11.14 Interferenz dünner Schichten

Der Papagei in Bild 11.150 ist eine Farbenpracht. Interessanterweise besitzt das Gefieder des Papageis aber überhaupt keine blauen Farbpigmente.

Gelbbrustara aus Südamerika

Bild 11.150: Gelbbrustara aus Südamerika

In diesem Kapitel erfährst du unter anderem, wie sich die Lichtwellenlänge mit dem Medium ändert, wie die blaue Farbe des Papageis entsteht, wie die Antireflexbeschichtung von Linsen funktioniert und dass Isaac Newton fast die Wellennatur des Lichts entdeckte.

11.14.1 Wellenlänge im Medium

Die Frequenz von Licht wird durch die Lichtquelle vorgegeben und kann durch Brechung, Beugung oder Reflexion an ruhenden Objekten nicht verändert werden. Damit die Grundgleichung der Wellenlehre weiterhin erfüllt ist, muss sich die Wellenlänge ändern, sobald sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Licht ändert.

Änderung der Wellenlänge in einem optischen Medium

Bild 11.151: Änderung der Wellenlänge in einem optischen Medium

Je kleiner die Lichtgeschwindigkeit (je größer der Brechungsindex), desto kleiner die Wellenlänge. Für die Wellenlänge in einem optischen Medium gilt:

\[ \lambda = \frac{1}{n}\cdot \lambda_0\qquad (n\ge 1) \tag{11.8} \]

In dieser Gleichung bedeuten:

  • \(\lambda\), die Lichtwellenlänge im Medium (in \(\mathrm{m}\))
  • \(n\), der Brechungsindex des Mediums (dimensionslose Zahl größer gleich eins)
  • \(\lambda_0\), die Lichtwellenlänge in Vakuum (in \(\mathrm{m}\))

Beim Übergang Luft in Glas verkleinert sich zum Beispiel die Lichtwellenlänge (Bild 11.151). Verlässt das Licht an einer anderen Stellen den Glaskörper, nimmt die Wellenlänge wieder ihre ursprüngliche Größe an.

11.14.2 Herleitung Wellenlänge im Medium

Die Grundgleichung der Wellenlehre lautet:

\[ \begin{aligned} \lambda\cdot f = {} & c &&\qquad\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{\lambda} \\ f = {} & \frac{c}{\lambda} \\ \end{aligned} \]

Ist die Wellenfrequenz im Medium (\(f\)) gleich der Wellenfrequenz im Vakuum (\(f_0\)) gilt:

\[ \begin{aligned} f = {} & f_0 &&\qquad\Bigr\rvert\; f=\frac{c}{\lambda} \\ \frac{c}{\lambda} = {} & \frac{c_0}{\lambda_0} &&\qquad\Bigr\rvert\; \frac{1}{(\ldots)} \\ \frac{\lambda}{c} = {} & \frac{\lambda_0}{c_0} &&\qquad\Bigr\rvert\cdot c\\ \lambda = {} & \frac{c}{c_0}\cdot \lambda_0 \\ \end{aligned} \]

Das Verhältnis \(c/c_0\) im obigen Ausdruck ist der Kehrwert des Brechungsindex. Damit erhalten wir die Gleichung (11.8) für die Wellenlänge im Medium.

11.14.3 Phasenänderung bei Reflexion

So wie bei mechanischen Wellen kann es auch an der Grenzfläche zwischen zwei optischen Medien zu einer Phasenänderung der Lichtwelle kommen. Dabei können wir zwei Fälle unterscheiden:

  1. Beim Übergang von einem optisch dünneren zu einem optisch dichteren Medium kommt es zu einem Phasensprung von \(\pi\) oder \(180^\circ\) (Bild 11.152, a). Dieser Fall entspricht der Reflexion an einem festen Ende.

  2. Beim Übergang von einem optisch dichteren zu einem optisch dünneren Medium kommt es zu keinem Phasensprung. (Bild 11.152, b). Dieser Fall entspricht der Reflexion an einem losen Ende.

Phasenänderung bei Lichtreflexion

Bild 11.152: Phasenänderung bei Lichtreflexion

Der gebrochene Anteil der Lichtwelle erfährt keine Phasenänderung.

11.14.4 Monochromatisches Licht an dünnen Schichten

In Bild 11.153 siehst du eine Seifenhaut, die über einen Rahmen gespannt ist. Die Dicke der Seifenhaut nimmt aufgrund der Schwerkraft nach unten hin zu. Wird sie mit monochromatischem Licht beleuchtet, sind deutlich abwechselnd helle und dunkle Streifen zu sehen.

