13.13 Elektrizität im Haushalt

Ab etwa 1880 wurden die ersten Betriebe und Haushalte mit elektrischer Energie versorgt. Mit der Zeit kamen immer mehr Elektrogeräte in unseren Haushalt, wie zum Beispiel der elektrische Kühlschrank oder der elektrische Herd (Bild 13.157).

Auswahl elektrischer Haushaltsgeräte in einem Museum

Bild 13.157: Auswahl elektrischer Haushaltsgeräte in einem Museum

Zu Beginn gab es viele Stromunfälle. Zum einen, weil es zunächst kaum Sicherheitseinrichtungen gab und zum anderen, weil viele über die Wirkung von elektrischem Strom nicht genau Bescheid wussten. Seit dieser Zeit hat sich viel geändert und die Verwendung von Strom im Haushalt ist heutzutage sehr sicher. Trotzdem passieren leider immer noch zum Teil tödliche Stromunfälle.

In diesem Kapitel erfährst du unter anderem, wie elektrischer Strom im Haushalt verteilt wird, welche Sicherheitsvorkehrungen moderne Anlagen besitzen und wie du elektrische Unfälle vermeiden kannst.

13.13.1 Steckdose

In Bild 13.158 siehst du eine Stromsteckdose (engl. power socket), wie du sie bei dir zu Hause an der Wand findest.

Kontakte bei einer Wandsteckdose

Bild 13.158: Kontakte bei einer Wandsteckdose

Die vier von außen erkennbaren Kontakte sind mit drei unterschiedlichen elektrischen Leitern verbunden:

  • Einer der beiden runden Kontakte ist mit dem Außenleiter L (umgangssprachlich auch „Phase“, engl. live conductor) verbunden. In Europa liegt am Außenleiter eine Netzspannung von \(230\;\mathrm{V}\). Die Isolierung des Außenleiters kann braun, schwarz oder grau sein.

  • Der andere runde Kontakt ist mit dem Neutralleiter N (engl. neutral conductor) verbunden und schließt mit dem Außenleiter den Stromkreis, wenn ein Gerät an der Steckdose in Betrieb genommen wird. Die Isolierung des Neutralleiters ist immer blau.

  • Die beiden Spangen oben und unten sind mit dem Schutzleiter PE (engl. protective earth) verbunden. Die Isolierung des Schutzleiters ist immer grün-gelb gestreift. Er schützt dein Leben im Falle eines defekten Elektrogeräts (Schutzerdung).

In den meisten europäischen Ländern findest du die symmetrische Steckdose aus Bild 13.158, bei denen der Stecker in zwei verschiedenen Stellungen angesteckt werden kann. Der spannungsführende Leiter (Außenleiter) kann sich entweder links oder rechts befinden, das lässt sich nur durch eine Messung mit einem Spannungsprüfer an dem jeweiligen Kontakt feststellen! In einigen anderen Ländern wie zum Beispiel Großbritannien sind asymmetrische Steckdosen üblich, bei denen der Stecker nur in einer bestimmten Orientierung eingesteckt werden kann. Bei diesen Steckdosen befindet sich der Außenleiter üblicherweise auf der rechten Seite der Steckdose.

13.13.2 Stromkreisverteiler

Alle Steckdosen in einem Haushalt führen zum Stromkreisverteiler (engl. distribution board, Bild 13.159), umgangssprachlich auch als „Stromkasten“ bezeichnet. Er befindet sich fast immer in der Nähe des Eingangs oder im Keller eines Hauses.

Stromkreisverteiler einer Wohnung

Bild 13.159: Stromkreisverteiler einer Wohnung

In Bild 13.160 siehst du beispielhaft die elektrische Versorgung einer Wohnung. Mehrere Steckdosen (und Lichtauslässe) im Haushalt sind zu einem Stromkreis zusammengefasst, der einen Leitungsschutzschalter beinhaltet. Im Stromkreisverteiler sollte vermerkt sein, welche Bereiche im Haushalt mit welchem Leitungsschutzschalter verbunden sind. Schaltest du einen Leitungsschutzschalter aus, werden sowohl Außenleiter als auch Neutralleiter unterbrochen und vom restlichen Stromnetz getrennt. Mehrere Leitungsschutzschalter sind immer zusammengefasst und hängen an einem Fehlerstromschutzschalter (FI-Schalter). Wohnungen besitzen oft nur einen einzigen Fehlerstromschutzschalter, Häuser oft mehrere davon. Schaltest du einen Fehlerstromschutzschalter aus, sind alle dahinterliegenden Leitungsschutzschalter und Schaltkreise ohne Spannung (spannungsfrei).

