13.20 Anwendung elektromagnetischer Strahlung

Bei dem Wort „Strahlung“ denken die meisten Menschen automatisch an etwas Gefährliches. Aber Strahlung ist allgegenwärtig und ohne Strahlung gäbe es kein Leben. In Bild 13.234 siehst du einige wenige Anwendungen von elektromagnetischer Strahlung im Alltag.

Einige Anwendungen von elektromagnetischer Strahlung

Bild 13.234: Einige Anwendungen von elektromagnetischer Strahlung

In diesem Kapitel lernst du die unterschiedlichen Bereiche elektromagnetischer Strahlung näher kennen, über ihre unterschiedlichen Anwendungen und erfährst, warum ionisierende Strahlung für dich gefährlich ist.

13.20.1 Elektromagnetisches Spektrum

Der gesamte Frequenzbereich elektromagnetischer Strahlung wird als elektromagnetische Spektrum (engl. electromagnetic spectrum) bezeichnet (Bild 13.235).

Das elektromagnetische Spektrum

Bild 13.235: Das elektromagnetische Spektrum

Mit steigender Frequenz ändert sich die Wechselwirkung mit Materie. Daraus ergeben sich unterschiedliche Anwendungsgebiete. Das elektromagnetische Spektrum wird daher grob in Bereiche eingeteilt. Diese lauten (in der Reihenfolge abnehmender Wellenlänge und zunehmender Frequenz und Energie):

Bereich Wellenlänge-Bereich Quelle
Radiowellen mehr als \(1\;\mathrm{m}\) Schwingkreis
Mikrowellen \(1\;\mathrm{mm} – 1\;\mathrm{m}\) Schwingkreis, Magnetron
Infrarot-Strahlung \(1\;\mathrm{\mu m} – 1\;\mathrm{mm}\) Atomhülle
sichtbares Licht \(400 – 700\;\mathrm{nm}\) Atomhülle
Ultraviolett-Strahlung \(20 – 400\;\mathrm{nm}\) Atomhülle
Röntgenstrahlung \(0{,}01 – 20\;\mathrm{nm}\) Röntgenröhre
Gammastrahlung weniger als \(0{,}01\;\mathrm{nm}\) Atomkern

Die unveränderliche Größe einer Welle ist eigentlich die Frequenz, die Wellenlänge ist abhängig vom Medium, in dem sich die Welle ausbreitet. Beschränken wir und auf den leeren Raum (Vakuum) und damit annähernd auf Luft, ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit die Vakuumlichtgeschwindigkeit. Über die Grundgleichung der Wellenlehre \(c=\lambda\cdot f\) kann dann jede Strahlung auch durch ihre Wellenlänge eindeutig angegeben werden. Im Amateurfunk (CB-Funk) wird zum Beispiel vom „11-Meter-Band“ gesprochen. Damit gemeint sind die Frequenzen im Bereich von

\[ f = \frac{c}{\lambda} = \frac{300{.}000{.}000}{11} \approx 27\;\mathrm{MHz}. \]

13.20.2 Wirkung von Strahlung

Elektromagnetische Wellen regen geladene Teilchen zu Schwingungen an. Da alle Materie aus Elektronen und Protonen besteht, wirkt elektromagnetische Strahlung bei jeder Frequenz auf Materie und erhöht ihre innere Energie und führt unter anderem zu einer Temperaturerhöhung.

Die Energie, die eine elektromagnetische Welle transportiert, ist direkt proportional zu ihrer Frequenz – je größer die Frequenz, desto größer die Energie. Bei hochfrequenter Strahlung (ab etwa \(10^{16}\;\mathrm{Hz}\), Ultraviolett-Strahlung und darüber) ist die Energie so groß, dass Elektronen aus Atomhüllen entfernt (Atome ionisiert werden) und chemische Bindungen aufgebrochen werden. Diese ionisierende Strahlung (engl. ionizing radiation) ist für lebendes Gewebe besonders gefährlich, weil sie die Chemie in den Zellen stört und damit ihre Funktion beeinträchtigt. Werden Molekülteile in der DNA verändert (Bild 13.236), kann es passieren, dass Fehlinformationen bei der Reproduktion von Zellen weitergegeben werden, die dann zu strahlenbedingten Erkrankungen (wie Krebs) führen können.

