2.1 Vorstellung Physik

Sicherlich haben sich die Menschen schon immer mit den Gesetzmäßigkeiten der Natur befasst. Der antike Gelehrte Aristoteles gibt einer seiner Schriften über Naturlehre den Titel ta meta ta physika (τὰ μετὰ τὰ φυσικά, „Die Dinge nach der Physik“). Das heutige Wort „Physik“ leitet sich aus dem griechischen Wort φύσις (Audio abspielen physis) ab, das „Natur“ bedeutet.

Archimedes entdeckt das Hebelgesetz

Bild 2.2: Archimedes entdeckt das Hebelgesetz

Auch wenn der Begriff in der Antike und im Mittelalter schon vorkommt, unterscheidet sich die Physik der Neuzeit (also auch unserer heutigen Zeit) mit ihrer naturwissenschaftlichen Methode wesentlich von der Naturphilosophie früherer Jahrhunderte.

Dieses Kapitel versucht dir einen kompakten Überblick über die Bereiche der Physik zu geben.

2.1.1 Wo begegnet dir Physik im Alltag?

In der Natur beschreibt die Physik zum Beispiel die Entstehung von Regenbögen, Blitzen und Erdbeben, die Flugbahnen von Raumsonden und Elementarteilchen, die Bindung von Atomen und Molekülen, die Geburt und den Tod von Sternen.

Verschiedene Beispiele physikalischer Phänomene

Bild 2.3: Verschiedene Beispiele physikalischer Phänomene

In der Technik liefert die Physik die Grundlagen zur Elektrifizierung, zur Klimaanlage, zur Magnetresonanztomografie, zu integrierten Schaltkreisen, zu Fotovoltaik und zu Kernwaffen, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Die Aussage „in allem steckt Physik“ mag jetzt etwas überheblich klingen. Aber versuche doch einmal irgendein Phänomen aus der Natur oder irgendein Gerät aus deinem Alltag zu finden, bei dem Physik keine Rolle spielt. Und daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Physikerinnen und Physiker sogar auf der Suche nach einer Theory of Everything sind…

2.1.2 Teilgebiete Physik

Nach der Art der physikalischen Phänomene lässt sich die Physik grob in die folgenden Teilgebiete (die sich teilweise überschneiden) unterteilen:

  • Die (klassische) Mechanik (engl. mechanics) ist eine der ältesten Disziplinen der Physik. Sie beschäftigt sich damit, wie sich Körper unter dem Einfluss von Kräften verhalten. Bereits in der Antike haben sich Menschen mit Hebeln und Flaschenzügen beschäftigt, um sich schwere Arbeiten zu erleichtern. Es ist aber auch gleichzeitig das Teilgebiet der Physik, der dich in deinem täglichen Leben am meisten begleitet: Wenn du ein Brot mit dem Messer schneidest, wenn du einen Nagel mit einem Hammer einschlägst, wenn du mit deinem Fahrrad fährst, oder wenn du einen Türgriff drückst. Hinter all diesen Tätigkeiten steckt jede Menge Mechanik.

  • Die Thermodynamik (engl. thermodynamics) beschäftigt sich mit der Veränderung von Systemen unter dem Einfluss von Wärme, Druck, Volumen und Temperatur und wie das mit der ungeordneten Bewegung von Atomen und Molekülen zusammenhängt. Die Thermodynamik bildet die Grundlage für Verbrennungsmotoren, den Kühlschrank und die Klimaanlage. Sie erklärt, warum Wäsche im Wind schneller trocknet und eine ausströmende Soda-Patrone kalt wird.

  • Der Elektromagnetismus (engl. electromagnetism) beschäftigt sich mit den elektrischen und magnetischen Phänomenen, die durch ruhende und bewegte elektrische Ladungen erklärt werden können. Der Elektromagnetismus ist die Grundlage aller elektrischen und elektronischen Geräte und Schaltungen in unserem Alltag: Elektromotor, Kraftwerke, Computer und Mobilfunk. Er erklärt, warum du in einem Auto vor Blitzen geschützt bist, warum einem im Winter eher die Haare zu Berge stehen und warum ein elektrischer Weidezaun für eine Kuh trotz mehrerer tausend Volt nicht tödlich ist.

