3.1 Bewegungen aufzeichnen

Ende des 19. Jahrhunderts wettete Leland Stanford (der spätere Gründer der Stanford Universität) mit seinen Kollegen, ob es einen Zeitpunkt gibt, zu dem alle vier Beine eines galoppierenden Pferdes den Boden nicht berühren. Die Bewegung ist für eine direkte Beobachtung zu schnell. Erst die Serienbildaufnahme von Eadweard Muybridge konnte die Wette entscheiden.

Bewegungsstudie eines galoppierenden Pferdes (1878)

Bild 3.2: Bewegungsstudie eines galoppierenden Pferdes (1878)

Bewegungen in der Natur sind oft sehr kompliziert. Um sie zu erforschen, müssen wir sie so exakt wie möglich festhalten. Darum geht es in diesem Kapitel.

3.1.1 Bewegung von Punkten

Die Kinematik untersucht die Bewegung von Punkten. In Bild 3.3 siehst du Bewegungen von Körpern, bei denen alle Punkte des Körpers auf gleichartigen Bahnen verlaufen. In diesen Spezialfällen benötigen wir sogar nur die Bewegung eines einzigen Objektpunktes zu untersuchen und erfassen damit sogar die Bewegung des ganzen Körpers.

Spuren unterschiedlicher Punkte eines Objekts

Bild 3.3: Spuren unterschiedlicher Punkte eines Objekts

Mathematisch entsprechen diese Bewegungen einer oder mehrere hintereinander ausgeführter Parallelverschiebungen (oder Translationen, engl. translation).

3.1.2 Ort

So wie in der Geometrie wird auch in der Physik der Ort (engl. position) eines Punktes durch seine Koordinaten oder seinen Ortsvektor angegeben.

Beispiele für die Beschreibung des Ortes in einem zwei-dimensionalen Koordinatensystem

Bild 3.4: Beispiele für die Beschreibung des Ortes in einem zwei-dimensionalen Koordinatensystem

Im Bild 3.4 siehst du zwei Beispiele für Ortsangaben in einer Ebene (2-dimensional): Ort \(P\) und Ort \(Q\) mit den Ortsvektoren \(\vec{s}_P\) und \(\vec{s}_Q\). Um einen Ort im Raum (3-dimensional) anzugeben, benötigst du entsprechend drei Koordinaten.

Beispiele für die Beschreibung des Ortes in einem ein-dimensionalen Koordinatensystem

Bild 3.5: Beispiele für die Beschreibung des Ortes in einem ein-dimensionalen Koordinatensystem

Im Bild 3.5 siehst du zwei Beispiele für Ortsangaben (Ort A und Ort B) in einem eindimensionalen Koordinatensystem. Im eindimensionalen Fall wird meistens auf die Vektorschreibweise verzichtet und der Ort mithilfe von Zahlen mit Vorzeichen angegeben.

Die Angabe ist nur dann vollständig, wenn auch ein Längenmaß angegeben ist. Die SI-Einheit für Länge ist das Meter. Ist keine Längeneinheit angegeben, ist die Einheit Meter zu nehmen.

3.1.3 Bezugssystem

In der Physik ist es in den meisten Fällen nicht ausreichend, nur die Positionen eines Körpers zu kennen. Fast immer benötigen wir die Information, zu welchem Zeitpunkt sich ein Körper an welcher Position befunden hat. Ein solches Koordinatensystem mit einer Uhr wird in der Physik als Bezugssystem (engl. frame of reference) bezeichnet.

Koordinatensystem mit Uhr

Bild 3.6: Koordinatensystem mit Uhr

In Bild 3.6 siehst du ein Bezugssystem angedeutet. Jeder Punkt besitzt Koordinaten innerhalb des Koordinatensystems und einen eindeutigen Zeitstempel.

In den Kapiteln relative Geschwindigkeit und Scheinkräfte erfährst du mehr über Bezugssystems und deren Bedeutung für eine Messung.

3.1.4 Film

Möchtest du Bewegungen erfassen, um sie später auszuwerten, kannst du die Bewegung eines Körpers zum Beispiel mit der Kamera deines Smartphones filmen.

Tropfender Wasserhahn in Zeitlupe

Bild 3.7: Tropfender Wasserhahn in Zeitlupe

Um sehr schnelle Bewegungen (zum Beispiel die Ausbreitung eines Blitzes oder einen fallenden Wassertropfen (Bild 3.7)) zu erfassen, gibt es Hochgeschwindigkeitskameras, wie sie für Zeitlupenaufnahmen (engl. slow motion) verwendet werden. So kannst du eindeutig erkennen, dass ein fallender Wassertropfen keine Tropfenform, sondern Kugelgestalt hat.

Umgekehrt benötigst du für sehr langsame Bewegungen (zum Beispiel die scheinbare Drehung des Sternenhimmels) eine Zeitrafferaufnahme (engl. time-lapse).

Links:

3.1.5 Fotografie

Eine andere Möglichkeit, Bewegungen zu erfassen, besteht darin, in einem verdunkelten Raum ein bewegtes Objekt mit einer Stroboskop-Lampe (Blitzgerät, das Lichtblitze in sehr regelmäßigen zeitlichen Abständen aussendet) zu beleuchten und eine Aufnahme mit Langzeitbelichtung von der Bewegung zu machen. Auf diese Weise ist das Bild 3.8 entstanden.

Stroboskopaufnahme eines springenden Basketballs

Bild 3.8: Stroboskopaufnahme eines springenden Basketballs

Du kannst aber auch die Bilder einer Serienbildaufnahme oder die Einzelbilder eines Films verwenden und sie mit einem Bildbearbeitungsprogramm (wie zum Beispiel GIMP) übereinander legen und um eine Stroboskopaufnahme nachzubauen.

Links:

3.1.6 Tipps zur Auswertung von Aufnahmen

Für jede Auswertung ist es wichtig, dass der zeitliche Abstand der Bilder bei einem Film bzw. die Stroboskop-Frequenz bei einem Foto bekannt ist. Am einfachsten filmst du eine Bewegung mit deinem Smartphone. Jeder Film hat eine gleichbleibende Bildrate. Nimmt deine Kamera zum Beispiel mit 50 Bildern pro Sekunde auf, so ist der zeitliche Abstand aufeinander folgender Bilder jeweils \(t=1/50\;\mathrm{s}=0{,}02\;\mathrm{s}\). Die Bildrate findest du meistens bei den Eigenschaften der Film-Datei oder im Handbuch deiner Kamera. Suche nach Begriffen wie „Bildwiederholungsrate“, „Einzelbildrate“ oder „Einzelbilder pro Sekunde“.

Smartpone auf einem Stativ

Bild 3.9: Smartpone auf einem Stativ

Um auch den Ort eines Punktes in allen Bewegungsphasen richtig messen zu können, benötigst du zunächst auf allen Bildern einen ruhenden Bezugspunkt. Das kann zum Beispiel ein ruhender Gegenstand in jedem Bild sein. Fotografierst du mit einem Stativ (Bild 3.9), kannst du auch einfach die linke untere Ecke der Bilder nehmen.

Damit du auch die Abstände in den Fotos richtig bestimmen kannst, benötigst du auf allen Einzelbildern ein abgebildetes Lineal oder ein Objekt bekannter Größe.

Links:

  • Tracker, ein Programm zur Analyse von Bewegungen.