10.1 Atome
In unserer Welt gibt es eine unglaubliche Vielfalt an unterschiedlicher Materie mit unterschiedlichem Aussehen und Eigenschaften - Materie besteht aus unterschiedlichen Stoffen.
Es ist überliefert, dass sich Demokrit und Leukipp aus dem antiken Griechenland schon die Frage gestellt haben, ob all diese Vielfalt nicht auf eine begrenzte Anzahl von kleinsten unteilbaren Bausteinen zurückzuführen ist. So wie du unzählige Modelle mit einer begrenzten Anzahl unterschiedlicher Klemmbausteine bauen kannst (10.3).
Sie nannten diese Bausteine Atome von dem griechischen Begriff átomos für „unzerteilbar“. Diese Atomhypothese geriet in Vergessenheit und wurde erst Mitte des 17. Jahrhunderts wieder aufgegriffen.
10.1.1 Atommodell von Dalton
Um 1800 veröffentlichte John Dalton seine Atom-Theorie. Nach seiner Vorstellung bestehen alle Stoffe aus kleinsten, unzerstörbaren, kugelförmigen Bausteinen, den Atomen. Jedes Atom hat dabei eine bestimmte Größe und Masse. Atome der gleichen Atomsorten haben dieselbe Masse und Größe (so ähnlich wie Atome in einem Molekülbaukasten (10.4)).
Bei chemischen Reaktionen werden die Atome der Ausgangsstoffe nur neu angeordnet und in bestimmten Anzahlverhältnissen miteinander verbunden. Da Atome weder verschwinden noch erzeugt werden können, lässt sich mit diesem Modell erklären, warum bei chemischen Reaktionen die Summe die Masse der Ausgangsstoff immer gleich der Masse der Endstoffe ist.
Warum sich aber nur bestimmte Atome zu Molekülen verbinden, kann dieses einfache Modell zum Beispiel nicht erklären.
10.1.2 Klassisches Atommodell
Um 1900 stellte sich heraus, dass Atome – anders als ihr Name vermuten lässt – nicht unteilbar sind, sondern eine innere Struktur besitzen. Zunächst wurde das Elektron (1897), später der Atomkern und das Proton (1911) und schließlich das Neutron (1932) entdeckt.
Atome haben einen Durchmesser von rund \(10^{-10}\;\mathrm{m}\). Diese Zahl wird auch als 1 Ångström bezeichnet. Jedes Atom besteht aus einem Atomkern im Inneren und einer ihn umgebenden Atomhülle (Bild 10.5).
Der Atomkern besteht aus einem oder mehreren Kernteilchen (Nukleonen): Protonen und Neutronen. Protonen besitzen eine positive elektrische Ladung, Neutronen sind elektrisch neutral.
Die Atomhülle besteht nur aus Elektronen. Elektronen besitzen eine negative elektrische Ladung. Obwohl ein Proton rund 2000 Mal mehr Masse als ein Elektron besitzt (Bild 10.6), sind ihre elektrischen Ladungen – bis auf das Vorzeichen – gleich groß. Diese Ladungsmenge wird als Elementarladung bezeichnet.
Das hier gezeigte Atommodell entspricht im Wesentlichen dem Bohrschen Atommodell, benannt nach Niels Bohr.
10.1.3 Atomkern
Im Gegensatz zu einem Atom mit der Größe von rund \(100{.}000\;\mathrm{fm}\) hat der Atomkern (engl. nucleus) nur eine Größe von rund \(1\;\mathrm{fm}\) (ein billiardstel Meter!). Das entspricht ungefähr dem Verhältnis von Eiffelturm zu einer Erbse. Nahezu die gesamte Masse (\(99{,}9\,\%\)) des Atoms ist im Atomkern konzentriert.
Die elektrisch positiv geladenen Protonen stoßen einander ab. Bei mehr als zwei Protonen werden Neutronen benötigt, die als „Klebstoff“ zwischen den Protonen dienen. Diese Kernkraft (starke Wechselwirkung) ist bei kleinen Abständen größer als die elektrische Abstoßung und es entsteht ein stabiler Kern.
10.1.4 Atomhülle
Atome sind im Allgemeinen elektrisch neutral – in der Hülle (engl. shell) befinden sich daher gleich viele Elektronen wie Protonen im Kern.
Die Elektronen sind in sogenannten Schalen um den Kern angeordnet (Bild 10.8). Die Schalen werden aufsteigend, beginnend bei K (wie kernnächste Schale), mit Großbuchstaben bezeichnet: K, L, M,… Jede Schale kann nur eine begrenzte Anzahl an Elektronen aufnehmen. In der \(n\)-ten Schale haben maximal \(2\cdot n^2\) Platz.
Schalen-Nummer | Buchstabe | Maximale Anzahl Elektronen |
---|---|---|
1 | K | 2 |
2 | L | 8 |
3 | M | 18 |
4 | N | 32 |
5 | O | 50 |
6 | P | 72 |
7 | Q | 98 |
… | … | … |
10.1.5 So sieht also ein Atom aus?
Du stellst dir vermutlich ein Atom jetzt wie ein Mini-Planetensystem vor, bei dem die Elektronen auf ihren Schalen um den Atomkern kreisen, so wie Monde um einen Planeten kreisen (Bild 10.9).
Das in diesem Kapitel vorgestellte Bohrsche Atommodell (benannt nach Niels Bohr) hilft dir, einige Zusammenhänge in der Physik und der Chemie zu verstehen und genügt für das Verständnis der Inhalte der nächsten Kapitel. Einige Dinge – zum Beispiel, warum sich Elektronen nur in bestimmten Entfernungen vom Kern aufhalten „dürfen“ oder warum jede Schale maximal \(2\cdot n^2\) Elektronen aufnehmen kann – lassen sich mit diesem Modell aber nicht erklären.
Heute wissen wir, dass ein Atom alles andere als ein Mini-Planetensystem ist. Im letzten Teil des Buches wirst du daher unser aktuell bestes Modell eines Atoms – das quantenmechanische Orbitalmodell – kennenlernen. Obwohl es die Eigenschaften der Atome am besten beschreibt, ist es leider mathematisch kompliziert und ziemlich unanschaulich.
Du stellst dir jetzt vielleicht die Frage, ob Protonen, Neutronen und Elektronen nicht auch noch aus kleineren Strukturen aufgebaut sind. Die Antwort auf diese Frage findest du im Abschnitt über das Standardmodell der Elementarteilchenphysik.