Seifenhaut unter monochromatischem Licht

Bild 11.153: Seifenhaut unter monochromatischem Licht

Um das zu verstehen, sehen wir uns an, was passiert, wenn Licht auf eine dünne lichtdurchlässige Schicht trifft (Bild 11.154). Ein Teil des Lichts wird an der Vorderseite reflektiert (\(s_2\)) und erfährt dabei einen Phasensprung von \(\pi\) (Reflexion an einem festen Ende). Ein weiterer Anteil (\(s_3\)) dringt zunächst in die Schicht ein und wird an der Rückseite der Schicht reflektiert (Reflexion am freien Ende, daher kein Phasensprung). Ist die Schichtdicke viel kleiner als die Wellenlänge des Lichts (\(d\ll \lambda\)), können wir sie vernachlässigen. In diesem Fall sind \(s_2\) und \(s_3\) um eine halbe Wellenlänge phasenverschoben und löschen einander aus (destruktive Interferenz) – das entspricht dem ersten dunklen Streifen oben auf der Seifenhaut.

Reflexion und Transmission an einer dünnen lichtdurchlässigen Schicht

Bild 11.154: Reflexion und Transmission an einer dünnen lichtdurchlässigen Schicht

Mit zunehmender Dicke der Schicht, muss der Gangunterschied, der sich durch das zweimalige Durchlaufen der Schichtdicke \(d\) von \(s_3\) ergibt, berücksichtigt werden. Bewirkt die Schichtdicke eine Verschiebung um eine halbe Wellenlänge, sorgt der Phasensprung von \(s_2\) dafür, dass beide Anteile insgesamt phasengleich sind. Bei senkrechtem Lichteinfall erhalten wir helle Streifen (konstruktive Interferenz) bei:

\[ 2d = \frac{1}{2}\lambda, \frac{3}{2}\lambda, \frac{5}{2}\lambda, \ldots, \frac{(2n+1)}{2}\cdot\lambda \qquad n=0,1,2,3,\ldots \]

Die Wellenlänge \(\lambda\) ist dabei die Wellenlänge im Medium.

Entsprechend erhalten wir dunkle Streifen (destruktive Interferenz) immer dann, wenn die Schichtdicke eine Verschiebung um Vielfaches der Wellenlänge bewirkt. Der Phasensprung von \(s_2\) sorgt dann dafür, dass beide Anteile insgesamt gegenphasig sind.

\[ 2d = 0, \lambda, 2\lambda, 3\lambda, \ldots, n\cdot\lambda \qquad n=0,1,2,3,\ldots \]

Dieses Verhalten wird als Interferenz an dünnen Schichten (engl. thin film interference) bezeichnet und tritt nur bei Schichtdicken im Mikro- und Nanometerbereich (\(10^{-6}-10^{-9}\;\mathrm{m}\)) auf.

Prinzipiell kommt es auch auf der Licht abgewandten Seite – abhängig von der Schichtdicke – zu einem Gangunterschied der Lichtanteile \(s_4\) und \(s_5\), allerdings ist die Amplitude von \(s_5\) zu gering, um hier eine nennenswerte Interferenz entstehen zu lassen (Bild 11.154).

Auch hier gilt der Energieerhaltungssatz. Werden Wellen an einer Stelle durch destruktive Interferenz ausgelöscht, werden andere Lichtanteile verstärkt. Durch Interferenz geht keine Energie verloren, es kommt dabei immer nur zu einer räumlichen Umverteilung der Energie!

11.14.5 Weißes Licht an dünnen Schichten

Im Gegensatz zu hellen und dunklen Streifen bei monochromatischem Licht erhältst du bei der Interferenz an dünnen Schichten mit weißem Licht unterschiedliche Farben (Bild 11.155).

Schillern von unterschiedlichen Farben bei einer Seifenhaut

Bild 11.155: Schillern von unterschiedlichen Farben bei einer Seifenhaut

Diese Farben entstehen durch eine spezielle Form von subtraktiver Farbmischung – dabei wird jeweils eine Farbe durch destruktive Interferenz ausgelöscht. Siehst du etwa gelbe Farbe, wurde das blaue Licht durch destruktive Interferenz unterdrückt, weil der Gangunterschied durch die dünne Schicht gerade der halben Wellenlänge von blauem Licht entspricht. Wird der Grünanteil unterdrückt, siehst du Magentarot und bei Unterdrückung des Rotanteils entsteht der Farbeindruck von Cyanblau. Bei der Interferenz an dünnen Schichten erhältst du also andere Farben als bei einem Regenbogen.

Farben, die auf diese Weise entstehen werden Interferenzfarben (engl. structural coloration) genannt. Das Phänomen, dass Oberflächen vom Blickwinkel abhängige Farben zeigen, wird allgemein als Schillern (engl. iridescence) bezeichnet.