  • Die Optik (engl. optics) beschäftigt sich mit der Ausbreitung von Licht, der Entstehung optischer Abbildungen und dem Bau von optischen Instrumenten. Sie beschreibt, wie eine Brille beschaffen sein muss, um die Fehlsichtigkeit eines Auges zu korrigieren. Wie die Farberscheinungen beim Regenbogen entstehen, wie das Bild bei einem (Licht-)Mikroskop entsteht und warum damit maximal eine rund 1.500-fache Vergrößerung möglich ist.

  • In der Relativitätstheorie (engl. relativity) geht es darum, wie sich Körper unter extremen Bedingungen (große Geschwindigkeiten, große Massen) verhalten und welchen Einfluss das auf Raum und Zeit hat. Obwohl wir solche extremen Bedingungen im Alltag selten antreffen, haben die Erkenntnisse der Relativitätstheorie erstaunliche Folgen für unser Leben. Sie bilden die Grundlage von Kernenergie und Navigationssatellitensystem.

  • Die Quantenmechanik (engl. quantum mechanics) beschäftigt sich mit dem Verhalten von Materie im Größenbereich der Atome und darunter. Die Quantenmechanik beschäftigt sich mit so kleinen Strukturen, dass du glauben könntest, sie spielt in unserem Alltag kaum eine Rolle. Doch ohne die Gesetze der Quantenmechanik würde es keine Fotovoltaik, keinen Transistor (und damit keinen Computer), keine LEDs, keine Kernspintomografie und keinen CCD (und damit keine Digitalfotografie) geben. Sie erklärt, wie es zu chemischen Bindungen kommt und warum die Sonne scheint.

  • In der Kosmologie (engl. cosmology) geht es um die Entstehung und die Entwicklung des Universums. Sie versucht, die Beobachtungen der Astronomie und Teilchenphysik zusammenzuführen.

2.1.3 Klassische und moderne Physik

Die Physik vor 1900 als klassische Physik (engl. classical physics) bezeichnet. Sie verwendet zur Beschreibung der Phänomene in der Natur anschauliche Modelle, die mit unserer täglichen Erfahrung in Einklang stehen, wie zum Beispiel Teilchen („Bälle“) oder Wellen („Wasserwellen“).

Im Laufe der Geschichte wurden immer wieder Phänomene gefunden, die nicht mit den anschaulichen Modellen der klassischen Physik erklärt werden konnten. Beispiele dafür sind das Doppelspaltexperiment mit Elektronen oder das Michelson-Morley-Experiment.

Zusammenhang von klassischer Physik und den Teilgebieten der modernen Physik

Bild 2.4: Zusammenhang von klassischer Physik und den Teilgebieten der modernen Physik

Diese Experimente haben am Anfang des 20. Jahrhunderts zur Entwicklung der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik geführt. Sie verwenden Modelle, die zwar im Einklang mit den Experimenten stehen, aber mathematisch sehr abstrakt sind. Diese Physik, die sich nicht mehr mit anschaulichen Modellen beschreiben lässt, wird allgemein als moderne Physik (engl. modern physics) bezeichnet.

Die Vorhersagen der modernen Physik sind oft so weit von unserer alltäglichen Erfahrung entfernt, dass selbst einhundert Jahre später einige Menschen sie ablehnen. Sie können nicht glauben, dass sich die Natur so „verrückt“ verhält, wie es die Relativitätstheorie oder Quantenmechanik vorhersagen. Nach der naturwissenschaftlichen Methode gibt es aber nur einen Prüfstein für die Physik: das Experiment. Aber alle Experimente, die bisher durchgeführt wurden, um Relativitätstheorie oder Quantenmechanik zu widerlegen, zeigen, dass sich die Natur tatsächlich so verhält.

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