8.3 Federpendel

Aufgrund der Schwerelosigkeit an Bord der internationalen Raumstation kann sich eine Person dort nicht einfach auf die Badezimmerwaage stellen, um seine Masse („Körpergewicht“) zu erfahren. Stattdessen wird dort die Körpermasse mit der Vorrichtung in Bild 8.11 bestimmt.

Der ESA Astronaut Andre Kuipers bei der Bestimmung seiner Körpermasse an Bord der ISS

Bild 8.11: Der ESA Astronaut Andre Kuipers bei der Bestimmung seiner Körpermasse an Bord der ISS

Im letzten Kapitel hast du die Bewegungsgleichung eines harmonischen Oszillators kennengelernt. Obwohl das Federpendel schon in Beispielen vorgekommen ist, haben wir bisher nicht überprüft, ob es sich bei der Schwingung eines Federpendels tatsächlich um eine harmonische Schwingung handelt. Das möchten wir in diesem Kapitel nachholen. Außerdem wirst du erfahren, wie sich die Schwingung eines waagrechten von der eines senkrechten Federpendels unterscheidet und wie Astronauten in der Schwerelosigkeit ihre Masse bestimmen.

8.3.1 Waagrechtes Federpendel

Die Anordnung in Bild 8.12 wird als waagrechtes Federpendel (engl. mass on spring) bezeichnet. Dabei bewegt sich die Masse \(m\) annähernd reibungsfrei auf seiner Unterlage.

Federpendel (waagrecht)

Bild 8.12: Federpendel (waagrecht)

Die rücktreibende Kraft stammt von der Kraft der Schraubenfeder, die durch das Hookesche Gesetz beschrieben wird. Die darin vorkommende Federkonstante \(k\) ist ein Maß für die Festigkeit der Schraubenfeder.

Das waagrechte Federpendel ist ein harmonischer Oszillator. Frequenz \(f\) und Periodendauer \(T\) lauten: \[\begin{equation} f = \frac{1}{2\pi}\cdot\sqrt{\frac{k}{m}} \qquad\qquad T = 2\pi\cdot\sqrt{\frac{m}{k}} \tag{8.6} \end{equation}\]

Je größer die Masse des Federpendels (je träger der Pendelkörper), desto größer ist die Periodendauer. Umgekehrt gilt: Je größer die Federkonstante (je steifer die Feder), desto kleiner ist die Periodendauer.

8.3.2 Herleitung waagrechtes Federpendel

Bei einer Schraubenfeder ist die rücktreibende Kraft durch das Hookesche Gesetz gegeben:

\[ F_\text{r} = -k \cdot y \]

Setzen wir die rücktreibende Kraft gleich der Kraft im dynamischen Grundgesetz, erhalten wir:

\[ \begin{aligned} F = {} & F_\text{r} \\ m\cdot a = {} & -k \cdot y \qquad\Bigr\rvert\cdot\frac{1}{m}\\ a = {} & -\frac{k}{m} \cdot y\\ \end{aligned} \]

Die Beschleunigung \(a\) ist also proportional zur Auslenkung \(y\). Daran kannst du erkennen, dass das waagrechte Federpendel tatsächlich ein harmonischer Oszillator ist.

Vergleichst du die Formel mit der Bewegungsgleichung eines harmonischen Oszillators, bekommst du folgenden Ausdruck für die Kreisfrequenz \(\omega\):

\[\begin{equation} \omega^2 = \frac{k}{m} \qquad\Rightarrow\qquad \omega = \sqrt{\frac{k}{m}} \tag{8.7} \end{equation}\]

Damit wissen wir die Frequenz \(f\) der Schwingung eines waagrechten Federpendels:

\[ \begin{aligned} 2\pi f = {} & \omega &\\ 2\pi f = {} & \sqrt{\frac{k}{m}} &\qquad\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{2\pi}\\ f = {} & \frac{1}{2\pi}\cdot\sqrt{\frac{k}{m}}\\ \end{aligned} \]

Und in der Folge auch die Periodendauer \(T=1/f\):

\[ T = 2\pi\cdot\sqrt{\frac{m}{k}} \]

8.3.3 Senkrechtes Federpendel

Wird eine Masse vertikal an einer Schraubenfeder aufgehängt (Bild 8.15), wird von einem senkrechten Federpendel gesprochen.

