3.3 Beschleunigung

Bei Beschleunigungsrennen gewinnt nicht der Wagen mit der größten Geschwindigkeit, sondern der Wagen mit der größten Beschleunigung.

Sportwagen bei einem Beschleunigungsrennen

Bild 3.17: Sportwagen bei einem Beschleunigungsrennen

3.3.1 Mittlere Beschleunigung

Unter dem Begriff „Beschleunigung“ bezeichnet umgangssprachlich, wie rasch die Geschwindigkeit eines Körpers zunimmt. In der Physik ist die mittlere Beschleunigung \(\vec{a}_m\) (engl. acceleration) analog der Formel für die mittlere Geschwindigkeit als Quotient aus Geschwindigkeitsänderung und Zeitänderung definiert, also:

\[\begin{equation} \vec{a}_m = \frac{ \vec{v}_2 - \vec{v}_1 }{t_2-t_1} = \frac{\Delta\vec{v}}{\Delta t} \tag{3.4} \end{equation}\]

Beachte wieder die Reihenfolge. Auch hier gilt „nachher minus vorher“. Wie bei der Definition der Mittlere Geschwindigkeit, hast du auch hier wieder einen Bruch von zwei Differenzen, also einen Differenzenquotienten.

Ist bei \(\vec{v}_1\) und \(\vec{v}_2\) oben in der Formel jetzt die mittlere Geschwindigkeit oder die Momentangeschwindigkeit gemeint? Gut aufgepasst. Eigentlich ist die Momentangeschwindigkeit gemeint. Wenn du aber nur die mittlere Geschwindigkeit zur Verfügung hast, kannst du auch diese verwenden. Je kleiner die Zeitintervalle bei den mittleren Geschwindigkeiten sind, desto genauer dein Ergebnis.

Beachte, dass die Geschwindigkeit eine Vektorgröße ist. Die Differenz der Geschwindigkeiten ist somit ebenfalls ein Vektor. Dagegen sind Zeitangaben Zahlen (Skalare) und deren Differenz ebenfalls eine Zahl. Die Division eines Vektors durch eine Zahl ergibt einen Vektor und somit ist die mittlere Beschleunigung ebenfalls eine Vektorgröße.

Kann die mittlere Beschleunigung negativ sein, also können im Beschleunigungsvektor negative Komponenten vorkommen? Selbstverständlich. In diesem Fall wird ein Körper (in diese Achsenrichtungen) nicht schneller, sondern langsamer. Bei einem Auto zum Beispiel, das auf einer geraden Straße fährt und dessen Motorhaube in Richtung positiver x-Achse zeigt, entspricht das einem Bremsmanöver.

3.3.2 Einheit der Beschleunigung

Durch Einsetzen der Einheit von Geschwindigkeit (3.2.2, „Meter pro Sekunde“) und Zeit (Sekunde) in die Definitionsgleichung für die Beschleunigung erhalten wir:

\[ [a] = \frac{[\Delta v]}{[\Delta t]} = 1\;\frac{\mathrm{m/s}}{\mathrm{s}} = 1\;\frac{\mathrm{m}}{\mathrm{s^2}} \]

Die Einheit \(\mathrm{m}/\mathrm{s}^2\) wird „Meter pro Sekundenquadrat“ ausgesprochen.

3.3.3 Momentanbeschleunigung

Bei der Frage nach der Beschleunigung zu einem bestimmten Zeitpunkt ergibt sich dasselbe Problem wie bei der Frage nach einer Geschwindigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Nach der gleichen Überlegung lässt sich die Körpereigenschaft der Momentanbeschleunigung \(\vec{a}\) definieren, die sich als Annäherung durch immer kleinere Zeitschritte ergibt.

