3.7 Gleichförmige Kreisbewegung
In diesem Kapitel geht um die gleichförmige Kreisbewegung (engl. uniform circular motion). Dabei bewegt sich ein Punkt auf einer kreisförmigen Bahn (Umlaufbahn, Orbit) mit konstantem Tempo (Bahngeschwindigkeit) um ein Zentrum (Bild 3.47).
In diesem Kapitel wirst du außerdem viele grundlegende Begriffe, wie Frequenz, Periodendauer oder Zentripetalbeschleunigung, kennenlernen.
3.7.1 Periodendauer
Die gleichförmige Kreisbewegung ist ein Beispiel für eine periodische Bewegung. Sie wiederholt sich in regelmäßigen Zeitabständen. Bei solchen Bewegungen gibt es eine fixe Zeit, nach der sich die Bewegung wiederholt. Diese Zeit wird als Periodendauer \(T\) (engl. period) bezeichnet.
Die SI-Einheit der Periodendauer ist die Sekunde.
Weiter hinten im Buch wirst du noch weitere Bewegungsformen kennenlernen, wie zum Beispiel die gleichmäßige Drehbewegung oder die Schwingung, bei denen sich ebenfalls eine Periodendauer angeben lässt.
3.7.2 Frequenz
Die Frequenz (engl. frequency) ist ebenfalls eine Kenngröße für sich regelmäßigen wiederholende Bewegungen, wie zum Beispiel die gleichförmige Kreisbewegung. Sie gibt die Anzahl der Wiederholungen pro Zeit an:
\[\begin{equation} f=\frac {N}{t} \tag{3.11} \end{equation}\]
In dieser Formel bedeuten:
- \(f\), die Frequenz der Bewegung (in \(\mathrm{1/s}\) oder \(\mathrm{s}^{-1}\))
- \(N\), die Anzahl der Wiederholungen (dimensionslose Zahl)
- \(t\), die benötige Zeit für die Wiederholungen (in \(\mathrm{s}\))
Benötigen 5 vollständige Umdrehungen genau 2 Sekunden, ist die Frequenz der Bewegung \(f=5/2=2{,}5\;\mathrm{s}^{-1}\). In einer Sekunde wiederholt sich die Bewegung somit \(2{,}5\)-Mal. Die Zahl der Frequenz gibt also die Anzahl der Wiederholungen pro Sekunde an.
3.7.3 Einheit der Frequenz
Frequenz ist die Anzahl der Wiederholungen (zum Beispiel vollständige Umrundungen) pro Zeit. Da „Anzahl“ keine Einheit hat (dimensionslose Zahl ist), ist die SI-Einheit der Frequenz \(1/\mathrm{s}\) oder \(\mathrm{s}^{-1}\) (gesprochen „pro Sekunde“). Zu Ehren von Heinrich Hertz wird die Einheit der Frequenz auch Hertz (Formelsymbol: \(\mathrm{Hz}\)) genannt. Zum Beispiel:
\[ f = 2{,}5\;\mathrm{Hz} = 2{,}5\;\mathrm{s}^{-1} \]
Neben dieser SI-Einheit findest du die Frequenz manchmal auch in den Einheit \(1/\mathrm{min}\) oder \(\mathrm{min}^{-1}\) (Umdrehungen pro Minute, engl. revolutions per minute oder RPM). Da eine Minute 60 Mal so lange dauert wie eine Sekunde, kann es in einer Sekunde nur \(1/60\) so viele Umdrehungen geben. Um einen solchen Wert in die Hertz umzurechnen, musst du daher nur den Zahlenwert durch 60 dividieren. Zum Beispiel:
\[ f = 1\,200\;\mathrm{min}^{-1} = \frac{1\,200}{60}\;\mathrm{s}^{-1} = 20\;\mathrm{Hz} \]
3.7.4 Frequenz und Periodendauer
Da die Periodendauer die Zeit für eine vollständige wiederholte Bewegung ist, gibt es einen sehr einfachen Zusammenhang zur Frequenz:
- Benötigt ein vollständiger Zyklus 2 Sekunden (\(T=2\;\mathrm{s}\)), geht sich in einer Sekunde grade einmal ein halber Zyklus aus.
- Benötigt ein vollständiger Zyklus 1 Sekunde (\(T=1\;\mathrm{s}\)), geht sich genau eine vollständiger Zyklus in einer Sekunde aus.