Elektrische Versorgung einer Wohnung (Einphasig)

Bild 13.160: Elektrische Versorgung einer Wohnung (Einphasig)

Am Gang vor der Wohnung befindet sich der Stromzähler und die Vorzählersichungen. Diese sind als Schmelzsicherungen ausgeführt und können im Fehlerfall ebenfalls Neutralleiter und Außenleiter unterbrechen.

Vom lokalen Verteilernetz werden alle drei Außenleiter (\(L_1\), \(L_2\) und \(L_3\)) des Dreiphasenwechselstrom in das Haus eingeleitet. In die Wohnung führt dann oft nur ein Außenleiter (Einphasenwechselstrom, im Bild ist das \(L_3\)). Der Neutralleiter \(N\) (blau) und der Schutzleiter \(PE\) (grün-gelb) sind letzten Endes immer mit der Erde verbunden. Da beide aber nicht an derselben Stelle mit der Erde verbunden sind, kann auch zwischen diesen beiden Leitern eine Spannung (Potenzialdifferenz) bestehen.

13.13.3 Anlagenschutz

Je größer die Stromstärke, desto größer die Erwärmung der Leiter. Wird die Stromstärke zu groß, kommt es zu einem Abschmelzen der Isolierung und im schlimmsten Fall zu einem Kabelbrand. Dafür kann es zwei Ursachen geben:

  • Überlast (zu viele Verbraucher)
  • Kurzschluss

Alle Verbraucher, die du an Steckdosen ansteckst, sind parallel geschaltet. Es liegt also an jeder Steckdose dieselbe Netzspannung von \(230\;\mathrm{V}\) an. Diese Schaltung ist damit automatisch auch ein Stromteiler – mit jedem weiteren Verbraucher erhöht sich die Stromstärke in der Zuleitung (Bild 13.161). Mehrfachsteckdosen sind zwar sehr praktisch, können aber zu einer Überlastung der Anlage führen, wenn du zu viele Verbraucher anhängst.

Mit jedem Verbraucher steigt die Stromstärke in der Anlage

Bild 13.161: Mit jedem Verbraucher steigt die Stromstärke in der Anlage

Es gibt aber auch noch eine andere Ursache, warum die Stromstärke ansteigt. Gibt es eine direkte Verbindung zwischen Außenleiter und Neutralleiter (also ohne Verbraucher dazwischen), steigt die Stromstärke, weil der Widerstand im Stromkreis so klein ist. Die direkte Verbindung beider Pole wird Kurzschluss (engl. Short circuit) genannt.

Vor beiden Situationen schützt ein Leitungsschutzschalter und/oder eine Schmelzsicherung.

13.13.4 Leitungsschutzschalter

Ein Leitungsschutzschalter (kurz LS, umgangssprachlich auch „Sicherung“ oder „Sicherungsautomat“, engl. circuit breaker) schützt die elektrische Anlage (Leiter und Geräte) vor zu großer Stromstärke. Er besitzt für jede Ader zwei unabhängige Auslösemechanismen, die den Außenleiter unterbrechen:

  • Bimetallstreifen („träge“)
  • elektromagnetischer Auslöser („flink“)

Ein Bimetallstreifen ist ein Metallstreifen, auf dessen Ober- und Unterseite sich unterschiedliche Metalle befinden. Bei Erwärmung dehnen sich diese unterschiedlich stark aus (sie haben unterschiedliche Längenausdehnungskoeffizienten). Wird die Temperatur des Streifens durch zu viele Verbraucher zu groß, verbiegt er sich und unterbricht den Stromkreis (Bild 13.162, 5).

Aufbau eines Leitungsschutzschalters

Bild 13.162: Aufbau eines Leitungsschutzschalters

Für einen Kurzschluss oder einen anderen sprunghaften Anstieg der Stromstärke in der Anlage reagiert der Bimetallstreifen zu langsam (er ist zu „träge“). In diesem Fall unterbricht der elektromagnetische Auslöser (Bild 13.162, 7) den Stromkreis innerhalb weniger Millisekunden.

