4.2 Newtonsche Gesetze

Um 1700 hat Isaac Newton (Bild 4.9) in seinem Buch Philosophiae Naturalis Principia Mathematica drei Gesetze der Bewegung veröffentlicht, die auch als Newton Axiome (engl. Newton’s laws of motion) bekannt sind. Diese drei Gesetze bilden das Fundament der klassischen Mechanik.

Porträt von Isaac Newton

Bild 4.9: Porträt von Isaac Newton

Seither ist viel Zeit vergangen und wir haben die Natur noch viel genauer erforscht. Aber obwohl im 20. Jahrhundert die Mechanik durch die Relativitätstheorie erweitert wurde, werden die Gesetze von Isaac Newton für die meisten alltäglichen Probleme, wie zum Beispiel der Rekonstruktion von Verkehrsunfällen oder die Berechnung von Raketenbahnen, nach wie vor verwendet.

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4.2.1 Trägheit

Schon in der Antike haben sich Menschen mit dem Wesen der Bewegung auseinandergesetzt. Durch Beobachten der Natur sind sie schließlich zu der Erkenntnis gekommen, dass jeder Körper von sich aus träge ist und jeder Körper, der in Bewegung bleiben soll, ständig einer Kraft ausgesetzt sein muss. Trägheit bedeutet demnach, stets den Zustand der Ruhe anzustreben. Wenn du an deinen Alltag denkst, werden dir viele Beispiele einfallen:

  • Wirfst du einen Ball, kommt dieser bald zum Stillstand.
  • fährst du Fahrrad und hörst auf zu treten, wird dein Rad immer langsamer, bis es schließlich steht.
  • Gehst du mit konstanter Geschwindigkeit, müssen deine Muskeln ständig Kraft auf den Boden ausüben.

Dir fallen sicher noch weitere Beispiele ein. Trotzdem ist diese Vorstellung von Bewegung falsch und Trägheit (in der Physik) bedeutet etwas anderes!

Die Menschen in der Antike wussten noch nicht, dass jede Bewegung auf der Erde ständig durch mehrere Kräfte zusätzlich beeinflusst wird, wie zum Beispiel der Luftwiderstandskraft oder der Reibungskraft.

4.2.2 Gedankenexperiment zur Trägheit

Galileo Galilei stellte dazu folgendes Gedankenexperiment an (Bild 4.10): Aus Erfahrung wusste er, dass ein Pendelkörper nach dem Loslassen auf der anderen Seite dieselbe Höhe wieder erreicht. Gleiches gilt für eine Kugel, die reibungsfrei eine Mulde hinab rollt (oder gleitet). Ist die rechte Seite weniger stark geneigt, wird der Weg zwar weiter, aber die Endhöhe bleibt immer dieselbe. Führen wir diesen Gedanken weiter, sollte die Kugel im Fall einer waagrechten rechten Seite ewig weiter rollen, da die Endhöhe nie erreicht werden kann. Daraus folgt, dass ein einmal in Bewegung versetzter Körper im Grunde keine weitere Kraft benötigt, um in Bewegung zu bleiben.

Galileis Gedankenexperiment zur Trägheit

Bild 4.10: Galileis Gedankenexperiment zur Trägheit

Aufbauend auf die Veröffentlichungen von Galileo Galilei formulierte Isaac Newton später sein erstes Gesetz.

4.2.3 Trägheitsgesetz (1. Newtonsche Gesetz)

Das Trägheitsgesetz (engl. Newton’s first law) besagt:

Ein Körper, auf den keine Kraft wirkt, ruht oder bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit (gleichförmige Bewegung).

Im Gegensatz zu der Vorstellung der Antike bedeutet Trägheit etwas anderes. Kräftefreie Körper bewegen sich, sofern sie einmal in Bewegung versetzt wurden, geradlinig ewig weiter. Ein anderes Wort für Trägheit (engl. inertia) ist Beharrungsvermögen – ohne Krafteinwirkung ändert sich der Bewegungszustand eines Körpers nicht. Neben Trägheitsgesetz sind auch die Bezeichnungen Trägheitssatz und Beharrungssatz üblich.

Künstlerische Darstellung der Voyager 1 Raumsonde

Bild 4.11: Künstlerische Darstellung der Voyager 1 Raumsonde

Eines der wenigen Beispiele eines (fast) kräftefreien Körpers ist die Raumsonde Voyager 1 (Bild 4.11). Sie wurde 1977 von der NASA gestartet und hat mittlerweile das Sonnensystem verlassen. Sie entfernt sich geradlinig mit einer konstanten Geschwindigkeit von rund \(61.000\;\textrm{km}/\textrm{h}\) von der Sonne und wird sich bis alle Ewigkeit mit dieser Geschwindigkeit weiter durch das All bewegen (außer sie stößt einmal auf ein Hindernis).

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4.2.4 Dynamisches Grundgesetz (2. Newtonsche Gesetz)

In Experimenten zeigt sich, dass zwischen der beschleunigenden Kraft und Masse folgender Zusammenhang besteht:

  • Bei gleichbleibender Masse bewirkt eine zweifache (dreifache, vierfache,…) Kraft eine zweifache (dreifache, vierfache,…) Beschleunigung. Beschleunigung ist also proportional zur Kraft (\(F\propto a\)).

  • Für die gleiche Beschleunigung ist bei einer zweifachen (dreifachen, vierfachen,…) Masse eine zweifache (dreifache, vierfache,…) so große Kraft erforderlich. Masse ist also proportional zur Kraft (\(F\propto m\)).

