13.15 Wechselstromwiderstände
In Bild 13.183 siehst du Lautsprecher-Sets in einem Regal. Sie bestehen aus einem großen Basslautsprecher und mehreren kleinen Lautsprechern. Was diese mit Wechselstromwiderständen zu tun haben, erfährst du am Kapitelende.
In früheren Kapiteln haben wir schon ausführlich Gleichstromkreise untersucht. Die Steckdose bei dir zu Hause liefert aber Wechselspannung mit einer Frequenz von \(50\;\mathrm{Hz}\) (Technisches Stromnetz). Was ändert sich dadurch?
Einige Gesetzmäßigkeiten, wie zum Beispiel das Ohmsche Gesetz, die Formel für die elektrische Leistung oder die Kirchhoffschen Gesetze behalten auch in Wechselstromkreisen ihre Gültigkeit bei und wir können sie weiter verwenden. In Wechselstromkreisen müssen wir allerdings berücksichtigen, dass Spannung und Stromstärke zeitabhängige Größen sind. Während für einen Widerstand (Bauteil) Gleich- oder Wechselstrom keinen Unterschied macht, ist das Verhalten von Kondensator und Spule bei unterschiedlichen Stromarten völlig anders. Zusätzlich kann es noch zu einer Phasenverschiebung zwischen Spannung und Stromstärke kommen, was uns schließlich zum Begriff der Impedanz führt.
In der Wechselstromtechnik ist es üblich, für zeitabhängige Größen Kleinbuchstaben und für zeitunabhängige Größen Großbuchstaben zu verwenden.
13.15.1 Widerstand im Wechselstromkreis
In Bild 13.184 siehst du einen einfachen Wechselstromkreis mit Wechselspannungsquelle und einem Widerstand.
Das Ohmsche Gesetz gilt auch für Wechselspannung. Liefert die Spannungsquelle eine sinusförmige Wechselspannung
\[ u(t) = U_{\textrm{S}}\cdot\sin(\omega\cdot t) \]
mit der Spitzen- oder Scheitelspannung \(U_\text{max}\) (engl. peak voltage; höchster Spannungswert während einer Periode) dann gilt für die zeitabhängigen Stromstärke
\[ \begin{aligned} i(t)= {} & \frac{u(t)}{R} \\ = {} & \frac{U_{\textrm{S}}}{R}\cdot\sin(\omega\cdot t) \\ \end{aligned} \]
Und mit der Spitzenstromstärke \(I_{\textrm{S}}=U_{\textrm{S}}/R\) (engl. peak current):
\[ i(t) = I_{\textrm{S}}\cdot\sin(\omega\cdot t) \]
Zeichnest du Spannung und Stromstärke mit einem Oszilloskop auf, erhältst du das Bild 13.185 (b). Da wir senkrecht sowohl Spannung (Einheit: Volt) als auch Stromstärke (Einheit: Ampere) auftragen, haben wir diese Achse nicht beschriftet.
Der Strom folgt der Spannungskurve ohne Verzögerung. Die Phasenverschiebung beider Kurven ist daher null (\(\Delta\varphi = 0\)).
Die Kurven kannst du dir wieder als Schattenwurf zweier gleichgerichteter Zeiger unterschiedlicher Länge vorstellen, die mit der Kreisfrequenz \(\omega\) gegen den Uhrzeigersinn drehen (Zeigerdiagramm (engl. phasor diagram), Bild 13.185 (a)).
13.15.2 Effektivwerte
In Bild 13.186 siehst du eine Glühlampe, die mit drei unterschiedlichen Spannungsarten betrieben wird. Mit Gleichspannung (links), mit einer rechteckförmigen Wechselspannung (Mitte) und mit einer sinusförmigen Wechselspannung (rechts). Die Größe der Wechselspannungen wurden dabei so gewählt, dass die Glühlampe immer gleich hell leuchtet. Daraus schließen wir, dass die (mittlere) elektrische Leistung im Verbraucher in allen drei Fällen Verbrauchern gleich groß ist.
An den Oszilloskop Bildern kannst du erkennen, dass bei gleicher elektrischer Leistung der Spitzenwert \(U_\text{max}\) von der Kurvenform der Wechselspannung abhängig ist. Während der Spitzenwert der rechteckigen Spannung gleich groß der Spannung im Gleichstromkreis ist, muss der Spitzenwert der sinusförmigen Wechselspannung deutlich größer sein, um dieselbe Wärmewirkung in der Glühlampe zu bewirken.