Zur Berechnung eines exakten Wertes für die Momentanbeschleunigung benötigst du auch hier den Grenzwertbegriff der Infinitesimalrechnung.

\[\begin{equation} {\vec {a}} ={\underset {\Delta t\rightarrow 0}{\lim }}{\frac {\Delta {\vec {v}}}{\Delta t}} ={\frac {\mathrm{d} {\vec {v}}}{\mathrm{d} t}} \tag{3.5} \end{equation}\]

3.3.4 Beispiele für Beschleunigungswerte

Um dir eine Vorstellung von der Größe der Beschleunigungseinheit zu geben, findest du hier einige Werte aus der Praxis. Jeder Wert ist auch als Vielfaches der Erdbeschleunigung angegeben.

Meter pro Sekundenquadrat Vielfaches der Erdbeschleunigung
Typische Beschleunigung eines Pkw \(4{,}3\;\mathrm{m/s^2}\) \(0{,}44\;\mathrm{g}\)
F-1 Rennwagen \(50\;\mathrm{m/s^2}\) \(5\;\mathrm{g}\)
Schleudersitz \(150\;\mathrm{m/s^2}\) \(15\;\mathrm{g}\)
Frontalzusammenstoß Pkw mit einer Wand (bei \(100\;\mathrm{km/h}\)) \(982\;\mathrm{m/s^2}\) \(100\;\mathrm{g}\)
Vom Fuß getroffener Fußball \(2946\;\mathrm{m/s^2}\) \(300\;\mathrm{g}\)
Absprung eines menschlichen Flohs \(3200\;\mathrm{m/s^2}\) \(320\;\mathrm{g}\)
Vom Schläger getroffener Baseball \(29{.}460\;\mathrm{m/s^2}\) \(3000\;\mathrm{g}\)
Projektil in einer Handfeuerwaffe \(304{.}420\;\mathrm{m/s^2}\) \(31{.}000\;\mathrm{g}\)

Links:

3.3.5 Beschleunigungen kannst du spüren

Eine konstante Geschwindigkeit von \(0\;\mathrm{km/s}\) fühlt sich für dich genauso an wie eine konstante Geschwindigkeit von \(200\;\mathrm{km/s}\). Jeder, der schon einmal mit einem Flugzeug geflogen ist, hat diese Erfahrung gemacht (Bild 3.18).

Flüssigkeiten einschenken während des Fluges

Bild 3.18: Flüssigkeiten einschenken während des Fluges

Im Gegensatz dazu wird jede Geschwindigkeitsänderung (also Beschleunigung) von deinem Körper wahrgenommen – denke zum Beispiel an das Bremsen mit einem Fahrrad oder an das Gefühl beim Start eines Flugzeugs.

Bewegst du dich mit konstanter Geschwindigkeit mit einem gefüllten Wasserglas, ist die Flüssigkeitsoberfläche eben. Sobald du langsamer oder schneller wirst, ist die Oberfläche nicht mehr eben. Diese Änderung misst dein Gleichgewichtsorgan im Innenohr, das ebenfalls mit einer Flüssigkeit gefüllt ist, und du nimmst die Bewegungsänderung wahr.

3.3.6 Ruck und Ruckänderung

Eine zeitliche Ortsänderung wird Geschwindigkeit genannt und eine zeitliche Geschwindigkeitsänderung wird Beschleunigung genannt. Gibt es vielleicht auch einen Begriff für die zeitliche Änderung der Beschleunigung?

Ja, die gibt es tatsächlich! Die zeitliche Beschleunigungsänderung wird Ruck (engl. jerk) genannt. Ihre Definition lautet:

\[\begin{equation} \vec{j}_m = \frac{ \vec{a}_2 - \vec{a}_1 }{t_2-t_1} = \frac{\Delta\vec{a}}{\Delta t} \tag{3.6} \end{equation}\]

Leider ist die Körpererfahrung, die du mit dem Begriff „Ruck“ oder „ruckartig“ aus der Alltagssprache verbindest, nicht dasselbe wie der Ruck in der Physik. Einen Ruck im physikalischen Sinne erhältst du zum Beispiel, wenn du beim Fahrradfahren den Bremshebel langsam und kontinuierlich immer fester anziehst.

Übrigens: Selbst die zeitliche Ruckänderung hat einen Namen. Sie wird als Knall (engl. snap) bezeichnet…