8.4 Federpendel
Im letzten Kapitel hast du gesehen, dass die Bewegungsgleichung eines harmonischen Oszillators
\[ a = -\omega^2\cdot y \]
lautet. Also die Proportionalität von der Beschleunigung \(a\) zur Auslenkung \(y\) das Kennzeichen einer harmonischen Schwingung ist. Obwohl das Federpendel schon in Beispielen vorgekommen ist, haben wir bisher noch nicht untersucht, ob es sich bei der Schwingung eines Federpendels überhaupt um eine harmonische Schwingung handelt. Außerdem wirst du erfahren, wie Astronauten in der Schwerelosigkeit ihre Masse bestimmen (Bild 8.13) können.
8.4.1 Waagrechtes Federpendel
Die Anordnung in Bild 8.14 wird als waagrechtes Federpendel (engl. mass on spring) bezeichnet. Dabei bewegt sich die Masse \(m\) annähernd reibungsfrei auf seiner Unterlage.
Die rücktreibende Kraft stammt von der Kraft der Schraubenfeder, die durch das Hookesche Gesetz beschrieben wird. Die darin vorkommende Federkonstante \(k\) ist ein Maß für die Festigkeit der Schraubenfeder.
Das waagrechte Federpendel ist ein harmonischer Oszillator. Frequenz \(f\) und Periodendauer \(T\) lauten: \[\begin{equation} f = \frac{1}{2\pi}\cdot\sqrt{\frac{k}{m}} \qquad\qquad T = 2\pi\cdot\sqrt{\frac{m}{k}} \tag{8.7} \end{equation}\] |
Je größer die Masse des Federpendels (je träger die Masse), desto größer ist die Periodendauer. Umgekehrt gilt: Je größer die Federkonstante (je steifer die Feder), desto kleiner ist die Periodendauer.
8.4.2 Herleitung waagrechtes Federpendel
Setzen wir das Hookesche Gesetz
\[ F_{\mathrm{y}} = -k \cdot y \]
gleich dem dynamischen Grundgesetz, erhalten wir:
\[ \begin{aligned} F = {} & F_y \\ m\cdot a = {} & -k \cdot y \qquad\Bigr\rvert\cdot\frac{1}{m}\\ a = {} & -\frac{k}{m} \cdot y\\ \end{aligned} \]
Die Beschleunigung \(a\) ist also proportional zur Auslenkung \(y\). Daran kannst du erkennen, dass das waagrechte Federpendel tatsächlich ein harmonischer Oszillator ist.
Vergleichst du die Formel mit der Bewegungsgleichung eines harmonischen Oszillators, bekommst du folgenden Ausdruck für die Kreisfrequenz \(\omega\):
\[\begin{equation} \omega^2 = \frac{k}{m} \qquad\Rightarrow\qquad \omega = \sqrt{\frac{k}{m}} \tag{8.8} \end{equation}\] |
Damit wissen wir die Frequenz \(f\) der Schwingung eines waagrechten Federpendels:
\[ \begin{aligned} 2\pi f = {} & \omega &\\ 2\pi f = {} & \sqrt{\frac{k}{m}} &\qquad\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{2\pi}\\ f = {} & \frac{1}{2\pi}\cdot\sqrt{\frac{k}{m}}\\ \end{aligned} \]
Und in der Folge auch die Periodendauer \(T=1/f\):
\[ T = 2\pi\cdot\sqrt{\frac{m}{k}} \]
8.4.3 Senkrechtes Federpendel
Wird eine Masse vertikal an einer Schraubenfeder aufgehängt (Bild 8.17), wird von einem senkrechten Federpendel gesprochen.
Das senkrechte Anordnen des Federpendels führt zu einer zusätzlichen Dehnung \(x\) der Feder, hervorgerufen durch die Gewichtskraft der Masse. Da die rücktreibende Kraft linear von der Auslenkung abhängt, verschiebt sich lediglich die Gleichgewichtslage im Kraft-Weg-Diagramm (Bild 8.16) von Punkt (a) zu Punkt (b).
Die rücktreibende Kraft ist aber nach wie vor
\[ F_R = -k\cdot y \]
wobei \(y\) jetzt die Auslenkung bezogen auf die neue Gleichgewichtslage (Bild 8.16 (b)) ist.
Das senkrechte Federpendel ist ebenfalls ein harmonischer Oszillator. Periodendauer und Frequenz sind gleich denen eines waagrechten Federpendels . |
Links:
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8.4.4 Herleitung senkrechtes Federpendel
Im Gegensatz zu einem waagrechten Federpendel gibt es eine zusätzliche Kraft \(F_G\) (Gewichtskraft), die auf den Körper wirkt.