Um die Leistung von Wechselströmen unterschiedlicher Wellenform mit der Leistung von Gleichstrom vergleichen zu können, führen wir den Begriff des Effektivwerts (engl. RMS value oder root mean square value) ein:
Eine Wechselspannung \(u(t)\) mit dem Effektivwert \(U_\text{eff}\) hat dieselbe (mittlere) Wärmewirkung, wie eine Gleichspannung mit dem derselben Spannung. |
Damit lässt sich die mittlere elektrische Leistung einfach als Produkt der Effektivwerte berechnen, ohne, dass wir den genauen Verlauf der Spannungskurve kennen müssen:
\[ \overline{P} = U_\text{eff} \cdot I_\text{eff} \]
Zum Beispiel ist für eine rechteckige Wechselspannung der Effektivwert \(U_\text{eff}\) gleich dem Spitzenwert \(U_\text{max}\), während für eine sinusförmige Wechselspannungen \(U_\text{eff} = U_\text{max}/\sqrt{2}\) gilt.
Der bei Steckdosen angegebene Wert von \(230\;\mathrm{V}\) entspricht der Effektivspannung. Der Scheitelwert der Steckdosenspannung liegt um den Faktor \(\sqrt{2}\) darüber! Die momentane Spannung schwankt daher bei uns im technischen Stromnetz zwischen den Werten \(+325{,}26\ldots\;\mathrm{V}\) und \(325{,}26\ldots\;\mathrm{V}\).
Auch alle Messgeräte zeigen im Wechselspannungsbereich für Spannung und Stromstärke die Effektivwerte \(U_\text{eff}\) und \(I_\text{eff}\) an.
13.15.3 Herleitung Effektivwert sinusförmiger Wechselspannung
Befindet sich ein Widerstand (Bauteil) oder eine Glühlampe in einem Wechselstromkreis, gibt es keine Phasenverschiebung zwischen Spannungs- und Stromkurve. Mit dem Ohmschen Gesetz gilt daher für die momentane Leistung:
\[ \begin{aligned} P(t) = {} & u(t)\cdot i(t) \\ = {} & u(t)\cdot \frac{u(t)}{R} \\ = {} & \frac{(u(t))^2}{R} \\ = {} & \frac{(U_\text{max}\cdot \sin (\omega \cdot t))^2}{R} \\ = {} & \frac{U_\text{max}^2}{R}\cdot \sin^2 (\omega \cdot t) \\ \end{aligned} \]
Für die Leistungskurve erhalten wir eine Sinusquadrat-Kurve mit der Spitzenleistung \(P_\text{max} = U_\text{max}^2/R\). Die verrichtete elektrische Arbeit \(W\) ist als Flächeninhalt unter der Leistungskurve sichtbar (Bild 13.187). Die Werte von Spannung und Stromstärke sind immer zu selben Zeit negative – daher ist der Wert der Leistung zu allen Zeiten positiv.
Die Sinusquadrat-Kurve hat eine besonders schöne geometrische Eigenschaft, mit der wir die Fläche unter der Kurve in ein flächengleiches Rechteck überführen können (Bild 13.188): Zerschneiden wir die Kurve genau in der halben Höhe und nach einer Viertelperiode erhalten wir vier Teile (a,a,b,b). Verdrehen und verschieben wir die oberen zwei Teile, passen sie exakt in die „Lücken“ der unteren Hälfte. Alle vier Flächenteile zusammen ergeben also eine rechteckige Fläche mit der halben Höhe.
Für eine halbe Periode ist die mittlere Leistung \(\overline{P}\) genau gleich der Hälfte der Spitzenleistung \(P_\text{max}\). Für die Spannung in diesem Zeitraum gilt daher:
\[ \begin{aligned} \overline{P} = {} & \frac{1}{2}\cdot P_\text{max} \\ \frac{U_\text{eff}^2}{R} = {} & \frac{1}{2}\cdot \frac{U_\text{max}^2}{R} &&\qquad\Bigr\rvert\cdot R\\ U_\text{eff}^2 = {} & \frac{1}{2}\cdot U_\text{max}^2 &&\qquad\Bigr\rvert\sqrt{(\dots)} \\ U_\text{eff} = {} & \frac{1}{\sqrt{2}}\cdot U_\text{max} \\ \end{aligned} \]
Eine sinusförmige Wechselspannung mit dem Scheitelwert \(U_\text{max}\) liefert über einen längeren Zeitraum dieselbe Leistung wie ein Gleichstrom mit der Spannung \(U_\text{max}/\sqrt{2} = 0{,}70\ldots\cdot U_\text{max}\).
