5.7 Zweidimensionale Stoßvorgänge
In Bild 5.36 siehst du die Bewegung der Kugeln beim Poolbillard nach dem Anstoß.
Nachdem wir uns im Kapitel mit eindimensionalen Stoßvorgängen beschäftigt haben, untersuchen wir in diesem Kapitel zweidimensionale elastische Stöße, wie sie zum Beispiel beim Billard oder Air-Hockey vorkommen.
5.7.1 Anwendung: Schräger Stoß mit einer Wand
Für die Untersuchung eines Stoßes einer Kugel mit einer Wand zerlegen wir den Impulsvektor der Kugel in zwei Komponenten - eine normal zur Wand, die andere parallel zur Wand (Bild 5.37).
Bild 5.37: Schräger Stoß einer Kugel mit einer Wand
Durch diese kluge Wahl der Komponenten erhalten wir einen Teilimpuls, der vor und nach dem Stoß unverändert bleibt, es gilt:
\[ \vec{p}'_x = \vec{p}_x \]
Die y-Komponente des Impulses können wir jetzt wie einen eindimensionalen Stoß behandeln. Dabei handelt es sich um einen elastischen Stoß bei einer ruhenden, sehr großen zweiten Masse. Vom senkrechten Stoß mit einer Wand wissen wir bereits, dass sich in diesem Fall der Impuls vollständig umkehrt. Aus der Impulskomponente in y-Richtung wird:
\[ \vec{p}'_y = -\vec{p}_y \]
Da das Impulsdreieck bei diesem Vorgang nur gespiegelt wird, gilt insbesondere, dass die Winkel vor und nach dem Stoß mit der Wand gleich groß sind.
5.7.2 Anwendung: Schiefer Stoß zweier Billardkugeln
In Bild 5.38 siehst du eine Kugel, die sich mit der Geschwindigkeit \(\vec{v}\) auf eine ruhende Kugel zubewegt. Die Geschwindigkeitsrichtung ist so gewählt, dass es zu einem schiefen Stoß der beiden Kugeln kommt. Nach dem Stoß hat die ursprüngliche Kugel die Geschwindigkeitsrichtung \(\vec{v}_1\) und die zuvor ruhende Kugel die Geschwindigkeit \(\vec{v}_2\). Wir möchten einen Ausdruck für den Winkel \(\alpha\) zwischen den Kugeln nach dem Stoß finden. Wir gehen von einem elastischen Stoß aus.
Bild 5.38: Zwei Billardkugeln (a) vor und (b) nach dem Stoß.
Nach dem Impulserhaltungssatz muss die Vektorsumme aus den beiden Impulsvektoren nach dem Stoß gleich dem Impulsvektor vor dem Stoß sein (Bild 5.39):
\[ \begin{aligned} m\cdot \vec{v} = {} & m\cdot \vec{v}_1 + m\cdot \vec{v}_2 &&\qquad\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{m} \\ \vec{v} = {} & \vec{v}_1 + \vec{v}_2 \end{aligned} \]
Da alle Stoßpartner dieselbe Masse haben, muss diese Vektorsumme auch für die Geschwindigkeiten gelten. Die Längen der Geschwindigkeitsvektoren bilden ein Dreieck.
Bild 5.39: Vektorsumme der Geschwindigkeiten für zwei Billardkugeln
Wenden wir jetzt den Energieerhaltungssatz an. Für die kinetischen Energien gilt (Summe der kinetischen Energien vor und nach dem Stoß gleich):
\[ \begin{aligned} \frac{m\cdot v^2}{2} = {} & \frac{m\cdot v^2_1}{2} + \frac{m\cdot v^2_2}{2} &&\qquad\Bigr\rvert\cdot \frac{2}{m} \\ v^2 = {} & v^2_1 + v^2_2 \\ \end{aligned} \]
Die Seiten des Dreiecks in Bild 5.39 erfüllen den Satz des Pythagoras, der nur für rechtwinkelige Dreiecke gilt. Da die Katheten in diesem Dreieck den Geschwindigkeiten \(v_1\) und \(v_2\) nach dem Stoß entsprechen, bilden diese einen \(90^°\) Winkel.
Unabhängig davon, unter welchem Winkel eine ruhende Kugel getroffen wird, ist der Winkel zwischen beiden Stoßpartnern nach dem Stoß – unter der Voraussetzung gleich großer Massen – immer \(90^°\). Dieses erstaunliche Ergebnis kannst du leicht auf jedem Billardtisch selbst im Experiment bestätigen.
5.7.3 Impuls im Schwerpunktsystem
Wir werden jetzt ein bewegtes Bezugssystem wählen, das sich mit der Geschwindigkeit des gemeinsamen Schwerpunkts bewegt. Das klingt seltsam. Es scheint die Aufgabe sogar schwieriger zu machen.
Durch die Impulserhaltung verändert sich die Geschwindigkeit des Gesamtschwerpunkts aller Massen nicht – sie ist vor und nach dem Stoß gleich!
Wählen wir als Bezugssystem den Gesamtschwerpunkt, ist seine Geschwindigkeit schon aufgrund seiner Definition null. In diesem Schwerpunktsystem (engl. center of mass reference frame) ist aber auch der Gesamtimpuls zu allen Zeiten null!
[TODO]