9.5 Wasserwellen
Im Bild 9.39 siehst du die wohl bekannteste Darstellung einer Welle. Viele behaupten, es handelt sich dabei um die Darstellung eines Tsunamis.
Was unterscheidet eigentlich eine gewöhnliche Brandungswelle von einem Tsunami? Und warum überschlägt sich überhaupt eine Welle am Strand? Antworten auf diese Fragen findest du in diesem Kapitel.
9.5.1 Tief- und Flachwasserwellen
Die Bewegung einer Oberflächenwelle setzt sich auch im Medium darunter fort. Wir unterscheiden:
Tiefwasserwellen (engl. deep water waves) (Bild 9.40, links), bei denen die Wellenlänge viel kleiner als die Wassertiefe ist. In diesem Fall nimmt die Wellenbewegung mit der Tiefe rasch ab. Bei Tiefwasserwellen ist die Geschwindigkeit unabhängig von der Wassertiefe.
Flachwasserwellen (engl. shallow water waves) (Bild 9.40, rechts), bei denen die Wassertiefe in der Größenordnung der Wellenlänge ist. In diesem Fall reicht die Wellenbewegung bis zum Grund und wird behindert. Bei Flachwasserwellen ist die Geschwindigkeit der Welle daher abhängig von der Wassertiefe.
9.5.2 Brandungswellen
Nähert sich eine Wasserwelle dem Strand, nimmt die Wassertiefe ständig ab und damit auch die Wellengeschwindigkeit. Sinkt die Wellengeschwindigkeit, ändert sich nach der Grundgleichung der Wellenlehre auch die Wellenlänge – sie wird kleiner.
Da im flachen Wasser weniger Masse zu bewegen ist, gleichzeitig aber die Energieerhaltung gilt, muss sich noch etwas anderes ändern. Die kinetische Energie der Welle wandelt sich zunehmend in potenzielle Energie um – die Amplitude der Welle wächst (Bild 9.41).
Durch Reibung mit dem Grund wird der untere Teil einer Welle gebremst und verzögert (Bild 9.42). Das führt dazu, dass die Welle in Strandnähe sich irgendwann überschlägt (Brandungswelle).
Bei starkem Wind können sich auch im tiefen Wasser Wellen überschlagen.
9.5.3 Tsunami
Tsunamis entstehen fast immer durch unterseeische Erdbeben. Sie transportieren enorme Mengen an Energie und ihre Wellenlänge beträgt mehreren hundert Kilometer. Aufgrund ihrer großen Wellenlänge verhalten sich Tsunamis auch in tiefen Gewässern wie Flachwasserwellen.
Nähert sich eine solche Welle dem Strand, werden sie zu riesigen Brandungswellen, die ihre Energie an Land entladen und große Zerstörung anrichten. Außerdem breiten sich Tsunamis sehr schnell aus. Ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit beträgt mehrere 100 Kilometer pro Stunde. Damit durchlaufen sie den ganzen Ozean in wenigen Stunden, was die Frühwarnung zusätzlich erschwert (Bild 9.43).
Das Wort Tsunami bedeutet „Hafenwelle“, weil diese Art von Wellen erst in Küstennähe gefährlich werden. Auf offener See sind sie ungefährlich – du würdest sie nicht einmal bemerken. Aber wie kann es sein, dass eine so riesige Welle unentdeckt bleibt? Das hat zwei Gründe. Befindest du dich auf einem Boot und erfasst dich der Wellenberg eines Tsunamis, hebt sich – aufgrund der riesigen Wellenlänge – das ganze Meer um dich herum ebenfalls. Zum anderen ist die Periodendauer eines Tsunamis in der Größenordnung einer Stunde, daher heben und senken sich die Wassermassen extrem langsam und daher unmerklich.