DNA-Schaden durch UV-Strahlung

Bild 13.236: DNA-Schaden durch UV-Strahlung

Ein Sonnenbrand, der durch den Ultraviolett-Anteil im Sonnenlicht verursacht wird, ist weitaus schlimmer als eine Verbrennung am Herd, da neben dem Erwärmungseffekt auch eine nicht sichtbare Veränderung in den Zellen darunterliegenden Gewebes stattfindet, die langfristig zu Hautkrebs führen kann. Nicht-ionisierende Strahlung (sichtbares Licht und darunter) ist für unseren Körper ungefährlich, solange die absorbierte Strahlung keine zu hohe Erwärmung verursacht.

Prinzipiell hängt die Wirkung sowohl von der Stärke (Intensität, zweite Potenz der Amplitude) der Strahlung als auch von ihrer Frequenz ab. Du könntest daher vermuten, dass die Wirkung einer großen Intensität mit Wellen kleiner Frequenz dieselbe Wirkung hervorruft wie eine kleine Intensität mit Wellen großer Frequenz, solange beide nur dieselbe Energie ergeben. Dass dem nicht so ist und warum die Frequenz der elektromagnetischen Strahlung einen so großen Unterschied macht, erfährst du im Abschnitt über den Photoelektrischen Effekt.

13.20.3 Strahlenfenster der Atmosphäre

In Bild 13.237 siehst du, dass die meisten elektromagnetischen Wellen aus dem Weltall (kosmische Strahlung) von Teilen unserer Erdatmosphäre absorbiert werden.

Absorbtion elektromagnetischer Strahlung durch die Erdatmosphäre

Bild 13.237: Absorbtion elektromagnetischer Strahlung durch die Erdatmosphäre

Nur Strahlung im Bereich der Radiowellen (Radio-„Fenster“) und im sichtbaren Bereich (optisches „Fenster“) gelangt bis zur Erdoberfläche. Vor allem die für uns gefährliche ionisierende Strahlung im UV-, Röntgen- und Gamma-Bereich wird fast vollständig durch unsere Atmosphäre blockiert. Allerdings nimmt die Schutzfunktion der Atmosphäre ab, je höher wir uns befinden.

Außerhalb der Atmosphäre lenkt die Magnetosphäre noch einen Teil der ionisierenden Strahlung ab, trotzdem ist die Strahlenbelastung für die Besatzung der internationalen Raumstation rund fünfmal höher als für Passagiere im Luftverkehr. Außerhalb der Magnetosphäre sind wir der kosmischen Strahlung vollständig ausgesetzt!

Radiowellen mit großen Wellenlängen (Bereich des Langwellenrundfunks) werden auf der Nachtseite der Erde an der Ionosphäre reflektiert. Dadurch lassen sich manchmal auch sehr weit entfernte Radio-Sender empfangen.

Der Krebsnebel in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen

Bild 13.238: Der Krebsnebel in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen

Durch die Absorption der meisten Welllängen durch die Atmosphäre ist Astronomie auf der Erde nur durch optische Teleskope und Radioteleskope möglich. Für die Untersuchung aller anderen Wellenlängen benötigen wir Teleskope außerhalb der Erdatmosphäre, wie das James-Webb-Weltraumteleskop.

13.20.4 Radiowellen

Alle elektromagnetischen Wellen, mit Frequenzen unter \(1\;\mathrm{GHz}\) (Wellenlängen länger als \(1\;\mathrm{m}\)), werden zu den Radiowellen (engl. radio waves) gezählt. Dieser Wellenlängenbereich wird seit Anfang des 20. Jahrhunderts für Hörfunk (Rundfunk) genutzt.

Abk. Name Frequenzbereich Wellenlängenbereich Modulationsart
LW Langwellenrundfunk 148,5 kHz - 283,5 kHz 2.000 – 1.000 m AM
MW Mittelwellenrundfunk 526,5 - 1606,5 kHz 600–150 m AM
KW Kurzwellenrundfunk 3 - 26 MHz 120–10 m AM
UKW Ultrakurzwelle 30 - 300 MHz ca. 2 - 3 m FM

Dabei steht AM steht für Amplitudenmodulation und FM für Frequenzmodulation. Im deutschsprachigen Raum werden keine Hörfunkprogramme mehr im Langwellenbereich ausgestrahlt, wegen der großen Reichweite wird es aber für das Zeitsignal für funkgesteuerte Uhren verwendet. Im Gegensatz zu Lang-, Mittel- und Kurzwellenrundfunk werden UKW Radiowellen, nicht an der Ionosphäre reflektiert, sodass ihre Reichweite deutlich geringer ist.