- Benötigt ein vollständiger Zyklus eine halbe Sekunde (\(T=1/2\;\mathrm{s}\)), gehen sich sogar zwei vollständige Zyklen in einer Sekunde aus.
Frequenz und Periodendauer verhalten sich also reziprok. Es gilt:
\[\begin{equation} f = \frac{1}{T} \tag{3.12} \end{equation}\] |
3.7.5 Bahngeschwindigkeit
Die Periodendauer bei einer gleichförmigen Kreisbewegung wird auch Umlaufzeit (engl. orbital period) genannt. Kennst du die Umlaufzeit \(T\), kannst du die Bahngeschwindigkeit (Orbitalgeschwindigkeit, Tangentialgeschwindigkeit) für eine kreisförmige Translation mithilfe der Definition der Durchschnittsgeschwindigkeit recht einfach berechnen. Bei einem Kreisradius \(r\) ist der für einen Umlauf zurückzulegende Weg genau der Kreisumfang \(l=2\pi r\). Die Größe der Bahngeschwindigkeit lässt sich dann mit der folgenden Formel (Weg durch Zeit) berechnen:
\[\begin{equation} v=\frac{2\pi r}{T} \tag{3.13} \end{equation}\] |
Die Bahngeschwindigkeit ist eine Zahl (Skalar) und entspricht der Länge des Geschwindigkeitsvektors. Bei einer Kreisbahn verläuft der Geschwindigkeitsvektor zu allen Zeiten entlang der Kreistangente, bildet also mit dem Bahnradius immer einen rechten Winkel (Bild 3.47). Obwohl seine Länge immer gleich bleibt, ändert er ständig seine Richtung.
3.7.6 Beschleunigung bei der gleichförmigen Kreisbewegung
Bei einer gleichförmigen Translation ändert sich zwar das Tempo nicht, aber die Geschwindigkeit ändert sich trotzdem ständig. Das liegt daran, dass der Geschwindigkeitsvektor zwar immer gleich lang ist, aber ständig in eine andere Richtung zeigt. Das ist auch eine Geschwindigkeitsänderung pro Zeit und damit einer Beschleunigung. Eine gleichförmige Kreisbewegung ist also eine beschleunigte Bewegung!
Diese Beschleunigung wird Zentripetalbeschleunigung (engl. centripetal acceleration) genannt. Die Größe der Beschleunigung eines Punktes auf einer Kreisbewegung kannst du mit der Formel
\[\begin{equation} a_z = \frac{v^2}{r} \tag{3.14} \end{equation}\] |
berechnen. In dieser Formel bedeuten:
- \(a_{\mathrm{z}}\), die Zentripetalbeschleunigung des Punktes (in \(\mathrm{m/s^2}\))
- \(v\), die Bahngeschwindigkeit des Punktes (in \(\mathrm{m/s}\))
- \(r\), der Bahnradius des Punktes (in \(\mathrm{m}\))
Aus dem Bruch kannst du direkt ablesen:
- je größer die Bahngeschwindigkeit, desto größer die Zentripetalbeschleunigung (bei gleichem Bahnradius)
- je kleiner der Bahnradius, desto größer die Zentripetalbeschleunigung (bei gleicher Umlaufgeschwindigkeit)
Dass es sich bei diesem Ausdruck tatsächlich um eine Beschleunigung handelt, kannst du mithilfe einer Dimensionsbetrachtung überprüfen:
\[ \frac{[v]^2}{[r]} = \frac{(\mathrm{m/s})^2}{\mathrm{m}} = \frac{\mathrm{m}^2/\mathrm{s}^2}{\mathrm{m}} = \mathrm{m}/\mathrm{s}^2 \]
3.7.7 Herleitung Zentripetalbeschleunigung
Sieh dir zunächst folgende Abbildung an: Du siehst den Körper zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten auf seiner Umlaufbahn (\(t_1\) und \(t_2\)) und die Ortsänderung \(\Delta\vec{s}\) zwischen diesen Zeitpunkten. Rechts davon wird die Größe \(\Delta\vec{v}\) als Differenz der beiden der entsprechenden Geschwindigkeitsvektoren gezeigt (Bild 3.48).
