerton, der mit der (willkürlichen) Frequenz \(440\;\mathrm{Hz}\) festgelegt wurde, und erhöhen jeweils um eine Oktave, erhalten wir:
Frequenz | Intervall |
---|---|
\(440\;\mathrm{Hz}\) Audio abspielen | Ton \(a^\prime\) |
\(2\cdot 440\;\mathrm{Hz}=880\;\mathrm{Hz}\) Audio abspielen | Ton \(a^\prime\) + 1 Oktave = \(a^{\prime\prime}\) |
\(4\cdot 440\;\mathrm{Hz}=1760\;\mathrm{Hz}\) Audio abspielen | Ton \(a^\prime\) + 2 Oktaven = \(a^{\prime\prime\prime}\) |
\(8\cdot 440\;\mathrm{Hz}=3520\;\mathrm{Hz}\) Audio abspielen | Ton \(a^\prime\) + 3 Oktaven = \(a^{\prime\prime\prime\prime}\) |
\(\ldots\) | \(\ldots\) |
Wie du an den Werten sehen kannst verhalten sich die Frequenzen beim Fortschreiten um jeweils eine Oktave (\(a^{\prime}\), \(a^{\prime\prime}\), \(a^{\prime\prime\prime}\),\(\ldots\)) ganz anders. Es kommt jeweils zu einer Verdoppelung der Frequenz! Für das doppelte Tonintervall ist also die 4-fache Frequenz notwendig! Daher bilden die Frequenzen der Töne, die jeweils eine Oktave auseinanderliegen, eine geometrische Folge. Zwei benachbarte Glieder ergeben immer den gleichen Quotienten –- im Fall einer Oktave ist dieser 2.
Diesen Zusammenhang zwischen physikalisch messbaren Reizänderung (zum Beispiel Frequenz) und wahrnehmbarer Empfindungsänderung (zum Beispiel Tonhöhe) gilt für alle unsere Sinnesorgane und wird als Weber-Fechnersches Gesetz (engl. Weber–Fechner law) bezeichnet.
Gleiche Quotienten \(R_2/R_1\) der Reizeigenschaft R bewirken gleiche Differenzen \(S_2-S_1\) der Wahrnehmungseigenschaft. Unsere Sinnesorgane messen logarithmisch: \(S=k\lg R\) (mit \(k\) konstant). |
Nur dadurch ist es uns möglich, Frequenzen von rund \(20\;\mathrm{Hz}\) bis \(20{.}000\;\mathrm{Hz}\) zu hören.
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