9.9 Dopplereffekt und Überschallflug

In diesem Kapitel geht es um Effekte, die bei bewegten Wellenquellen und -empfängern in Gasen (etwa Luft) auftreten. Einer dieser Effekte wird in Bild 9.66 eindrucksvoll sichtbar.

Wolkenscheibeneffekt nahe der Schallgeschwindigkeit

Bild 9.66: Wolkenscheibeneffekt nahe der Schallgeschwindigkeit

Moderne Kampfflugzeuge erreichen Spitzengeschwindigkeiten von über \(1500\;\mathrm{km/h}\). Umso erstaunlicher, dass die ersten Zusammenhänge zu einer Zeit beschrieben wurden, als die größte mögliche Geschwindigkeit gerade einmal ein fahrender Zug mit \(70\;\mathrm{km/h}\) war…

9.9.1 Dopplereffekt

Vielleicht warst du schon einmal Zuschauer bei einem Motorsport-Rennen (Bild 9.67) oder ein Einsatzfahrzeug mit Folgetonhorn ist schon einmal nahe an dir vorbeigefahren. Dann ist dir sicher aufgefallen, dass die Geräusche von Fahrzeugen anders klingen, je nachdem, ob sie sich nähern oder von dir entfernen (Hörbeispiel Audio abspielen ).

Formel-1 Rennen

Bild 9.67: Formel-1 Rennen

Dieser Effekt heißt Dopplereffekt (engl. Doppler shift) zu Ehren von Christian Doppler, der diesen Effekt Mitte des 19. Jahrhunderts mathematisch beschrieb und auch experimentell überprüfte.

Ganz allgemein kann gilt:

Frequenzen, die von einem Beobachter wahrgenommen werden,

  • erhöhen sich, wenn sich Quelle und Beobachter aufeinander zubewegen und
  • vermindern sich, wenn sich Quelle und Beobachter voneinander entfernen.

9.9.2 Dopplereffekt bei ruhender Schallquelle

Du stehst neben einem Auto und fotografierst es mit deinem Smartphone. Anschließend fährst du mit dem Fahrrad in gleichem Abstand vorbei und fotografierst es noch einmal. Wenn du die beiden Fotos vergleichst, wirst du feststellen, dass das Auto auf beiden Aufnahmen gleich groß ist. Die Länge eines Objekts ist also für alle Beobachter – bewegt oder unbewegt – immer gleich groß.

In Bild 9.68 siehst du die Situation für eine ruhende Schallquelle \(Q\) und einen Beobachter \(B\), der sich der Schallquelle mit der Geschwindigkeit \(v_B\) nähert. Das Foto zeigt die Geschwindigkeiten relativ zum Wellenmedium (Luft). Die Kreise zeigen die Wellenfronten der Schallwelle (Stellen gleichzeitig erzeugter Verdichtung oder Verdünnung).

Ruhende Schallquelle und bewegter Beobachter

Bild 9.68: Ruhende Schallquelle und bewegter Beobachter

Die Schallquelle sendet Schall mit der Frequenz \(f_Q\) aus. Wir suchen die Frequenz \(f_B\) der Schallwellen, die der Beobachter wahrnimmt.

Aus der Sicht der Quelle bewegen sich die Wellenfronten mit der Schallgeschwindigkeit \(c\) in allen Richtungen gleichmäßig aus. Der Beobachter bewegt sich gegen die Wellenfronten. Aus seiner Sicht bewegen sich die Wellenfronten daher mit der Geschwindigkeit \(c+v_B\) auf ihn zu.

Fotografieren „Quelle“ und „Beobachter“ die Schallwelle, sehen beide dieselbe Wellenlänge auf dem Foto (siehe Vorüberlegung)!

\[ \begin{aligned} \lambda_Q = {} & \lambda_B \\ \frac{c}{f_Q} = {} & \frac{c+v_B}{f_B} &&\Bigr\rvert\cdot f_Q\cdot f_B\\ f_B\cdot c = {} & f_Q\cdot (c+v_B) &&\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{c} \\ f_B = {} & f_Q\cdot \frac{c+v_B}{c} \\ \end{aligned} \]

Diese Formel lässt sich mit dem Verhältnis \(v_B/c\) anschreiben:

\[ \begin{aligned} f_B = {} & f_Q\cdot \frac{c+v_B}{c} \\ f_B = {} & f_Q\cdot (\frac{c}{c}+\frac{v_B}{c}) \\ f_B = {} & f_Q\cdot\left(1+\frac{v_B}{c}\right) \\ \end{aligned} \]

Eine Schallquelle ruht im Medium und erzeugt eine Schallwelle mit der Frequenz \(f_Q\). Nähert sich ein Beobachter mit der Geschwindigkeit \(v_B\) der Schallquelle, hört er die Frequenz: \[\begin{equation} f_B = f_Q\cdot\left(1+\frac{v_B}{c}\right) \tag{9.11} \end{equation}\]

Wenn sich der Beobachter von der Schallwelle entfernt, setzt du in der Formel statt \(v_B\) einfach \(-v_B\) ein, um die wahrgenommene Frequenz zu berechnen.