Da der Winkel in beiden gleichschenkeligen Dreiecken gleich ist, handelt es sich bei den Dreiecken \(\Delta s\), \(r_1\), \(r_2\) und \(\Delta v\), \(v_1\), \(v_2\) um ähnliche Dreiecke (S:W:S-Satz). Daraus folgt, dass das Verhältnis
\[ \frac{\Delta v}{\Delta s} = \frac{v_1}{r_1} = \frac{v_2}{r_2} = \frac{v}{r} \]
für beliebige Zeitpunkte gilt (daher fehlen im letzten Bruch die Indizes). Durch Umformen erhältst du:
\[ \Delta v = \Delta s\cdot\frac{v}{r} \]
Setzt du diesen Ausdruck in die Definition der Beschleunigung ein, erhältst du die Formel für die Zentripetalbeschleunigung:
\[ a_z = \frac{\Delta v}{\Delta t} = \frac{\Delta s}{\Delta t}\cdot\frac{v}{r} = v\cdot\frac{v}{r} = \frac{v^2}{r} \]
3.7.8 Richtung der Zentripetalbeschleunigung
Die Formel für die Zentripetalbeschleunigung liefert eine Zahl (Skalar) und entspricht der Länge des Beschleunigungsvektors. Der Beschleunigungsvektor \(\vec{a}_{z}\) hat dieselbe Richtung wie \(\Delta\vec{v}\) und zeigt zu allen Zeitpunkten zum Kreismittelpunkt. Das Wort zentripetal setzt sich aus den lateinischen Wörtern centrum (“Zentrum”) und petere („nach etwas streben") zusammen.
Außerdem steht der Vektor der Zentripetalbeschleunigung zu allen Zeiten normal auf den Geschwindigkeitsvektor. In der interaktiven Abbildung 3.49 kannst du die Größe und Richtung der Zentripetalbeschleunigung untersuchen.
3.7.9 Anwendungsbeispiel: gleichförmige Kreisbewegung
Der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne beträgt \(1{,}5\cdot 10^{11}\;\mathrm{m}\), auch als eine astronomische Einheit bezeichnet (\(1\;\mathrm{AE}\) , engl. astronomical unit). Unter der Annahme, dass sich die Erde auf einer Kreisbahn um die Sonne bewegt, berechne die Bahngeschwindigkeit und die Zentripetalbeschleunigung.
Aus der Angabe folgt, dass der Bahnradius \(r = 1{,}5\cdot 10^{11}\;\mathrm{m}\) für die Kreisbewegung beträgt. Daraus können wir die Gesamtlänge der Kreisbahn (Umfang) berechnen:
\[ l = 2\cdot\pi\cdot 1{,}5\cdot 10^{11}\;\mathrm{m} = 942\,477\,796\,077\;\mathrm{m} \]
Die Erde benötigt für einen Umlauf um die Sonne ein Jahr (\(365{,}25\) Tage). Ein Tag besteht aus 24 Stunden, eine Stunde aus 60 Minuten und eine Minute aus 60 Sekunden. Für die Umlaufzeit in Sekunden erhalten wir daher:
\[ T =365{,}25\cdot 24\cdot 60\cdot 60 =31\,557\,600\;\mathrm{s} \]
Und für die Bahngeschwindigkeit der Erde um die Sonne:
\[ v = \frac{l}{T} = \frac{942\,477\,796\,077\;\mathrm{m}}{31\,557\,600\;\mathrm{s}} = 29\,865{,}32\;\mathrm{m/s} \]
oder rund \(110\,000\;\mathrm{km/h}\). Eine unglaublich große Geschwindigkeit! Daher war die Bahngeschwindigkeit auch ein Argument gegen das heliozentrische Weltbild, da sich viele Menschen nicht vorstellen konnten, dass wir mit einer so großen Geschwindigkeit durch das All rasen, ohne etwas davon mitzubekommen. Im Gegensatz zu Beschleunigungen können wir aber Geschwindigkeiten nicht spüren. Berechnen wir also die Zentripetalbeschleunigung für die Bahnbewegung der Erde um die Sonne:
\[ a_z = \frac{v^2}{r} = \frac{(29\,865{,}32\;\mathrm{m/s})^2}{1{,}5\cdot 10^{11}\;\mathrm{m}} = 0{,}0059\ldots\;\mathrm{m/s^2} \]
Der riesige Bahnradius sorgt dafür, dass die Zentripetalbeschleunigung trotz großer Bahngeschwindigkeit unmerkbar klein im Verhältnis zur Fallbeschleunigung von \(9.81\;\mathrm{m/s^2}\) auf der Oberfläche der Erde ist.