13.15.4 Kapazitiver Widerstand
Befindet sich ein Kondensator in einem Gleichstromkreis, wird dieser zunächst geladen und es fließt ein kurzfristiger Ladestrom. Danach kommt es zu keinem weiteren Stromfluss. Langfristig bildet ein Kondensator ein unüberwindliches Hindernis für einen Gleichstrom. Er verhält sich wie ein unendlich großer Widerstand (\(R=\infty\)).
Ganz anders verhält sich ein Kondensator in einem Wechselstromkreis (Bild 13.189). Da sich jede halbe Periode die Stromrichtung ändert, kommt es zu einem ständigen Lade- und Entladestrom! Dieser Stromfluss wird von zwei Faktoren beeinflusst:
Kapazität \(C\) des Kondensators: Je größer die Kapazität, desto mehr Elektronen passen auf den Kondensator, desto mehr können pro Lade/Entladezyklus hin- und herwandern und desto größer ist der Gesamtstrom.
(Kreis)Frequenz \(\omega\) des Wechselstromes: Je größer die Frequenz, desto mehr Lade- und Entladezyklen gibt es pro Sekunde und desto größer der Gesamtstrom.
Für den Strom gilt:
\[ I_\text{eff} = \omega\cdot C\cdot U_\text{eff} = \frac{1}{X_\text{C}}\cdot U_\text{eff} \]
In Analogie zum ohmschen Widerstand definieren wir den kapazitiven Widerstand \(X_\text{C}\) (engl. capacitive reactance), der beschreibt, wie stark der Stromfluss in einem Wechselstromkreis behindert wird:
\[ X_\text{C} = \frac{1}{\omega\cdot C} \tag{13.39} \] |
Wie beim ohmschen Widerstand wird auch der kapazitive Widerstand in der Einheit Ohm (\(\Omega\)) angegeben. Mithilfe dieser Definition können wir die Größe des Effektivstroms gleich dem Ohmschen Gesetz anschreiben:
\[ X_\text{C} = \frac{U_\text{eff}}{I_\text{eff}} = \frac{U_\text{max}}{I_\text{max}} \]
13.15.5 Phasenverschiebung Kapazität
Während es beim ohmschen Widerstand Spannungs- und Stromkurve gleichphasig sind, eilt beim kapazitiven Widerstand die Stromstärke der Spannung eine Viertelperiode (\(\pi/2\) oder \(90^\circ\)) voraus (Bild 13.190). Merkhilfe: Beim Kondensator geht der Strom vor.
Aber wie kann es einen Strom geben, bevor noch eine Spannung da ist? Kann es nicht! Lässt die Spannung der Spannungsquelle nach, übernimmt die Spannung des geladenen Kondensators und treibt die Elektronen weiter an. Aber beim Entladen bewegen sich die Elektronen gegen ihre ursprüngliche Stromrichtung. Die Stromrichtung ist daher in diesem Bereich negativ (grau hinterlegter Abschnitt in Bild 13.190). Wenn du dir die Verhältnisse gleich nach dem Einschalten ansiehst (Bild 13.191), erkennst du, dass beide Kurven bei null beginnen. Zunächst muss der Kondensator einmal geladen werden, erst danach (nach dem „Einschwingvorgang“) eilt der Strom der Spannung der Spannungsquelle eine Viertelperiode voraus.
Die Kurven kannst du dir wieder als Schattenwurf zweier Zeiger unterschiedlicher Länge vorstellen, die mit der Kreisfrequenz \(\omega\) gegen den Uhrzeigersinn drehen (Zeigerdiagramm (Bild 13.190 (a)). Im Falle eines Kondensators ist der Stromzeiger gegenüber dem Spannungszeiger um \(90^\circ\) nach links (also gegen den Uhrzeigersinn) verdreht.