9.9.3 Dopplereffekt bei bewegter Schallquelle

In Bild 9.69 siehst du die Situation für einen ruhenden Beobachter \(B\) und eine bewegte Schallquelle \(Q\), die sich dem Beobachter mit der Geschwindigkeit \(v_Q\) nähert. Das Foto zeigt die Geschwindigkeiten relativ zum Wellenmedium (Luft). Die Kreise zeigen die Wellenfronten der Schallwelle (Stellen gleichzeitig erzeugter Verdichtung oder Verdünnung).

Da sich in diesem Fall die Schallquelle relativ zur Luft bewegt, ist die Situation nicht symmetrisch mit der einer ruhenden Quelle und eines bewegten Beobachters!

Bewegte Schallquelle und ruhender Beobachter

Bild 9.69: Bewegte Schallquelle und ruhender Beobachter

Die Schallquelle sendet Schall mit der Frequenz \(f_Q\) aus. Wir suchen die Frequenz \(f_B\) der Schallwellen, die der Beobachter wahrnimmt.

Aus der Sicht der Quelle, die sich mit den Wellenfronten mitbewegt, breiten sich die Wellenfronten in Richtung Beobachter mit der verminderten Geschwindigkeit \(c-v_Q\) aus. Aus der Sicht des Beobachters bewegen sich die Wellenfronten mit der Geschwindigkeit \(c\) auf ihn zu.

Die Vorüberlegung aus dem letzten Abschnitt gilt auch hier: Fotografieren Quelle und Beobachter die Schallwelle, sehen beide dieselbe Wellenlänge auf dem Foto! Durch Gleichsetzen erhalten wir dieses Mal:

\[ \begin{aligned} \lambda_Q = {} & \lambda_B \\ \frac{c-v_Q}{f_Q} = {} & \frac{c}{f_B} &&\Bigr\rvert\cdot f_Q\cdot f_B\\ f_B\cdot (c-v_Q) = {} & f_Q\cdot c &&\Bigr\rvert\;\cdot\frac{1}{c-v_Q} \\ f_B = {} & f_Q\cdot\frac{c}{c-v_Q} \\ \end{aligned} \]

Diese Formel lässt sich mit dem Verhältnis \(v_Q/c\) anschreiben:

\[ \begin{aligned} f_B = {} & f_Q\cdot\frac{c}{c-v_Q}\cdot 1 \\ f_B = {} & f_Q\cdot\frac{c}{c-v_Q}\cdot\frac{\frac{1}{c}}{\frac{1}{c}} \\ f_B = {} & f_Q\cdot\left(\frac{\frac{c}{c}}{\frac{c}{c}-\frac{v_Q}{c}}\right) \\ f_B = {} & f_Q\cdot\left(\frac{1}{1-\frac{v_Q}{c}}\right) \\ \end{aligned} \]

Eine Schallquelle sendet eine Schallwelle mit der Frequenz \(f_Q\) aus und bewegt sich mit der Geschwindigkeit \(v_Q\) auf einen im Medium ruhenden Beobachter zu. Der Beobachter hört die Frequenz: \[\begin{equation} f_B = f_Q\cdot\left(\frac{1}{1-\frac{v_Q}{c}}\right) \tag{9.12} \end{equation}\]

Wenn sich die Quelle von dem Beobachter entfernt, setzt du in der Formel statt \(v_Q\) einfach \(-v_Q\) ein, um die wahrgenommene Frequenz zu berechnen.

9.9.4 Schneller als der Schall

Je schneller sich eine Schallquelle bewegt, desto geringer wird der Abstand der Wellenfronten in Bewegungsrichtung (Bild 9.70, links). Erreicht die Schallquelle schließlich die Schallgeschwindigkeit, überlagern sich die Wellenfronten und die Wellenlänge geht gegen null. In diesem Bereich, der Schallmauer (engl. sound barrier) genannt wird (Bild 9.70, Mitte), kommt es zu extrem großem Druck. Unter günstigen Bedingungen kommt es nahe der Schallgeschwindigkeit in diesem Bereich erhöhten Luftdrucks zum Kondensieren der Luftfeuchtigkeit, und die Wellenfront wird als Nebel sichtbar (Bild 9.66 am Anfang des Kapitels).

Wellenfronten bei Unter- und Überschallflug

Bild 9.70: Wellenfronten bei Unter- und Überschallflug

Bewegt sich die Schallquelle mit Überschallgeschwindigkeit (engl. supersonic speed), bildet sich hinter ihr eine kegelförmige Wellenfront aus (Bild 9.70, rechts). Sie wird zu Ehren des Physikers Ernst Mach Machscher Kegel (engl. mach cone) genannt.

Ein Machscher Kegel, der einen Beobachter überholt, wird als Knall wahrgenommen (Hörbeispiel Audio abspielen ). Diesen Überschallknall (engl. sonic boom) hörst du auch beim korrekten Schlagen mit einer Peitsche, wenn das Ende der Peitsche die Schallmauer durchbricht (Hörbeispiel Audio abspielen ).

