14.5 Temperaturstrahlung
Hast du schon einmal eine so schwarze Oberfläche wie in Bild 14.34 gesehen?
Heute können wir Beschichtungen herstellen, die mehr als \(99{,}9\,\%\) des einfallenden Lichts absorbieren. Dadurch entsteht diese tiefschwarze Farbe.
In diesem Kapitel geht es um schwarze Körper und ihre Strahlung. Die Erklärung der Schwarzkörperstrahlung durch Max Planck hat später sogar zur Entwicklung der Quantenmechanik geführt.
14.5.1 Schwarzer Körper
Als schwarzer Körper (engl. black body) wird in der Physik ein idealisierter Körper bezeichnet, der kein einfallendes Licht reflektiert und damit vollkommen schwarz erscheint.
Einen hundertprozentigen schwarzen Körper gibt es nicht, aber mit einem Trick wird das Ideal fast erreicht. Dafür verwendest du einen schwarz ausgekleideten Hohlraum mit einem Loch. Fällt Licht durch die Öffnung, wird es durch wiederholte diffuse Reflexionen geschwächt, sodass es durch das Loch nicht wieder austritt (Bild 14.35).
Die Strahlung, die aus dem schwarzen Loch tritt, kann also nur vom Körper selbst kommen und enthält keinen reflektierten Anteil mehr. Aus diesem Grund wird die Schwarzkörperstrahlung auch als Hohlraumstrahlung bezeichnet.
Den perfektesten schwarzen Körper, den wir kennen, ist übrigens die Sonne. Alle Strahlung kommt von der Sonne selbst.
14.5.2 Schwarzkörperstrahlung
Durch die Messung der austretenden Strahlung eines schwarzen Körpers – der sogenannten Schwarzkörperstrahlung (engl. black body raditation) – bei unterschiedlichen Temperaturen ergeben sich die Kurven im Diagramm 14.36.
Für jede Temperatur zeigt die Kurve waagrecht die enthaltenen Wellenlängen und senkrecht die Intensität der jeweiligen Wellenlänge.
Das Erstaunliche: Das Diagramm ist für alle Stoffe gleich! Während die Längsausdehnung, Siede- und Schmelzpunkt bei jedem Stoff unterschiedlich ist, strahlen alle Stoffe bei der gleichen Temperatur mit gleicher Intensität und derselben spektralen Verteilung.
Links:
- Applet: Schwarzkörperstrahlung
14.5.3 Wiensches Verschiebungsgesetz
Aus dem Diagramm 14.36 kannst du folgende Eigenschaft der Schwarzkörperstrahlung ablesen: Je größer die Temperatur, desto mehr verschiebt sich das Maximum der Kurve nach links hin zu kürzeren Wellenlängen. Die strichlierte Kurve verbindet alle Kurvenmaxima. Sie wird (nach dem Physiker Wilhelm Wien) Wiensches Verschiebungsgesetz (engl. Wien’s displacement law) genannt. Es lautet:
\[\begin{equation} \lambda_\mathrm{max} = {\frac{2\,897{,}8\,\mathrm{\mu m\ K}}{T}} \tag{14.10} \end{equation}\] |
In der Formel steht \(\lambda_\mathrm{max}\) für die maximal abgestrahlte Wellenlänge und \(T\) für die absolute Temperatur des Körpers.
Bei einigen tausend Grad wird immer mehr Licht in dem für uns Menschen sichtbaren Bereich abgestrahlt (im Diagramm 14.36 durch das Farbspektrum gekennzeichnet). Alle Stoffe fangen an zu „glühen“ (Bild 14.37).
14.5.4 Stefan-Boltzmann-Gesetz
Aus dem Diagramm 14.36 kannst du auch noch eine weitere Eigenschaft der Schwarzkörperstrahlung ablesen: Je größer die Temperatur, desto größer die gesamt abgestrahlte Leistung. Das erkennst du an der Fläche unter der jeweiligen Temperatur-Kurve. Sinkt die Temperatur, wird die Kurve immer flacher, aber nie null. Selbst ein Eiswürfel strahlt noch Wärme im Infrarotbereich ab!