Senkrechtes Federpendel

Bild 8.13: Senkrechtes Federpendel

Das senkrechte Anordnen des Federpendels führt zu einer zusätzlichen Dehnung \(x\) der Feder, hervorgerufen durch die Gewichtskraft der Masse. Da die rücktreibende Kraft linear von der Auslenkung abhängt, verschiebt sich lediglich die Gleichgewichtslage im Kraft-Weg-Diagramm (Bild 8.14) von Punkt (a) zu Punkt (b).

Kraft-Weg-Diagramm für ein waagrechtes und senkrechtes Federpendel

Bild 8.14: Kraft-Weg-Diagramm für ein waagrechtes und senkrechtes Federpendel

Die rücktreibende Kraft ist aber nach wie vor

\[ F_\text{r} = -k\cdot y \]

wobei \(y\) jetzt die Auslenkung bezogen auf die neue Gleichgewichtslage (Bild 8.14 (b)) ist.

Das senkrechte Federpendel ist ebenfalls ein harmonischer Oszillator. Periodendauer und Frequenz sind gleich denen eines waagrechten Federpendels .

Links:

8.3.4 Herleitung senkrechtes Federpendel

Kräfte beim senkrechten Federpendel

Bild 8.15: Kräfte beim senkrechten Federpendel

Im Gegensatz zu einem waagrechten Federpendel gibt es eine zusätzliche Kraft \(F_G\) (Gewichtskraft), die auf den Körper wirkt.

Im Bild 8.15 (a) siehst du die (masselose) Feder in ihrer natürlichen Länge. In (b) wurde die Masse \(m\) an die Feder gehängt. Die Gewichtskraft der Masse bewirkt eine Auslenkung \(x\) der Feder. Das Federpendel befindet sich in seiner Gleichgewichtslage. Die nach oben gerichtete Federkraft \(F(x)=-k\cdot x\) (Die Auslenkung x zeigt nach unten, ist also negativ! Damit ist die Kraft \(F(x)\) insgesamt positiv!) und die nach unten gerichtete Gewichtskraft \(F_G=-m\cdot g\) heben einander gerade auf.

\[ F_{ges} = F_G + F(x) = 0 \]

In 8.15 (c) wird die Feder um ein weiteres Stück \(y\) ausgelenkt. Die Federkraft ist jetzt

\[ \begin{aligned} F(x+y) = {} & -k\cdot (x+y) \\ = {} & -k\cdot x - k\cdot y \\ = {} & F(x) - k\cdot y \\ \end{aligned} \]

und die Gesamtkraft ist

\[ \begin{aligned} G_{ges} = {} & F(x+y)+F_G \\ = {} & F(x) - k\cdot y+F_G \\ = {} & [F(x)+F_G] - k\cdot y \qquad\Bigr\rvert F_G + F(x) = 0\\ = {} & - k\cdot y \\ \end{aligned} \]

und damit gleich dem des waagrechten Federpendels. Die zusätzlich wirkende Gewichtskraft spielt also für das Schwingungsverhalten des Federpendels keine Rolle! Alle Überlegungen für das waagrechte Federpendel gelten genauso für das senkrechte Federpendel. Insbesondere ist das senkrechte Federpendel somit auch ein harmonischer Oszillator. Seine Periodendauer \(T\) und seine Frequenz \(f\) sind gleich denen des waagrechten Federpendels.

8.3.5 Gesamtenergie eines harmonischen Oszillators

Die Gesamtenergie eines harmonischen Oszillators ist durch die Formel

\[\begin{equation} E_{ges} = m\cdot 2\pi\cdot f ^2\cdot A^2 \tag{8.8} \end{equation}\]

beschrieben.

