6.2 Keplersche Gesetze

Das antike geozentrische Weltbild war zunächst dem heliozentrischen Weltbild von Nikolaus Kopernikus an Genauigkeit überlegen. Das änderte sich erst, als Johannes Kepler (Bild 6.10) das Modell durch drei Gesetze verbesserte. Bei der Formulierung seiner Gesetze konnte er auf die Aufzeichnungen von Tycho Brahe zurückgreifen, der jahrzehntelang die Planeten beobachtete und ihre Positionen sehr genau bestimmte.

Portrait von Johannes Kepler mit Darstellung seiner elliptischen Bahnen.

Bild 6.10: Portrait von Johannes Kepler mit Darstellung seiner elliptischen Bahnen.

In der Folge wird immer von „Planet“ und „Sonne“ die Rede sein. Die Keplerschen Gesetze gelten aber für alle Himmelskörper, die einen anderen umkreisen. Alle Gesetze gelten daher auch für Monde und Satelliten, die einen Planeten umkreisen.

6.2.1 Erstes Keplersches Gesetz (Ellipsensatz)

Die Aufzeichnungen von Tycho Brahe enthielten auch Beobachtungsdaten von Kometen, deren Bahnen deutlich von Kreisbahnen abwichen. Johannes Kepler versuchte es daher mit der dem Kreis am ähnlichsten Form, der Ellipse. Damit konnte er die Planetenbewegung des Mars im Einklang mit den Beobachtungsdaten erfolgreich beschreiben und er formulierte das 1. Keplersches Gesetz (Ellipsensatz) (engl. Kepler’s First Law - The Law of Ellipses, Bild 6.11):

Jeder Planet umkreist die Sonne entlang einer Ellipse. Die Sonne befindet sich in einem Brennpunkt dieser Ellipse.
Erstes Keplersches Gesetz

Bild 6.11: Erstes Keplersches Gesetz

Während Kometenbahnen stark elliptisch sind, weichen die Planetenbahnen in unserem Sonnensystem nur wenig von einer Kreisbahn ab. Die Exzentrizität einer Bahn gibt an, wie stark ihre Form von einem Kreis abweicht. Ein Kreis hat eine Exzentrizität von 0, die der abgebildeten Ellipse 0,8. Die Erde hat lediglich eine Exzentrizität von 0,017 – ist also fast kreisförmig, so wie die meisten Planetenbahnen in unserem Sonnensystem (Bild 6.12).

Bahnen der äußeren Planeten

Bild 6.12: Bahnen der äußeren Planeten

Links:

6.2.2 Zweites Keplersches Gesetz (Flächensatz)

Wenn sich ein Planet um die Sonne bewegt, dann ist seine Geschwindigkeit entlang der elliptischen Bahn nicht konstant (Bild 6.13). Je näher sich der Planet an der Sonne befindet, desto schneller bewegt er sich auf seiner Bahn. Am sonnennächsten Punkt (Perihel) hat er die größte Geschwindigkeit und am sonnenfernsten Punkt (Aphel) die kleinste Geschwindigkeit.

Bahngeschwindigkeit eines Planeten während eines Umlaufs

Bild 6.13: Bahngeschwindigkeit eines Planeten während eines Umlaufs

Neben dieser Erkenntnis fand Johannes Kepler noch einen weiteren Zusammenhang zwischen der Entfernung von der Sonne und der Geschwindigkeit des Planeten, das 2. Keplersches Gesetz (Flächensatz) (engl. Kepler’s Second Law - The Law of Equal Areas in Equal Time):

Die Strecke Planet-Sonne überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.

In Bild 6.14 haben die eingezeichneten Ellipsensektoren – trotz unterschiedlicher Form – alle dieselbe Fläche \(A\). Die Zeit \(t\) in der sie durch die Bewegung des Planeten entstanden sind, ist ebenfalls für alle drei Sektoren gleich.

Flächensatz nach Kepler

Bild 6.14: Flächensatz nach Kepler

Links:

6.2.3 Herleitung des 2. Keplerschen Gesetzes

In diesem Abschnitt leiten wir das zweite Keplersche Gesetz (Flächensatz) mithilfe des Drehimpulserhaltungssatzes her. Zunächst betrachten wir den Drehimpuls einer Masse auf einer elliptischen Bahn (Bild 6.15).

Drehimpuls eines Körpers auf einer elliptischen Umlaufbahn

Bild 6.15: Drehimpuls eines Körpers auf einer elliptischen Umlaufbahn

Eine Masse \(m\) befindet sich im Abstand \(\vec{r}\) vom Drehzentrum \(O\) entfernt. Bewegt sie sich mit der Geschwindigkeit \(\vec{v}\), dann lautet ihr Bahndrehimpuls:

\[ \vec{L} = m\cdot \vec{r}\times \vec{v} \]

Schließen Radiusvektor und Geschwindigkeitsvektor den Winkel \(\varphi\) ein, lässt sich der Betrag des Kreuzprodukts mithilfe des Sinus des Winkels berechnen.

\[\begin{align} L = {} & m\cdot r\cdot v\cdot\sin(\varphi) \qquad\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{m}\\ \frac{L}{m} = {} & r\cdot v\cdot\sin(\varphi) \tag{6.1} \\ \end{align}\]

Betrachten wir jetzt den Flächenzuwachs der überstrichenen Fläche (Bild 6.16).

Flächenzuwachs der vom Radius \(r\) überstrichenen Fläche

Bild 6.16: Flächenzuwachs der vom Radius \(r\) überstrichenen Fläche

Wählen wir einen sehr kurze Zeitspanne \(\Delta t\) dann gilt:

  • Der Winkel \(\varphi\) ändert sich kaum (\(\varphi(t)\approx \varphi(t+\Delta t)\)).
  • Die Länge des Ellipsenbogens \(b\) ist ungefähr so groß wie die Strecke \(\Delta s\).

Die Fläche \(\Delta A\) hat die Form eines allgemeinen Dreiecks. Für die Berechnung des Flächeninhalts verwenden wir die Dreiecksseite \(r\) und ihre Höhe \(h_r\). Dann lautet der Flächeninhalt:

\[ \Delta A = \frac{1}{2}\cdot r\cdot h_r \]

Die Höhe \(h_r\) und die Wegänderung \(\Delta s\) bilden ein rechtwinkeliges Dreieck. Damit können wir die Höhe über den Sinus des Winkels \(\varphi\) ausdrücken:

\[ \sin(\varphi) = \frac{h_r}{\Delta s} \quad\Leftrightarrow\quad h_r = \Delta s\cdot\sin(\varphi) \]

Der Flächeninhalt lautet jetzt:

\[ \Delta A = \frac{1}{2}\cdot r\cdot \Delta s \cdot\sin(\varphi) \]

Für die Änderung des Flächeninhalts pro Zeit dividieren wir beide Seiten durch \(\Delta t\):

\[ \begin{aligned} \frac{\Delta A}{\Delta t} = {} & \frac{1}{2}\cdot r\cdot \frac{\Delta s}{\Delta t} \cdot\sin(\varphi) \\ = {} & \frac{1}{2}\cdot r\cdot v \cdot\sin(\varphi) \\ \end{aligned} \]

Ersetzen wir auf der rechten Seite den Ausdruck durch den Quotienten aus Drehimpuls und Masse (Gleichung (6.1)) erhalten wir:

\[ \begin{aligned} \frac{\Delta A}{\Delta t} = {} & \frac{1}{2}\cdot r\cdot v \cdot\sin(\varphi) \\ \frac{\Delta A}{\Delta t} = {} & \frac{1}{2}\cdot \frac{L}{m} = \text{const.}\\ \end{aligned} \]

Nach dem Drehimpulserhaltungssatz ist der Gesamtdrehimpuls \(L\) konstant. Da sich auch die Masse \(m\) nicht ändert, ist der gesamte Ausdruck (\(L/m\)) auf der rechten Seite konstant und damit auch die Flächenänderung pro Zeitschritt, wie im zweiten Keplerschen Gesetz behauptet.

Beachte, dass der Drehimpulserhaltungssatz besagt, dass sowohl der Betrag als auch die Richtung des Drehimpulses sich mit der Zeit nicht ändern. Damit bleibt auch die Bahnebene des Trabanten um den Zentralkörper ohne äußere Einflüsse unverändert. Der Drehimpulserhaltungssatz liefert damit sogar eine genauere Aussage als der Flächensatz von Johannes Kepler.

Die Herleitung des Flächensatzes aus der Impulserhaltung ist heute relativ einfach. Um 1600, als Johannes Kepler den Flächensatz entdeckte, war der Drehimpulserhaltungssatz noch unbekannt. Er fand diesen Zusammenhang nur durch Auswertung von Beobachtungsdaten.

6.2.4 Länge der Jahreszeiten

Eine Folge des Flächensatzes ist, dass die beiden Jahreshälften auf der Erde nicht gleich lang sind. Frühling und Sommer haben zusammen 186 Tage, während Herbst und Winter zusammen nur 179 Tage ergeben. Darum ist der Februar auch kürzer als andere Monate. In unserem Winter (Nordwinter) befinden wir uns der Sonne am nächsten und die Erde bewegt sich am schnellsten um die Sonne (Bild 6.17). Daraus folgt aber auch, dass die Entfernung der Sonne nichts mit der Entstehung der Jahreszeiten zu tun haben kann – dafür ist die Neigung der Erdachse zu ihrer Bahnebene um die Sonne (Ekliptikebene) verantwortlich.

Entstehung der Jahreszeiten

Bild 6.17: Entstehung der Jahreszeiten

6.2.5 Drittes Keplersches Gesetz

Schließlich entdeckte Johannes Kepler noch ein weiteres Gesetz. Das 3. Keplersches Gesetz (engl. Kepler’s Third Law - The Law of Harmony) besagt:

Das Verhältnis von zweiter Potenz der Umlaufzeit zu dritter Potenz der großen Bahn-Halbachse ist für alle Planeten eines Sonnensystems gleich.
Drittes Keplersches Gesetz

Bild 6.18: Drittes Keplersches Gesetz

Dieses Gesetz als Formel aufgeschrieben lautet:

\[\begin{equation} \frac{T_1^{2}}{a_1^{3}} = \frac{T_2^{2}}{a_2^{3}} = \ldots = C \tag{6.2} \end{equation}\]

Dabei sind \(T_1, T_2, \ldots\) die Umlaufzeiten des ersten, zweiten,… Planeten und \(a_1, a_2, \ldots\) die großen Halbachsen der Bahnellipsen des ersten, zweiten,… Planeten in einem Sonnensystem. Die Konstante \(C\) wird auch Kepler-Konstante genannt.

3. Keplersches Gesetz für die Planeten unseres Sonnensystems

Bild 6.19: 3. Keplersches Gesetz für die Planeten unseres Sonnensystems

In Bild 6.19 sind die Verhältnisse für die Planeten unseres Sonnensystems in einem Diagramm zusammengefasst. Für jedes beliebige Objekt, das unsere Sonne umkreist (zum Beispiel auch Kometen), müssen die Werte von Umlaufzeit und großer Halbachse auf dieser gedachten Geraden im Diagramm liegen.

Bitte beachte, dass die Achsen im Diagramm nicht linear sind, sondern sowohl für die Umlaufzeit als auch für die große Halbachse eine logarithmische Achsenbeschriftung verwendet wurde! Nur durch dieses logarithmische Stauchen der Achsen entsteht im Diagramm eine Gerade durch die Datenpunkte.

Das dritte Keplersche Gesetz wird im Abschnitt Kepler-Konstante aus dem Newtonschen Gravitationsgesetz hergeleitet. Zu jener Zeit war das Gravitationsgesetz aber noch unbekannt, und Johannes Kepler hat diesen erstaunlichen Zusammenhang nur durch Auswerten von astronomischen Beobachtungsdaten gefunden – eine Meisterleistung.

6.2.6 Anwendungsbeispiel: Drittes Keplersches Gesetz

Das 3. Keplersches Gesetz gestattet es zum Beispiel, die Entfernung eines Planeten vom Zentralgestirn zu berechnen, wenn dessen Umlaufzeit und die Umlaufzeit und Länge der großen Halbachse eines beliebigen anderen Planeten in einem Sonnensystem bekannt sind.

Als Beispiel möchten wir den Bahnradius des Mars abschätzen. In der folgenden Berechnung nehmen wir kreisförmige Bahnen für Mars und Erde an. Die großen Halbachsen der Bahnellipsen entsprechen dann den Radien von Kreisen. Die Umlaufzeit der Erde beträgt 1 Jahr (\(T_{\text{Erde}} = 1\;\mathrm{a}\)) und der mittlere Bahnradius der Erde beträgt 1 Astronomische Einheit (\(a_{\text{Erde}} = 1\;\text{AE}\)), das entspricht rund \(1{,}5\cdot10^{11}\;\text{m}\). Aus Beobachtungen kennen wir außerdem die Umlaufzeit des Mars (\(T_{\text{Mars}} = 1{,}88\;\mathrm{a}\)). Nach dem 3. Keplersches Gesetz gilt:

\[ \frac{T_\text{Mars}^{2}}{a_\text{Mars}^{3}} = \frac{T_\text{Erde}^{2}}{a_\text{Erde}^{3}} \]

Für den Bahnradius des Mars gilt dann:

\[ a_\text{Mars}^{3} = a_\text{Erde}^{3}\cdot\left(\frac{T_\text{Mars}}{T_\text{Erde}}\right)^{2} \]

und

\[ a_\text{Mars} = a_\text{Erde}\cdot \sqrt[3]{ \left(\frac{T_\text{Mars}}{T_\text{Erde}}\right)^{2} } \]

Einsetzen der Werte liefert:

\[ a_\text{Mars} = 1\;\text{AE}\cdot \sqrt[3]{ \left(\frac{1{,}88\;\mathrm{a}}{1\;\mathrm{a}}\right)^{2} } = 1{,}52\;\mathrm{AE} = 2{,}3\cdot10^{11}\;\text{m} \]

Verfasst von Menschen, nicht von KI Creative Commons / Namensnennung-Share Alike 4.0
Durch die Nutzung dieser Website erklärst du dich mit der Datenschutzerklärung einverstanden.