Die Gesamtstrahlungsleistung eines schwarzen Strahlers mit der Oberfläche \(A\) wird durch das (nach den Physikern Josef Stefan und Ludwig Boltzmann benannte) Stefan-Boltzmann-Gesetz (engl. Stefan–Boltzmann law) beschrieben:
\[\begin{equation} P = \sigma \cdot A\cdot T^4 \tag{14.11} \end{equation}\] |
In dieser Formel bedeuten:
- \(P\), die Gesamtstrahlungsleistung (in \(\mathrm{W}\))
- \(A\), die Oberfläche des Körpers (in \(\mathrm{m}^2\))
- \(T\), die Temperatur des Körpers (in \(\mathrm{K}\))
- \(\sigma\), die Stefan-Boltzmann-Konstante (\(5{,}67\cdot 10^{-8}\;\mathrm{W}\mathrm{m}^{-2}\mathrm{K}^{-4}\))
Einige Pyrometer messen die Gesamtstrahlungsleistung eines Körpers pro Flächeneinheit und ermitteln daraus die Oberflächentemperatur.
14.5.5 Farbtemperatur
Auf den Verpackungen von Leuchtmittel findest du oft Bezeichnungen wie „Warmweiß“ oder „Kaltweiß“ und daneben befindet sich ein Temperaturwert in Kelvin (Bild 14.38).
Das ausgesendete Spektrum des Leuchtmittels entspricht dem Farbeindruck der ausgesendeten Strahlung eines schwarzen Körpers bei der angegebenen Temperatur. In Bild 14.39 ist diese Farbtemperatur (engl. color temperature) für die Temperaturen von \(800\;\mathrm{K}-12{.}200\;\mathrm{K}\) dargestellt.
Wieso gibt es unterschiedlich weiße Leuchtmittel? Tageslichtweiß (auch Kaltweiß; über \(5300\;\mathrm{K}\)) entspricht der Strahlung der Sonne bei einem wolkenlosen Tag zu Mittag. In diesem Licht werden alle farbigen Flächen möglichst unverfälscht wiedergegeben. Dieses Licht findest du in Büros und Arbeitszimmern. Der hohe Blauanteil dieses Lichts hält uns auch wach. Sinkt die Sonne am Horizont, nimmt der Blauanteil ab und wir werden müde. Das Licht bereitet uns für den Schlaf in der Nacht vor. Am Abend solltest du daher warmweißem Licht (unter \(3300\;\mathrm{K}\)) ausgesetzt sein, um den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus zu unterstützen.
Viele Smartphones und Computern haben eine Nacht-Funktion. Dabei wird der Blauanteil des Displays (und manchmal auch die Bildschirmhelligkeit) automatisch der Tageszeit angepasst.
Da alle Sterne schwarze Strahler sind, kannst du aus der Farbe des Sterns und dem Diagramm 14.39 auf die Oberflächentemperatur schließen. Die Farbe unserer Sonne verrät uns, dass ihre Oberflächentemperatur rund \(6000\;\mathrm{K}\) beträgt.
14.5.6 Anwendungsbeispiel: Wiensches Verschiebungsgesetz
Berechne die maximal abgestrahlte Wellenlänge bei Zimmertemperatur (\(T=21\;^\circ\mathrm{C}\)).
Das Wiensche Verschiebungsgesetz liefert die maximal abgestrahlte Wellenlänge bei gegebener Temperatur in Kelvin. Daher müssen wir zuerst die Temperatur in Kelvin umrechnen.
\[ T=21\;^\circ\mathrm{C}=294{,}15\;\mathrm{K} \]
Einsetzen in das Wiensche Verschiebungsgesetz liefert den Wert:
\[ \lambda_\mathrm{max} = {\frac{2\,897{,}8\,\mathrm{\mu m\ K}}{294{,}15\;\mathrm{K}}} = 9{,}85\ldots\,\mathrm{\mu m} \]
Das Maximum der Schwarzkörperstrahlung bei Zimmertemperatur liegt bei \(9{,}85\ldots\,\mathrm{\mu m}\). Diese Wellenlänge liegt im Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums (von \(1\;\mathrm{mm}\) bis \(780\;\mathrm{nm}\)).
14.5.7 Anwendungsbeispiel: Solarkonstante
Die Sonne leuchtet mit einer Farbtemperatur von etwa \(5800\;\text{K}\). Berechne die pro Quadratmeter auf die Erde eingestrahlte Strahlungsleistung. Im Anhang findest du alle zur Berechnung notwendigen astronomischen Größen.