13.15.6 Herleitung kapazitiver Widerstand
Bisher haben wir den kapazitiven Widerstand nur beschrieben und uns sein Phasenverhalten plausibel gemacht. Wir leiten jetzt die Stromkurve eines Kondensators für eine sinusförmige Wechselspannung
\[ u(t)= U_0 \cdot \sin(\omega \cdot t) \]
her. Für die Kapazität \(C\) eines Kondensators gilt der Zusammenhang:
\[ C = \frac{Q}{U} \qquad\text{bzw.}\qquad Q= C\cdot U \]
Allerdings ist die Ladungsmenge Q auf dem Kondensator und die Spannung U in diesem Fall zeitabhängige Größen, daher verwenden wir Kleinbuchstaben.
\[ \begin{aligned} q = {} & C\cdot u \qquad\Bigr\rvert\cdot \frac{d}{dt} \\ \frac{dq}{dt} = {} & C\cdot \frac{du}{dt} \qquad\Bigr\rvert\quad i = \frac{dq}{dt} \\ i = {} & C\cdot \frac{du}{dt} \\ \end{aligned} \]
Für die Herleitung der Stromkurve benötigen wir die Differenzialrechnung. Setzen wir die Spannungsfunktion in die gleichung oben ein und leiten nach der Zeit ab, erhalten wir die Funktion der Stromkurve:
\[ \begin{aligned} i = {} & C\cdot \frac{d}{dt} (U_0 \cdot \sin(\omega \cdot t)) \\ = {} & C\cdot U_0 \cdot \frac{d}{dt} \sin(\omega \cdot t) \\ = {} & C\cdot U_0 \cdot \omega \cdot \cos(\omega \cdot t)\qquad\Bigr\rvert\quad I_0 = C\cdot U_0 \cdot \omega \\ = {} & I_0 \cdot \cos(\omega \cdot t)\qquad\Bigr\rvert\quad \cos(\ldots) = \sin(\ldots+\frac{\pi}{2}) \\ = {} & I_0 \cdot \sin(\omega \cdot t+\frac{\pi}{2}) \\ \end{aligned} \]
Die Stromkurve ist daher ebenfalls sinusförmig und eilt der Spannungskurve um eine Viertelperiode voraus.
13.15.7 Induktiver Widerstand
Befindet sich eine Spule in einem Gleichstromkreis, wird zu Beginn der Stromfluss durch Selbstinduktion behindert. Sobald die Stromstärke auf ihre maximale Größe angewachsen ist, gibt es keine Behinderung des Stromflusses durch die Spule. Langfristig verhält sich eine Spule im Gleichstromkreis also wie ein Bauteil mit dem elektrischen Widerstand null (\(R=0\)).
Ganz anders verhält sich ein Kondensator in einem Wechselstromkreis (Bild 13.192). Da sich ständig die Spannung ändert, kommt es auch ständig zu einer Flussänderung und damit ständig zu einer Selbstinduktion und die Spule beeinträchtigt den Stromfluss daher ständig. Dieser Stromfluss wird von zwei Faktoren beeinflusst:
Induktivität \(L\) der Spule: Je größer die Induktivität, desto größer ist ihr Widerstand gegen Änderungen des Stromflusses und desto kleiner ist der Gesamtstrom.
(Kreis)Frequenz \(\omega\) des Wechselstromes: Je größer die Frequenz, desto größer die Flussänderung pro Sekunde und auch die Selbstinduktion, die dem Stromfluss entgegenwirkt. Mit steigender Frequenz sinkt also der Gesamtstrom.
Für das Verhalten der Induktivität bei Wechselspannung gibt es eine sehr anschauliche Analogie aus der Mechanik. Deine Aufgabe ist es, eine Hantel in einer vorgegebenen Frequenz vor- und zurückzubewegen. Die Induktivität der Spule entspricht dabei der Masse der Hantel. Je größer die verlangte Frequenz, desto kleiner wird die Amplitude deiner Bewegung und damit die Gesamtbewegung.