Kraft wird daher so definiert (Dynamisches Grundgesetz, engl. Newton’s second law):

Die (Netto-)Kraft ist das Produkt aus Masse und Beschleunigungswirkung.

\[\begin{equation} \vec{F} = m\cdot \vec{a} \tag{4.1} \end{equation}\]

Während das Trägheitsgesetz eine Aussage darüber macht, wenn keine Kraft wirkt, sagt uns das dynamische Grundgesetz etwas über die Beschleunigung eines Körpers, wenn eine Kraft auf ihn wirkt.

Hier noch ein paar Bemerkungen dazu:

  • Die Kraft und die daraus resultierende Beschleunigung haben immer dieselbe Richtung.
  • Bei gleicher Kraft ist die Beschleunigung eines Körpers umso kleiner, je größer seine Masse ist.
  • Erfährt ein Körper eine Beschleunigung, muss immer eine Kraft wirken.
  • Greifen mehrere Kräfte an einem Punkt an, ist mit \(\vec{F}\) die Gesamtkraft gemeint.
  • Die Masse \(\textrm{m}\) in der Formel wird auch als träge Masse oder Trägheit bezeichnet.

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4.2.5 Einheit der Kraft

Setzt du die Einheiten in die Definitionsgleichung der Kraft ein, erhältst du die Einheit der Kraft:

\[ [F]=[m]\cdot [a]=\textrm{kg}\cdot\textrm{m}/\textrm{s}^2 \]

Die Einheit der Kraft ist \(1\;\textrm{kg}\cdot\textrm{m}/\textrm{s}^2\) („Kilogramm Meter pro Sekundenquadrat“). Sie wird zu Ehren von Isaac Newton als 1 Newton (\(1\;\textrm{N}\)) bezeichnet. Eine Kraft von \(1\;\textrm{N}\) beschleunigt eine Masse von \(1\;\textrm{kg}\) mit \(1\;\textrm{m}/\textrm{s}^2\).

4.2.6 Beispiele für Kraftwerte

Um dir eine Vorstellung von der Größe der Krafteinheit zu geben, findest du hier einige Werte aus der Praxis.

Kraft in Newton
Gravitationskraft zwischen Proton und Elektron im Wasserstoffatom \(3{,}6\cdot10^{−47}\;\mathrm{N}\)
Elektrische Kraft zwischen Proton und Elektron im Wasserstoffatom \(8{,}2\cdot10^{−8}\;\mathrm{N}\)
Kraft für einen Tastaturanschlag \(0{,}5\;\mathrm{N}\)
Gewichtskraft eines Smartphones \(1\;\mathrm{N}\)
Gewichtskraft einer Masse von \(1\;\mathrm{kg}\) auf der Erde \(10\;\mathrm{N}\)
Durchschnittliche Kraft des menschlichen Bisses \(720\;\mathrm{N}\)
Bisskraft eines erwachsenen Weißen Hais \(18{.}000\;\mathrm{N}=1{,}8\cdot10^4\;\mathrm{N}=18\;\mathrm{kN}\)
Schubkraft der Saturn V Rakete beim Abheben \(3{,}5\cdot10^7\;\mathrm{N}=35\;\mathrm{MN}\)
Gravitationskraft zwischen Erde und Mond \(2\cdot10^{20}\;\mathrm{N}\)

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4.2.7 Wechselwirkungsgesetz (3. Newtonsche Gesetz)

Das Wechselwirkungsgesetz (engl. Newton’s third law) besagt:

Wechselwirken zwei Körper, treten Kräfte immer paarweise auf. Sie liegen auf derselben Wirklinie. Sind gleich groß und entgegengesetzt gerichtet.

\[\begin{equation} \vec{F}_1 = -\vec{F}_2 \tag{4.2} \end{equation}\]

Vorsicht: Verwechsle das Wechselwirkungsgesetz nicht mit dem Kräftegleichgewicht: Während beim Wechselwirkungsgesetz die Kräfte \(\vec{F}_1\) und \(\vec{F}_2\) bei zwei Körpern auftreten, wirken beim Kräftegleichgewicht zwei Kräfte auf denselben Körper und haben den gleichen Angriffspunkt!

Unterschiedliche Wirkung durch unterschiedliche Masse

Bild 4.12: Unterschiedliche Wirkung durch unterschiedliche Masse

Obwohl die Kraftbeträge beim Wechselwirkungsgesetz immer gleich groß sind, können die Wirkungen auf beide Körper sehr unterschiedlich ausfallen. In Bild 4.12 siehst du das Wechselwirkungsgesetz für zwei Körper unterschiedlicher Masse. Weil bei einer Kraftübertragung immer zwei Körper beteiligt sind, werden die beiden Begriffe Kraft und Wechselwirkung in der Physik synonym verwendet.

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4.2.8 Aktion und Reaktion

Das 3. Newtonsche Gesetz wird manchmal auch mit „Aktion und Reaktion“ beschrieben: Eine Kraft (Aktion) ruft eine gleich große Gegenkraft (Reaktion) hervor. Mit dieser Beschreibung wird die Anschauung nahegelegt, dass einer der wechselwirkenden Partner der Aktive und der andere der Passive sei. Tatsächlich ist die Situation für beide wechselwirkenden Partner in der Physik immer symmetrisch. Bei einer physikalischen Wechselwirkung gibt es keinen aktiven und keinen passiven Partner!