Seit Mitte der 1980er-Jahre wird im deutschsprachigen Raum – parallel zum bestehenden analogen Rundfunk – Radioprogramme auch digital übertragen. Es ist geplant, in Zukunft den analogen Rundfunk komplett durch digitales Radio zu ersetzen.

Antennen eines Radioteleskops

Bild 13.239: Antennen eines Radioteleskops

Da die Atmosphäre für Strahlung im Radiowellenbereich durchlässig ist, können Wellen aus dem All in diesem Wellenlängenbereich auf der Erde durch Radioteleskope empfangen und ausgewertet werden. Die zwölf 15-Meter Antennen des Radioteleskops in Bild 13.239 arbeiten zusammen wie ein einziges riesiges Teleskop.

13.20.5 Mikrowellen

Mikrowellen (engl. microwave; Frequenzbereich: \(1\;\mathrm{GHz}\) bis \(300\;\mathrm{GHz}\); Wellenlängenbereich: \(1\;\mathrm{m}\) bis \(30\;\mathrm{cm}\)) finden hauptsächlich Anwendung in Radartechnik und in der Telekommunikation (Mobilfunk, Bluetooth, WLAN, Amateurfunk). Auch Satellitenfunk (Satellitennavigationssysteme, Satellitenrundfunk) findet im Mikrowellenbereich statt (\(1\;\mathrm{GHz}\) bis \(40\;\mathrm{GHz}\)).

Eine ganz spezielle Anwendung ist der Mikrowellenherd. Prinzipiell führt jede Art von elektromagnetischen Wellen zu einer Erwärmung. Eher durch Zufall ist entdeckt worden, dass elektromagnetische Wellen mit einer Wellenlänge von rund \(12\;\mathrm{cm}\) von Wassermolekülen besonders gut absorbiert werden. Nachdem nahezu alle Lebensmittel Wasser enthalten, eignet sich diese Strahlung optimal zur Erwärmung von Nahrung.

Magnetron eines Mikrowellenherdes

Bild 13.240: Magnetron eines Mikrowellenherdes

Das Herzstück jedes Mikrowellenherdes ist das Magnetron (Bild 13.240). In der Mitte des Magnetrons befindet sich ein Heizdraht (Glühkathode). Durch thermische Wirkung werden Elektronen aus dem Kathodenmaterial ausgelöst. Die freien Elektronen werden radial nach außen zur Anode hin beschleunigt und durch ein Magnetfeld auf eine spiralförmige Bahn gezwungen (Lorentzkraft). Die Anode ist ein geschlossener mehrpoliger elektromagnetischer Schwingkreis und wirkt für die Elektronen wie ein Hohlraumresonator. Durch Resonanz werden die Elektronen zu Schwingungen angeregt, die dann elektromagnetische Wellen im Zentimeterbereich abstrahlen.

Diese elektromagnetischen Wellen bilden im Garraum stehende Wellen zwischen den Wänden der Mikrowelle. Damit nicht immer dieselbe Stelle des Garguts an einem Knotenpunkt liegt, und es zu einer möglichst gleichmäßigen Erwärmung der Speisen kommt, befindet sich in vielen Mikrowellen ein Wellenrührer oder ein Drehteller. Das Sichtfenster eines Mikrowellenherdes besitzt ein deutlich sichtbares Metallgitter. Der gesamte Mikrowellenherd entspricht einem Faradayschen Käfig und verhindert weitgehend ein Austreten der Strahlung.

13.20.6 Infrarot-Strahlung

Bei dem Versuch, die Temperatur der verschiedenen Farben des Sonnenlichtes zu messen (Bild 13.241), entdeckte Friedrich Wilhelm Herschel um 1800 die Infrarotstrahlung, (engl. infrared light), die sich dem roten Bereich des sichtbaren Lichts anschließt (lat. infra bedeutet „unterhalb“). Ihr Frequenzbereich erstreckt sich von \(300\;\mathrm{GHz}\) bis \(400\;\mathrm{THz}\) (Wellenlängenbereich: \(30\;\mathrm{cm}\) bis \(780\;\mathrm{nm}\)). Diese für unser Auge unsichtbare Strahlung wird von den Thermorezeptoren der Haut als „Wärme“ wahrgenommen. Daher wird dieser Wellenlängenbereich auch als „Wärmestrahlung“ bezeichnet.

Temperaturanstieg im unsichtbaren Infrarot-Bereich eines optischen Prismas

Bild 13.241: Temperaturanstieg im unsichtbaren Infrarot-Bereich eines optischen Prismas

Infrarot findet Anwendung in:

Interessanterweise können einige Smartphone-Kameras Infrarot-Strahlung wahrnehmen und in sichtbares Licht umwandeln (Bild 13.242).

Unsichtbare Lichtsignale einer Infrarot Fernbedienung werden durch eine Smartphone-Kamera sichtbar.

Bild 13.242: Unsichtbare Lichtsignale einer Infrarot Fernbedienung werden durch eine Smartphone-Kamera sichtbar.

13.20.7 Sichtbares Licht

Elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich von \(385\;\mathrm{THz}\) bis \(790\;\mathrm{THz}\) (Wellenlängenbereich: \(780\;\mathrm{nm}\) bis \(380\;\mathrm{nm}\)) können wir mit unseren Augen als Licht erkennen. Die unterschiedlichen Wellenlängen des sichtbaren Lichts (engl. visible light) nehmen wir dabei als unterschiedliche Farben wahr.

Strahlung im sichtbaren Wellenlängenbereich hat bereits ausreichend Energie, um die Bindungsstruktur einiger weniger Moleküle zu verändern. Auf diesen Effekt beruht unter anderem die Photosynthese wie sie in Pflanzen, Algen und manchen Bakterien vorkommt. Ein einzelnes Chlorophyllmolekül wird durch sichtbares Licht angeregt.

Den Anwendungen und Eigenschaften von sichtbarem Licht haben wir ein ganzes Buch-Teil gewidmet: Optik.

13.20.8 Ultraviolett-Strahlung

Die für unsere Augen unsichtbare elektromagnetische Strahlung, die sich an den sichtbaren violettfarbenen Frequenzbereich anschließt, wird Ultraviolett-Strahlung (kurz UV-Strahlung, engl. ultraviolet radiation) genannt (lat. ultra bedeutet „jenseits“; (Frequenzbereich: \(790\;\mathrm{THz}\) bis \(30\;\mathrm{PHz}\) (30 Petahertz oder \(3\cdot 10^{16}\;\mathrm{Hz}\)); Wellenlängenbereich: \(380\;\mathrm{nm}\) bis \(10\;\mathrm{nm}\)). Umgangssprachlich wird diese Strahlung auch „Schwarzlicht“ genannt.

UV-Strahlung wird weiterhin in die folgenden Bereiche gegliedert:

Bereich Wellenlänge (nm)
UVA 315 - 400 gelangt vollständig zur Erdoberfläche
UVB 280 - 315 wird zu rund 90 % von der Ozonschicht absorbiert
UVC 100 - 280 wird fast vollständig von der Atmosphäre absorbiert

Hier beginnt der Bereich der ionisierenden Strahlung.

Blüte aufgenommen im UV-Bereich (linke Seite) und im sichtbaren Wellenlängenbereich (rechte Seite)

Bild 13.243: Blüte aufgenommen im UV-Bereich (linke Seite) und im sichtbaren Wellenlängenbereich (rechte Seite)

Einige Anwendungen von UV-Strahlung sind:

  • Einige Lebewesen (wie etwa Bienen) können im UV-Bereich sehen und erhalten dadurch andere Informationen aus der Umwelt als wir Menschen (Bild 13.243).

  • Spezielle Lampen, die hauptsächlich Strahlung im UV-Bereich aussenden („Schwarzlichtlampen“), regen fluoreszierende Stoffe zum Leuchten im sichtbaren Wellenlängenbereich an.

  • UV-Strahlung wird auch verwendet, um Banknoten fälschungssicherer zu machen. Moderne Banknoten besitzen Merkmale, die nur unter Schwarzlicht erkennbar und schwer zu fälschen sind.

  • Im Photopolymerisation-Verfahren werden 3D-gedruckte Gegenstände während und nach dem Druck mithilfe von UV-Strahlung ausgehärtet und erlangen so ihre Festigkeit.

  • Bestrahlen mit UV-Licht führt zur Desinfektion von Oberflächen.

13.20.9 Röntgenstrahlung

Als Röntgenstrahlung (engl. x-rays) werden elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich von \(30\;\mathrm{PHz}\) (30 Petahertz; \(3\cdot 10^{16}\;\mathrm{Hz}\)) bis \(30\;\mathrm{EHz}\) (30 Exahertz; \(3\cdot 10^{19}\;\mathrm{Hz}\)); Wellenlängenbereich: \(10\;\mathrm{nm}\) bis \(10\;\mathrm{pm}\) (10 Pikometer; \(10^{-11}\;\mathrm{m}\))) genannt. Die Strahlung wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt. Dieser nannte sie zunächst „X-Strahlen“, um eine neue unbekannte Art von Strahlung zu bezeichnen. Heute werden sie nach ihrem Entdecker benannt, außer im Englischen, dort werden sie auch heute noch so bezeichnet.