Die Gesamtenergie eines harmonischen Oszillators wächst mit der zweiten Potenz der Amplitude und zweiten Potenz der Frequenz.

Verdoppeln wir beispielsweise die Amplitude, wächst die Gesamtenergie des Oszillators auf das 4-fache des ursprünglichen Wertes an.

8.3.6 Herleitung: Gesamtenergie eines harmonischen Oszillators

Energie eines horizontalen Federpendels

Bild 8.16: Energie eines horizontalen Federpendels

Das Federpendel besitzt im Wesentlichen zwei Energiebeiträge: die kinetische Energie \(E_\text{KIN}\) der Masse und die Spannenergie \(E_\text{SPANN}\) der Feder (Bild 8.16).

Die Gesamtenergie ist die Summe der einzelnen Energiebeiträge:

\[ \begin{aligned} E_{ges} = {} & E_\text{KIN} + E_\text{SPANN} \\ E_{ges} = {} & \frac{m\cdot v_y^2}{2} + \frac{k\cdot y^2}{2} \\ E_{ges} = {} & \frac{1}{2}\cdot\left(m\cdot v^2+k\cdot y^2\right) \\ \end{aligned} \]

Wirken keine Reibungskräfte auf das System, bleibt die Gesamtenergie erhalten.

Für das Federpendel gilt die Beziehung:

\[ \omega^2=\frac{k}{m} \qquad\Rightarrow\qquad k=m\cdot\omega^2 \]

Die Gleichungen für Elongation und Geschwindigkeit lauten:

\[ \begin{aligned} y(t)= {} & \qquad\quad A\cdot\sin(\omega\cdot t) \\ v_y(t)= {} & \quad\; \omega\,\,\cdot A\cdot\cos(\omega\cdot t) \\ \end{aligned} \]

Alle drei Beziehungen setzen wir in die Gleichung für die Gesamtenergie des Oszillators ein:

\[ \begin{aligned} E_{ges} = {} & \frac{1}{2}\cdot\left(m\cdot v^2+k\cdot y^2\right) \\ E_{ges} = {} & \frac{1}{2}\cdot\left(m\cdot [\omega\cdot A\cdot\cos(\omega\cdot t)]^2+[m\cdot\omega^2]\cdot [A\cdot\sin(\omega\cdot t)]^2\right) \\ E_{ges} = {} & \frac{1}{2}\cdot\left(m\cdot \omega^2\cdot A^2\cdot\cos^2(\omega\cdot t)+m\cdot\omega^2\cdot A^2\cdot\sin^2(\omega\cdot t)\right) \\ E_{ges} = {} & \frac{m\cdot \omega^2\cdot A^2}{2}\cdot\left(\cos^2(\omega\cdot t)+\sin^2(\omega\cdot t)\right) \\ \end{aligned} \]

Mithilfe der Beziehung („trigonometrischer Pythagoras“ (B.16))

\[ \sin^2(\omega\cdot t)+\cos^2(\omega\cdot t)=1 \]

vereinfacht sich die Gleichung zu:

\[ E_{ges} = \frac{m\cdot \omega^2\cdot A^2}{2} \]

Zwischen Kreisfrequenz und Frequenz besteht die Beziehung (siehe Kreisfrequenz):

\[ \begin{aligned} \omega = {} & 2\pi\cdot f &&\Bigr\rvert\;(\ldots)^2\\ \omega^2 = {} & 4\pi^2\cdot f^2 &&\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{2}\\ \frac{\omega^2}{2} = {} & 2\pi^2\cdot f^2 \\ \end{aligned} \]

Einsetzen in die Formel für die Gesamtenergie liefert schließlich:

\[ E_{ges} = m\cdot 2\pi^2\cdot f ^2\cdot A^2 \]

Obwohl wir für die Herleitung dieser Formel das Federpendel verwendet haben, gilt diese Formel ganz allgemein für jeden harmonischen Oszillator.