11.14.6 Antireflexbeschichtung

Die Antireflexbeschichtung (engl. anti-reflective coating) einer Oberfläche besteht aus einer oder mehreren aufeinanderfolgenden dünnen Schichten, mit dem Ziel, Reflexionen zu vermindern. Zum einen können Reflexionen als störend empfunden werden, zum Beispiel bei Brillen oder Fenstern (Entspiegelung). Bei Linsen und Objektiven wird versucht, den Anteil des durchgehenden Lichts zu erhöhen (Vergütung).

Oberfläche mit einer \(\lambda/4\)-Schicht

Bild 11.156: Oberfläche mit einer \(\lambda/4\)-Schicht

In Bild 11.156 siehst du eine Oberfläche mit einer gebräuchlichen \(\lambda/4\)-Beschichtung. Durch den zunehmenden Brechungsindex (\(n_0 <n_1 < n_s\)) kommt es an beiden Grenzflächen zu einem Phasensprung um \(\pi\) und nur der Gangunterschied durch die Schichtdicke ist entscheidend. Destruktive Interferenz erhalten wir zum ersten Mal, wenn die zweifach durchlaufene Schicht einer halben Wellenlänge entspricht.

\[ \begin{aligned} 2\cdot d = {} & \frac{\lambda}{2}&&\qquad\Bigr\rvert\cdot 2 \\ d = {} & \frac{\lambda}{4} \end{aligned} \]

Wenn die Schichtdicke also ein Viertel der Wellenlänge \(\lambda\) beträgt (Wellenlänge im Medium der Schicht). Lichtanteile dieser Wellenlänge werden nahezu vollständig ausgelöscht. Lichtanteile mit benachbarten Wellenlängen werden zumindest abgeschwächt. Prinzipiell würden wir auch destruktive Interferenz für dickere Beschichtungen (\(3\lambda/4\), \(5\lambda/4\),…) erhalten. Mit zunehmender Schichtdicke wird die Wirkung aber immer schlechter und die Abhängigkeit von Wellenlänge und Einfallswinkel nehmen zu.

Objektive mit Antireflexbeschichtung

Bild 11.157: Objektive mit Antireflexbeschichtung

In Bild 11.157 siehst du Kameraobjektive mit einer Antireflexbeschichtung. Aufgrund der Färbung kannst du abschätzen, für welche Wellenlänge die Beschichtung optimiert ist. Da die Oberfläche Magentarot erscheint, wird vorwiegend der Grünanteil durch die Vergütung unterdrückt.

11.14.7 Interferenzfarben in der Natur

Das schillernde Gefieder des Pfauenmännchens (Bild 11.158) enthält keine Farbpigmente, der Farbeindruck entsteht alleine durch Interferenz an dünnen Schichten, die in mikroskopisch kleinen Luftkammern in den Federn stattfindet. Werden diese Luftkammern zerstört, sind die Federn dunkelgrau.

Interferenzfarben beim Gefieder eines Pfauenmännchens

Bild 11.158: Interferenzfarben beim Gefieder eines Pfauenmännchens

Interferenzfarben findest du nicht nur bei Federn, sondern zum Beispiel auch bei den Flügeln von Schmetterlingen (Bild 11.159), den Chitin-Panzern von Käfern oder sogar bei Pflanzen: Die Farbe der Marmorbeere – sie gilt als das intensivste Blau, das in der Natur zu finden ist – entsteht durch Interferenz.

Vergrößerungen zeigen den Aufbau des Schmetterlingsflügels aus dünnen Schichten.

Bild 11.159: Vergrößerungen zeigen den Aufbau des Schmetterlingsflügels aus dünnen Schichten.

11.14.8 Newtonsche Ringe

In Bild 11.160 siehst du eine ähnliche Interferenzerscheinung wie bei dünnen Schichten.

Interferenzerscheinung bei zwei nicht ganz ebenen Flächen zwischen zwei Linsen

Bild 11.160: Interferenzerscheinung bei zwei nicht ganz ebenen Flächen zwischen zwei Linsen

Hier kommt es zur Aufspaltung in zwei phasenverschobene Lichtanteile durch einen dünnen Luftspalt (Bild 11.161). Diese Interferenzerscheinung wird Newtonsche Ringe (engl. Newton’s rings) genannt. Bei Beleuchtung mit monochromatischem Licht erhältst du helle und dunkle Ringe und mit weißem Licht Interferenzfarben.

Entstehung von Newton-Ringen

Bild 11.161: Entstehung von Newton-Ringen

Die Ringe sind nach Isaac Newton benannt, der sie schon im 17. Jahrhundert untersuchte. Obwohl sich die Erscheinung durch Welleneigenschaften einfach erklären lässt, blieb er ein Befürworter des Teilchenmodells von Licht.