Da die Sonne annähernd ein schwarzer Strahler ist, können wir das Stefan-Boltzmann-Gesetz verwenden, um die Gesamtstrahlungsleistung der Sonne zu berechnen. Die Form der Sonne können wir als Kugel annehmen. Damit ist die strahlende Fläche eine Kugeloberfläche (\(A=4\pi\cdot r^2\)) mit dem Radius der Sonne (\(r=6{,}96\cdot 10^{8}\;\mathrm{m}\)). Durch Einsetzen der Werte erhalten wir mit der Stefan-Boltzmann-Konstante \(\sigma = 5{,}67\cdot 10^{-8}\;\mathrm{W}\mathrm{m}^{-2}\mathrm{K}^{-4}\):
\[ \begin{aligned} P = {} & \sigma \cdot A\cdot T^4 \\ = {} & \sigma \cdot 4\pi\cdot r^2 \cdot T^4 \\ = {} & 5{,}67\cdot 10^{-8} \cdot 4\pi\cdot (6{,}96\cdot 10^{8})^2 \cdot (5\,800)^4 \\ = {} & 3{,}90\ldots\cdot 10^{26}\;\mathrm{W} \\ \end{aligned} \]
Je weiter wir uns von der Sonne entfernen, desto mehr verteilt sich diese Strahlung auf eine größere Kugeloberfläche. Im Abstand von einer Astronomischen Einheit (mittleren Abstandes Erde-Sonne) oder \(d=1{,}5\cdot 10^{11}\;\mathrm{m}\) beträgt die Fläche dieser Kugelschale bereits:
\[ \begin{aligned} O = {} & 4\pi\cdot d^2 \\ = {} & 4\pi\cdot (1{,}5\cdot 10^{11})^2 \\ = {} & 2{,}82\ldots\cdot 10^{23}\;\mathrm{m^2} \\ \end{aligned} \]
Dividieren wir die Gesamtleistung durch diese Oberfläche, erhalten wir die Leistung pro Quadratmeter in der Entfernung der Erde. Sie beträgt:
\[ \begin{aligned} E_{0} = {} & \frac{P}{O} \\ = {} & \frac{3{,}90\ldots\cdot 10^{26}}{2{,}82\ldots\cdot 10^{23}} \\ = {} & 1\,381{,}43\ldots\;\frac{\mathrm{W}}{\mathrm{m^2}} \\ \end{aligned} \]
Die Solarkonstante \(E_0\) (engl. solar constant) gibt die durchschnittliche Strahlungsintensität der Sonne bei dem mittleren Abstand Erde-Sonne an. Ihr offizieller Wert beträgt \(E_{0}=1361\,\mathrm{W/m^2}\). Trotz des Namens handelt es sich streng genommen um keine konstante Größe, da sich das Strahlungsverhalten der Sonne im Laufe ihrer natürlichen Sternentwicklung innerhalb von Millionen von Jahren ändern wird. Der Einfluss der rund elfjährigen Sonnenfleckenzyklen auf die Strahlungsleistung ist mit weniger als \(0{,}1\,\%\) relativ gering.
Ihr Wert gilt im Weltall und ist zum Beispiel für die Dimensionierung von Sonnensegeln für Satelliten interessant. Die Strahlungsintensität auf der Erdoberfläche ist geringer. Zum einen wird ein Teil des elektromagnetischen Spektrums von der Atmosphäre absorbiert (Strahlungsfenster). Zum anderen hängt sie vom Wetter und dem Einfallswinkel der Sonnenstrahlen (Tageszeit) ab. Zu Mittag (Sonnenhöchststand) beträgt sie in Mitteleuropa in etwa \(1000\,\mathrm{W/m^2}\) (im Sommer und bei klarem Himmel) bis \(150\,\mathrm{W/m^2}\) (Winter und starke Bewölkung).
Der mittlere Abstand der Erde zur Sonne wird als astronomische Einheit (\(1\;\mathrm{AE}\), engl. astronomical unit) bezeichnet und ist auf den Wert \(1{,}5\cdot 10^{11}\;\mathrm{m}\) festgelegt. Diese Einheit ist praktisch für die Angabe von Entfernungen innerhalb des Sonnensystems. Zum Beispiel beträgt der Bahnradius des Jupiters rund \(5{,}2\;\mathrm{AE}\). Damit ist der Jupiter etwa \(5{,}2\)-Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde.