4.8 Hangabtriebskraft

In einem früheren Kapitel hast du schon die Gewichtskraft kennengelernt.

Snowboarder beim Ausnützen der Hangabtriebskraft

Bild 4.57: Snowboarder beim Ausnützen der Hangabtriebskraft

In diesem Kapitel geht es um die Hangabtriebskraft, die Rodler, Skifahrer und Snowboarder beschleunigt (Bild 4.57) und ihr Zusammenhang mit der Gewichtskraft.

4.8.1 Nur ein Teil der Gewichtskraft

Befindet sich ein Snowboarder im ebenen Gelände, sind Gewichtskraft und Normalkraft gleich groß und heben einander auf. Der Snowboarder erfährt keine Beschleunigung (Bild 4.58, links). Im freien Fall wird der Körper durch die Gewichtskraft beschleunigt. Das entspricht in unserem Beispiel einer senkrechten Wand – es wirkt keine Normalkraft, der Boden ist bedeutungslos (Bild 4.58, rechts).

Gewichtskraft und Hangabtriebskraft

Bild 4.58: Gewichtskraft und Hangabtriebskraft

Beide beschriebenen Fälle sind natürlich Extremfälle. Üblicherweise erleben wir im Gelände ein Mittelding – ein Teil der Gewichtskraft sorgt für eine Beschleunigung hangabwärts und ein Teil der Gewichtskraft sorgt für die Normalkraft auf die Unterlage und damit für die Reibung zwischen Lauffläche und Piste. Die Gewichtskraft kann in zwei Teilkräfte zerlegt werden, um die unterschiedlichen Wirkungen zu beschreiben. Die Kraftkomponente, die entlang des Hanges wirkt, wird als Hangabtriebskraft (engl. downhill force) bezeichnet.

4.8.2 Hangabtriebskraft grafisch ermitteln

Für die grafische Bestimmung von Hangabtriebskraft und Normalkraft auf einer schiefen Ebene sind folgende Voraussetzungen wichtig:

  1. Die Hangabtriebskraft verläuft immer parallel zum Boden.
  2. Die Normalkraft verläuft immer normal zum Boden.
  3. Die (Vektor-)Summe aus Hangabtriebskraft und Normalkraft muss die Gewichtskraft ergeben.

In der interaktiven Abbildung 4.59 siehst du die Schritte, die zur Konstruktion der beiden Kraftkomponenten führen.

Interaktive Abbildung zur Konstruktion der Hangabtriebskraft

Bild 4.59: Interaktive Abbildung zur Konstruktion der Hangabtriebskraft

Zunächst zeichnest du Hilfslinien für die Richtungen der Kraftkomponenten (parallel und normal zur schiefen Ebene) und dann ergänzt du das Kräfteparallelogramm mit der Gewichtskraft als Diagonale. Da die Richtungen in diesem Fall normal aufeinander stehen, wird das Kräfteparallelogramm zu einem Rechteck.

4.8.3 Hangabtriebskraft berechnen

Um die Kraftkomponenten bei einem bestimmten Steigungswinkel der Ebene zu berechnen, benötigen wir die Winkelfunktionen.

Interaktive Abbildung zur Berechnung der Hangabtriebskraft

Bild 4.60: Interaktive Abbildung zur Berechnung der Hangabtriebskraft

In der Abbildung kannst du erkennen, wo der Steigungswinkel der Ebene noch überall vorkommt. Aus den Definitionsgleichungen für Sinus und Kosinus ergeben sich für die Längen der Komponenten folgende Gleichungen:

\[\begin{align} F_{HA} = {} & F_{G} \cdot \sin(\alpha) \tag{4.9} \\ F_{N} = {} & F_{G} \cdot \cos(\alpha) \tag{4.10} \end{align}\]

4.8.4 Anwendungsbeispiel: Hangabtriebskraft

Zwei Massen sind über eine feste Rolle mit einem Seil verbunden (Bild 4.61). Auf der linken Seite befindet sich ein Körper mit der Masse \(m = 4\;\mathrm{kg}\) auf einer schiefen Ebene, die um den Winkel \(\alpha = 30^\circ\) gegen den Horizont geneigt ist. Auf der rechten Seite befindet sich ein frei hängendes Gewicht mit der Masse \(m'\). Berechne, wie groß die Masse \(m'\) gewählt werden muss, damit beide Körper im Gleichgewicht sind (Vernachlässige jede Form von Reibung).

Zwei Körper im Gleichgewicht

Bild 4.61: Zwei Körper im Gleichgewicht

Das Seil, das über die Rolle gespannt ist, lenkt Kräfte nur um, ändert ihre Größe aber nicht (feste Rolle). Sie kann für den Rest der Rechnung vernachlässigt werden. Betrachten wir zunächst die Kräfte auf der linken Seite (Bild 4.62).

Kräfte auf den linken Körper

Bild 4.62: Kräfte auf den linken Körper

Die Gewichtskraft \(F_\text{G}\) teilt sich auf zwei Kraftkomponenten auf: die Normalkraft \(F_\text{N}\) normal zur Unterlage und die talwärts gerichtete Hangabtriebskraft \(F_\text{D}\). Die Normalkraft \(F_\text{N}\) und die Bodenkraft \(-F_\text{N}\) heben einander immer gerade auf und beide Kräften müssen im weiteren Verlauf der Rechnung nicht mehr berücksichtigt werden. Es bleibt die Hangabtriebskraft:

\[ \begin{aligned} F_\text{D} = {} & F_\text{G} \cdot \sin(\alpha) \\ = {} & m \cdot g \cdot \sin(\alpha) \\ \end{aligned} \]

Diese Hangabtriebskraft muss durch eine gleich große entgegengerichteten Seilkraft \(F_\text{T} = -F_\text{D}\) auf der rechten Seite ausgeglichen werden. Am Seilstück auf der rechten Seite muss die Gewichtskraft \(F'_\text{G}\) der Masse \(m'\) für diese Seilkraft sorgen.

\[ \begin{aligned} m'\cdot g = {} & F'_\text{G} &&\qquad\Bigr\rvert\cdot\frac{1}{g} \\ m' = {} & \frac{F'_\text{G}}{g} \\ m' = {} & \frac{m \cdot\cancel{g} \cdot \sin(30^\circ)}{\cancel{g}} \\ m' = {} & 4\;\mathrm{kg} \cdot 0{,}5 \\ m' = {} & 2\;\mathrm{kg} \end{aligned} \]

Wählen wir eine Masse der Größe \(m'=2\;\mathrm{kg}\), bleibt die Anordnung sogar bei reibungsfreien Oberflächen im Gleichgewicht. Außerdem ist das Ergebnis unabhängig von der örtlichen Fallbeschleunigung.

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