Natürliche Röntgenquellen gibt es auf der Erde keine. Röntgenstrahlung wird üblicherweise mit einer Röntgen-Röhre künstlich erzeugt (Bild 13.244).

Aufbau einer Röntgen-Röhre: Kathode \(K\), Heizspannung \(U_h\), Beschleunigungsspannung \(U_a\), Anode \(A\), Kühlung \(C\), Röntgen-Strahlen \(X\)

Bild 13.244: Aufbau einer Röntgen-Röhre: Kathode \(K\), Heizspannung \(U_h\), Beschleunigungsspannung \(U_a\), Anode \(A\), Kühlung \(C\), Röntgen-Strahlen \(X\)

Die durch Heizen der Kathode losgelösten Elektronen werden zur Anode hin beschleunigt. Dort treffen sie mit großer Geschwindigkeit auf das Anodenmaterial aus Wolfram und erzeugen beim Auftreffen drei verschiedene Strahlungsarten: charakteristische Röntgenstrahlung, Bremsstrahlung und Lilienfeldstrahlung. Durch den Beschuss der Elektronen erwärmt sich die Anode bei längerem Betrieb. Obwohl Wolfram einen hohen Schmelzpunkt besitzt, muss sie zusätzlich gekühlt werden. Im Bild 13.244 siehst du die Wasserkühlung der Anode blau hervorgehoben.

Die energiereiche Röntgenstrahlung durchdringt die meisten Materialien. Zum Beispiel werden menschliche Organe nahezu ungehindert durchdrungen. Knochengewebe absorbiert die Strahlung, und ist als Schatten auf Röntgenaufnahmen sichtbar.

Einfache Röntgen-Aufnahme

Bild 13.245: Einfache Röntgen-Aufnahme

Generell ist jede Röntgenuntersuchung für unser Gewebe schädlich (ionisierende Strahlung). Um die Strahlenbelastung auf den zu untersuchenden Körperteil zu beschränken, werden die restlichen Körperteile durch Bleischürzen geschützt. Bei einem gelegentlichen Röntgen überwiegen die gesundheitlichen Vorteile bei Weitem die Risiken durch Strahlenexposition. Bei einer Computertomographie (CT), einer Art 3D-Röntgen, wirst du aus mehreren Richtungen mit Röntgenstrahlung niedriger Intensität durchleuchtet. Die Dichteunterschiede ergeben dann im Computer ein dreidimensionales Bild von deinem Körper (Bild 13.246).

CT-Scan eines menschlichen Schädels

Bild 13.246: CT-Scan eines menschlichen Schädels

Außer in der Medizin wird Röntgenstrahlung in der Überprüfung von Schweißnähten und in Röntgenprüfgeräten bei der Gepäckkontrolle verwendet (Bild 13.247). Der Computer hat das Graustufenbild künstlich eingefärbt, um Materialien mit bestimmter Dichte einfacher erkennen zu können.

Rucksack bei der Gepäckdurchleuchtung. Software färbt das Bild nach Materialdichte: Organisches Material (Orange), Anorganische Materialien (Blau), Gemischte Materialien (Grün)

Bild 13.247: Rucksack bei der Gepäckdurchleuchtung. Software färbt das Bild nach Materialdichte: Organisches Material (Orange), Anorganische Materialien (Blau), Gemischte Materialien (Grün)

Die Wellenlänge von Röntgenstrahlung liegt in der Größenordnung der Gitterkonstante von Kristallen. Aus dem Beugungsbild von Röntgenstrahlung an Kristallen kann auf deren Gitterstruktur rückgeschlossen werden (Kristallstrukturanalyse).

13.20.10 Gammastrahlung

Elektromagnetische Strahlung mit Frequenzen größer als \(30\;\mathrm{EHz}\) (30 Exahertz; \(3\cdot 10^{19}\;\mathrm{Hz}\)) – Wellenlängen kürzer als \(10\;\mathrm{pm}\) (10 Pikometer oder \(10^{-11}\;\mathrm{m}\)) – werden als Gamma-Strahlung (engl. gamma radiation) bezeichnet. Die hoch ionisierende Strahlung entsteht bei dem Zerfall von Atomkernen (Gamma-Zerfall).

Anwendungen von Gammastrahlung sind zum Beispiel:

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