Für den Strom gilt:
\[ I_\text{eff} = \frac{1}{\omega\cdot L}\cdot U_\text{eff} = \frac{1}{X_\text{L}}\cdot U_\text{eff} \]
In Analogie zum ohmschen Widerstand definieren wir den induktiven Widerstand \(X_\text{L}\) (engl. inductor), der beschreibt, wie stark der Stromfluss in einem Wechselstromkreis behindert wird:
\[ X_\text{L} = \omega\cdot L \tag{13.40} \] |
Wie beim ohmschen Widerstand wird auch der induktive Widerstand in der Einheit Ohm (\(\Omega\)) angegeben. Mithilfe dieser Definition können wir die Größe des Effektivstroms gleich dem Ohmschen Gesetz anschreiben:
\[ X_\text{L} = \frac{U_\text{eff}}{I_\text{eff}} = \frac{U_\text{max}}{I_\text{max}} \]
13.15.8 Phasenverschiebung Induktivität
Während es beim ohmschen Widerstand Spannungs- und Stromkurve gleichphasig sind, eilt beim kapazitiven Widerstand die Stromstärke der Spannung eine Viertelperiode (\(-\pi/2\) oder \(-90^\circ\)) hinterher (Bild 13.193). Merkregel: Bei der Induktivität kommt er Strom zu spät.
Nach der Lenzschen Regel ist die Induktionsspannung immer ihrer Ursache entgegengesetzt. Sinkt die Spannung der Spannungsquelle, hält die Selbstinduktion der Spule den Stromfluss noch für eine kurze Zeit aufrecht.
Die Kurven kannst du dir wieder als Schattenwurf zweier Zeiger unterschiedlicher Länge vorstellen, die mit der Kreisfrequenz \(\omega\) gegen den Uhrzeigersinn drehen (Zeigerdiagramm (Bild 13.193 (a)). Im Falle einer Spule ist der Stromzeiger gegenüber dem Spannungszeiger um \(90^\circ\) nach rechts (also im Uhrzeigersinn) gedreht.
13.15.9 Herleitung induktiver Widerstand
Bisher haben wir den induktiven Widerstand nur beschrieben und uns sein Phasenverhalten plausibel gemacht. Wir leiten jetzt die Stromkurve einer Spule für eine sinusförmige Wechselspannung der Form
\[ u(t)= U_0 \cdot \sin(\omega \cdot t) \]
her. Wir gehen bei der Herleitung von einer idealen Spule (ohne elektrischen Widerstand) aus. Jede an der Spule abgegriffene Spannung muss dann durch Selbstinduktion entstehen:
\[ u_\mathrm{L} = - L\cdot \frac{di}{dt} \]
Nach der Maschenregel muss die Summe aller Spannungen innerhalb eines geschlossenen Stromweges null sein (Bild 13.192):
\[ \begin{aligned} u + u_L = {} & 0 \\ u - L\cdot\frac{di}{dt} = {} & 0 &&\qquad\Bigr\rvert +L\cdot\frac{di}{dt} \\ u = {} & L\cdot\frac{di}{dt} \\ \end{aligned} \]
Setzen wir die sinusförmige Wechselspannung ein, erhalten wir:
\[ \begin{aligned} L\cdot\frac{di}{dt} = {} & U_0 \cdot \sin(\omega \cdot t) &&\qquad\Bigr\rvert\cdot \frac{1}{L}\\ \frac{di}{dt} = {} & \frac{U_0}{L} \cdot \sin(\omega \cdot t)&&\qquad\Bigr\rvert\cdot dt \\ di = {} & \frac{U_0}{L} \cdot \sin(\omega \cdot t)\cdot dt \\ \end{aligned} \]
Integrieren beider Seiten liefert:
\[ \begin{aligned} \int 1\cdot di = {} & \int \frac{U_0}{L} \cdot \sin(\omega \cdot t)\cdot dt \\ i = {} & \frac{U_0}{L} \cdot \int \sin(\omega \cdot t)\cdot dt \\ i = {} & \frac{U_0}{L} \cdot \left(- \cos(\omega \cdot t)\cdot \frac{1}{\omega}\right) \\ i = {} & \frac{U_0}{\omega\cdot L} \cdot \left(- \cos(\omega \cdot t)\right) \qquad\Bigr\rvert\quad -\cos(\ldots) = \sin(\ldots-\frac{\pi}{2}) \\ i = {} & \frac{U_0}{\omega\cdot L} \cdot \sin(\omega \cdot t-\frac{\pi}{2}) \\ \end{aligned} \]
Mit der Abkürzung \(I_0 = U_0/(\omega\cdot L)\) erhalten wir die Stromkurve
\[ i = I_0 \cdot \sin(\omega \cdot t-\frac{\pi}{2}) \]
Die Stromkurve ist daher ebenfalls sinusförmig und hinkt der Spannungskurve um eine Viertelperiode hinterher.