Das Verhältnis \(v/c\) von Geschwindigkeit zur Schallgeschwindigkeit wird Machzahl (engl. Mach number) genannt (Bild 9.71). Ein Flugzeug, das sich mit der Geschwindigkeit Mach 2 bewegt, fliegt mit doppelter Schallgeschwindigkeit. Als Hyperschallgeschwindigkeit (engl. hypersonic speed) werden Geschwindigkeiten ab er fünffachen Schallgeschwindigkeit (Mach 5) bezeichnet.

Wellenfronten und Machscher Kegel

Bild 9.71: Wellenfronten und Machscher Kegel

Eine wichtige Technik, um Dichteschwankungen in Flüssigkeiten und Gasen sichtbar zu machen, ist die Schlierenfotografie (engl. schlieren photography) (Bild 9.72).

Schlierenfotografie bei einem Überschallflug

Bild 9.72: Schlierenfotografie bei einem Überschallflug

Beim Wolkenscheibeneffekt wird der Druckanstieg in der Nähe der Mantelfläche des Marchschen Kegels sogar direkt sichtbar. Steigt der Druck an einer Stelle über die Siedekurve, kondensiert die Feuchtigkeit in der Luft zu Wolken (Bild 9.66).

9.9.5 Anwendungsbeispiel: Dopplereffekt

Ein Beobachter überholt einmal mit \(v_1=1\,000\;\mathrm{km/h}\), ein anderes Mal mit \(v_2=2\,000\;\mathrm{km/h}\) eine ruhende Schallquelle (\(f_Q=440\;\mathrm{Hz}\)). Die Schallgeschwindigkeit \(c\) beträgt \(344\;\mathrm{m/s}\). Berechne die Frequenzen, die ein Beobachter bei (a) der Annäherung an und (b) bei der Entfernung von der Schallquelle hört?

Lösung \(v_1\): Als Erstes rechnen wir die Geschwindigkeit in die Einheit Meter pro Sekunde um.

\[ v_1 = 1\,000\;\mathrm{km/h} = \frac{1\,000}{3{,}6}\;\mathrm{m/s} = 277{,}77\ldots\;\mathrm{m/s} \]

Damit können wir die Geschwindigkeit in die Gleichung für den Dopplereffekt bei bewegter Schallquelle einsetzen.

\[ f_{B,\text{hin}} = f_Q\cdot\left(1+\frac{v_B}{c}\right) = 440\;\mathrm{Hz}\cdot\left(1+\frac{277{,}77\ldots\;\mathrm{m/s}}{344\;\mathrm{m/s}}\right) = 795{,}29\ldots\;\mathrm{Hz} \]

Entfernt sich der Beobachter, setzen wir die Geschwindigkeit mit negativen Vorzeichen ein.

\[ f_{B,\text{weg}} = f_Q\cdot\left(1+\frac{-v_{B}}{c}\right) = 440\;\mathrm{Hz}\cdot\left(1+\frac{-277{,}77\ldots\;\mathrm{m/s}}{344\;\mathrm{m/s}}\right) = 84{,}70\ldots\;\mathrm{Hz} \]

Antwort \(v_1\): Nähert sich ein Beobachter mit einer Geschwindigkeit von \(1\,000\;\mathrm{km/h}\) einer ruhenden Schallquelle mit \(440\;\mathrm{Hz}\) hört er einen Ton mit der Frequenz \(795{,}29\ldots\;\mathrm{Hz}\). Entfernt er sich von ihr, nimmt er einen Ton mit der Frequenz \(84{,}70\ldots\;\mathrm{Hz}\) wahr.

Lösung \(v_2\): Wiederholen wir die Schritte aus der Lösung \(v_1\), erhalten wir für die Frequenzen die Werte:

\[ f_{B,\text{hin}} = 1\,150{,}59\ldots\;\mathrm{Hz} \]

und

\[ f_{B,\text{weg}} = -270{,}59\ldots\;\mathrm{Hz} \]

Was bedeutet eine negative Frequenz? Da Frequenz die Anzahl der Schwingungen pro Sekunde ist, kann es so etwas wie eine negative Frequenz nicht geben. Bedenke, dass die Geschwindigkeit \(v_2\) des Beobachters über der Schallgeschwindigkeit liegt. Die Wellenfronten der Quelle holen ihn also nicht ein. Der negative Wert bei der Frequenz bedeutet, dass der Beobachter in diesem Fall überhaupt keinen Schall wahrnehmen kann.

Antwort Fall 2: Nähert sich ein Beobachter mit einer Geschwindigkeit von \(2\,000\;\mathrm{km/h}\) einer ruhenden Schallquelle mit \(440\;\mathrm{Hz}\) hört er einen Ton mit der Frequenz \(1\,150{,}59\ldots\;\mathrm{Hz}\). Entfernt er sich von ihr, kann der Schall ihn nicht einholen und er hört keinen Ton.

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