Im Bild 8.17 (a) siehst du die (masselose) Feder in ihrer natürlichen Länge. In (b) wurde die Masse \(m\) an die Feder gehängt. Die Gewichtskraft der Masse bewirkt eine Auslenkung \(x\) der Feder. Das Federpendel befindet sich in seiner Gleichgewichtslage. Die nach oben gerichtete Federkraft \(F(x)=-k\cdot x\) (Die Auslenkung x zeigt nach unten, ist also negativ! Damit ist die Kraft \(F(x)\) insgesamt positiv!) und die nach unten gerichtete Gewichtskraft \(F_G=-m\cdot g\) heben einander gerade auf.
\[ F_{ges} = F_G + F(x) = 0 \]
In 8.17 (c) wird die Feder um ein weiteres Stück \(y\) ausgelenkt. Die Federkraft ist jetzt
\[ \begin{aligned} F(x+y) = {} & -k\cdot (x+y) \\ = {} & -k\cdot x - k\cdot y \\ = {} & F(x) - k\cdot y \\ \end{aligned} \]
und die Gesamtkraft ist
\[ \begin{aligned} G_{ges} = {} & F(x+y)+F_G \\ = {} & F(x) - k\cdot y+F_G \\ = {} & [F(x)+F_G] - k\cdot y \qquad\Bigr\rvert F_G + F(x) = 0\\ = {} & - k\cdot y \\ \end{aligned} \]
und damit gleich dem des waagrechten Federpendels. Die zusätzlich wirkende Gewichtskraft spielt also für das Schwingungsverhalten des Federpendels keine Rolle! Alle Überlegungen für das waagrechte Federpendel gelten genauso für das senkrechte Federpendel. Insbesondere ist das senkrechte Federpendel somit auch ein harmonischer Oszillator. Seine Periodendauer \(T\) und seine Frequenz \(f\) sind gleich denen des waagrechten Federpendels.
8.4.5 Massenbestimmung in der Schwerelosigkeit
Eine Astronautin an Bord der internationalen Raumstation (ISS) misst auf ihrem „body mass measurement device“ (BMMD) eine Periodendauer von \(T=2{,}22\;\mathrm{s}\). Der Sitz, auf dem sich die Astronautin während der Messung befand, hat eine Masse von \(m=10\;\mathrm{kg}\). Er ist zwischen zwei Spiralfedern mit Federkonstanten von jeweils \(300\;\mathrm{N/m}\) analog einem waagrechten Federpendel mit zwei Federn (Bild 8.18) befestigt. Berechne die Masse \(M\) der Astronautin.
Aufgrund der fehlenden Belastung der Gewichtskraft in der Schwerelosigkeit ist der Muskelschwund bei langen Aufenthalten im All ein großes Problem für Astronauten. Um diesem Muskelschwund entgegenzuwirken, müssen Astronauten viel Zeit mit Training verbringen. Regelmäßige Messungen der Körpermasse mit einem body mass measurement device (BMMD) gehören dazu.
Das Federpendel mit zwei Federn ist mathematisch gleich dem eines waagrechten Federpendels mit einer Feder, wenn wir die zweifache rücktreibende Kraft berücksichtigen. Das geschieht, wenn wir für die Federkonstante \(2k\) verwenden. Die Pendelmasse besteht in unserem Beispiel aus der Masse der Astronautin \(M\) und der Masse des Sitzes \(m\), also \(m+M\). Die Formel für die Periodendauer für unseren Fall lautet daher:
\[ T = 2\pi\cdot\sqrt{\frac{m+M}{2k}} \]
Wir formen die Gleichung so um, dass die Masse \(M\) der Astronautin explizit auf der linken Seite steht:
\[ \begin{aligned} 2\pi\cdot\sqrt{\frac{m+M}{2k}} = {} & T &&\Bigr\rvert\:(\ldots)^2 \\ 4\pi^2\cdot\frac{m+M}{2k} = {} & T^2 &&\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{4\pi^2} \\ \frac{m+M}{2k} = {} & \frac{T^2}{4\pi^2} &&\Bigr\rvert\cdot 2k \\ m+M = {} & \frac{2k\cdot T^2}{4\pi^2} &&\Bigr\rvert -m \\ M = {} & \frac{2k\cdot T^2}{4\pi^2}-m \\ \end{aligned} \]
Einsetzen der Werte in die Formel liefert die gesuchte Masse der Astronautin
\[ M = \frac{2\cdot 300\cdot (2{,}22)^2}{4\pi^2}-10 = 64{,}90\ldots\;\mathrm{kg} \]