13.15.10 Blindwiderstand
Im Abschnitt Effektivwerte haben wir uns die Leistungskurve für einen Widerstand (Bauteil) angesehen. Dort waren die Spannungs- und die Stromkurve gleichphasig. Wie wirkt sich die Phasenverschiebung bei Kondensator und Spule auf die Leistungskurve aus?
In Bild 13.194 siehst du die Leistungskurve für einen Kondensator, der mit sinusförmiger Wechselspannung betrieben wird. Die Flächeninhalte oberhalb der Achse werden positiv gezählt und entsprechen der Energie aus der Spannungsquelle, die an den Bauteil geliefert werden. Die Flächenteile unterhalb der Achse werden negativ gezählt und entsprechen der Energie, die von dem Bauteil an die Spannungsquelle geliefert wird. Der Kondensator „borgt“ sich sozusagen Energie der Spannungsquelle aus, um das Kondensatorfeld damit aufzubauen. Die gespeicherte elektrische Feldenergie des Kondensators wird eine Viertelperiode später wieder an die Spannungsquelle zurückgegeben.
Das gleiche Verhalten siehst du bei der Leistungskurve bei einer Spule, die mit Wechselspannung betrieben wird (Bild 13.195). Im Falle der Spule ist die Energie aus der Spannungsquelle als magnetische Feldenergie zwischengespeichert.
Eine Phasenverschiebung um eine Viertelperiode (egal ob plus oder minus) bewirkt, dass die Spannungskurve aus gleich großen Anteilen über- und unterhalb bestehen. Somit wird sowohl bei einem rein kapazitiven Widerstand als auch bei einem rein induktiven Widerstand die „ausgeborgte“ Energie vollständig zurückgegeben! Es wird daher keine Energie „verbraucht“ (zum Beispiel in Wärme umgewandelt).
Die für die irreversibel Umwandlung verantwortliche Leistung bei einem ohmschen Widerstand wird als Wirkleistung (engl. active power oder real power) bezeichnet. Im Gegensatz dazu wird die für die reversible Umwandlung verantwortliche Leistung als Blindleistung (engl. reactive power) bezeichnet. Der dabei fließende Strom zwischen den Bauteilen wird als Blindstrom (engl. reactive current) bezeichnet und die Bauteile Kondensator und Spule zusammen als Blindwiderstände (engl. electrical reactance).
13.15.11 Hoch- und Tiefpassfilter
Jedes gute Lautsprecher-System besteht aus mehreren Lautsprechern (Bild 13.183). Ein Lautsprecher, der Basslautsprecher (Tieftöner, Subwoofer), hat eine große Lautsprecher-Membran und gibt die tiefen Töne besonders gut wieder. Da wir die Richtung von tiefen Frequenzen nur schlecht orten können, genügt dafür ein einziger Lautsprecher. Für die Räumlichkeit sorgen mehrere kleine Lautsprecher, die für die Wiedergabe von hohen Frequenzen (Hochtöner, Satelliten) zuständig sind.
Damit jeder Lautsprecher nur die Frequenzen erhält, die er auch wiedergeben kann, befindet sich vor dem Basslautsprecher ein Tiefpassfilter und vor den Hochtönern ein Hochpassfilter.
Ein einfacher Hochpassfilter (engl. high-pass filter) besteht aus einer Schaltung mit einem einzigen Kondensator. Beim kapazitiven Widerstand sinkt der Widerstand mit der Frequenz und so können vor allem hohe Frequenzen zum Hochtöner passieren (Bild 13.196, a).
Ein einfacher Tiefpassfilter (engl. low-pass filter) besteht aus einer Schaltung mit einer einzigen Spule. Beim induktiven Widerstand steigt der Widerstand mit der Frequenz und damit können vor allem tiefe Frequenzen zum Tieftöner passieren (Bild 13.196, b).
Eine Schaltung, die einen Hochpassfilter und einen Tiefpassfilter vereint und die Frequenzen für unterschiedliche Lautsprecher trennt, wird Frequenzweiche (engl. audio crossover) genannt.