Im Bild 8.17 siehst du den zeitlichen Verlauf der Energie bei einem harmonischen Oszillator.

Energieverlauf einer harmonischen Schwingung

Bild 8.17: Energieverlauf einer harmonischen Schwingung

Die kinetische Energie und die Spannenergie ändern sich periodisch. Ihr zeitlicher Verlauf ist dabei um eine Viertelperiode verschoben. Bewegt sich der Oszillator durch die Ruhelage, ist die Spannenergie gerade null, seine Geschwindigkeit aber am größten und damit auch seine kinetische Energie. An den Umkehrpunkten der Bewegung ist die Geschwindigkeit und kinetische Energie null. Dort ist die Feder maximal gespannt (oder gestaucht) und somit die Spannenergie maximal. Zu allen Zeiten ist aber die Gesamtenergie (Summe der Energiebeiträge) konstant. Das lässt sich ebenfalls im Diagramm erkennen: Klappen wir die Fläche der kinetischen Energie im Diagramm nach oben (b), ergeben beide Flächen zusammen eine Rechteckfläche.

Links:

8.3.7 Massenbestimmung in der Schwerelosigkeit

Eine Astronautin an Bord der internationalen Raumstation (ISS) misst auf ihrem „body mass measurement device“ (BMMD) eine Periodendauer von \(T=2{,}22\;\mathrm{s}\). Der Sitz, auf dem sich die Astronautin während der Messung befand, hat eine Masse von \(m=10\;\mathrm{kg}\). Er ist zwischen zwei Spiralfedern mit Federkonstanten von jeweils \(300\;\mathrm{N/m}\) analog einem waagrechten Federpendel mit zwei Federn (Bild 8.18) befestigt. Berechne die Masse \(M\) der Astronautin.

Federpendel mit zwei Spiralfedern

Bild 8.18: Federpendel mit zwei Spiralfedern

Aufgrund der fehlenden Belastung der Gewichtskraft in der Schwerelosigkeit ist der Muskelschwund bei langen Aufenthalten im All ein großes Problem für Astronauten. Um diesem Muskelschwund entgegenzuwirken, müssen Astronauten viel Zeit mit Training verbringen. Regelmäßige Messungen der Körpermasse mit einem body mass measurement device (BMMD) gehören dazu.

Das Federpendel mit zwei Federn ist mathematisch gleich dem eines waagrechten Federpendels mit einer Feder, wenn wir die zweifache rücktreibende Kraft berücksichtigen. Das geschieht, wenn wir für die Federkonstante \(2k\) verwenden. Die Pendelmasse besteht in unserem Beispiel aus der Masse der Astronautin \(M\) und der Masse des Sitzes \(m\), also \(m+M\). Die Formel für die Periodendauer für unseren Fall lautet daher:

\[ T = 2\pi\cdot\sqrt{\frac{m+M}{2k}} \]

Wir formen die Gleichung so um, dass die Masse \(M\) der Astronautin explizit auf der linken Seite steht:

\[ \begin{aligned} 2\pi\cdot\sqrt{\frac{m+M}{2k}} = {} & T &&\Bigr\rvert\:(\ldots)^2 \\ 4\pi^2\cdot\frac{m+M}{2k} = {} & T^2 &&\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{4\pi^2} \\ \frac{m+M}{2k} = {} & \frac{T^2}{4\pi^2} &&\Bigr\rvert\cdot 2k \\ m+M = {} & \frac{2k\cdot T^2}{4\pi^2} &&\Bigr\rvert -m \\ M = {} & \frac{2k\cdot T^2}{4\pi^2}-m \\ \end{aligned} \]

Einsetzen der Werte in die Formel liefert die gesuchte Masse der Astronautin

\[ M = \frac{2\cdot 300\cdot (2{,}22)^2}{4\pi^2}-10 = 64{,}90\ldots\;\mathrm{kg} \]

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