Hat der Leitungsschutzschalter den Stromkreis unterbrochen, muss zuerst die Fehlerursache beseitigt werden (zum Beispiel muss ein großer Verbraucher abgesteckt werden). Danach kann der Leitungsschutzschalter wieder eingeschaltet werden. Eventuell musst du vor dem Einschalten ein paar Sekunden warten, bis sich der Bimetallstreifen wieder abgekühlt und in seine ursprüngliche Position zurückgebogen hat.

Zum Glück sind Leitungsschutzschalter so konstruiert, dass sie im Fehlerfall selbst dann auslösen, wenn der Schalter gewaltsam nach oben gedrückt wird (Freiauslösung)…

13.13.5 Schmelzsicherung

In Bild 13.163 siehst du eine Schmelzsicherung (engl. fuse). Sie erfüllt dieselbe Aufgabe wie ein Leitungsschutzschalter.

Beispiel einer Schmelzsicherung (\(16\;\mathrm{A}\))

Bild 13.163: Beispiel einer Schmelzsicherung (\(16\;\mathrm{A}\))

In der Sicherung befindet sich ein dünner Draht, der als Sollbruchstelle wirkt. Der Querschnitt des Drahts ist so gewählt, dass er bei einer bestimmten Maximalstromstärke und einer bestimmten Wirkdauer schmilzt und den Stromkreis unterbricht. Die Schmelzsicherung ist – im Gegensatz zum Leitungsschutzschalter – ein Einwegprodukt und muss durch eine gleichwertige Sicherung ersetzt werden. Ob eine Schmelzsicherung noch intakt ist, erkennst du an dem Plättchen an der Vorderseite der Sicherung: Ist der Draht geschmolzen, fällt es ab.

Schmelzsicherungen für größere Ströme sind mit Sand gefüllt und haben ein Gehäuse aus Keramik. Beide Stoffe sind schlechte thermische Leiter und verhindern, dass der glühende Draht einen Brand auslöst.

Vor der Entwicklung des Leitungsschutzschalters wurden alle Stromkreise mit Schmelzsicherungen abgesichert. Heute sind Schmelzsicherungen aber immer noch in Verwendung. Sie werden zum Beispiel als Stockwerkssicherungen verwendet und befinden sich noch vor dem Fehlerstromschutzschalter eines Haushalts. Der einfache Aufbau garantiert, dass sie verlässlich den Stromkreis unterbrechen, selbst wenn ein Leitungsschutzschalter einmal versagen sollte.

13.13.6 Stromwirkung im Körper

Elektrischer Strom, der durch unseren Körper fließt, wirkt im Wesentlichen auf zwei Arten (Stromwirkung):

  • Wärmewirkung
  • Krampfwirkung

Damit ein Strom durch den Körper fließen kann, muss er dessen elektrischen Widerstand überwinden. Dabei wird elektrischer Energie in Wärme umgewandelt und bei zu langer Einwirkdauer kommt es zu Verbrennungen.

Deine Muskeln werden durch kleine elektrische Strom-Impulse vom Gehirn dazu gebracht, sich zusammenzuziehen. Fließt elektrischer Strom durch deinen Körper, führt das zu einer Dauerkontraktion der betroffenen Muskeln (Muskelkrampf).

Wechselstrom (AC) ist meist gefährlicher als Gleichstrom (DC). Zum einen kommt es bei Wechselstrom schon bei viel kleineren Strömen zu einer Krampfwirkung unserer Muskulatur. Außerdem macht der Stromweg durch den Körper einen größeren Unterschied. Führt der Stromweg über den Herzmuskel, überlagert sich die \(50\;\mathrm{Hz}\) Netzfrequenz mit der natürlichen Herzfrequenz von 50 bis 100 Schlägen pro Minute und führt zu Herzrhythmusstörungen.

Wirkung von Wechselstrom in Abhängigkeit von Wirkdauer und Stromstärke

Bild 13.164: Wirkung von Wechselstrom in Abhängigkeit von Wirkdauer und Stromstärke

In Bild 13.164 siehst du die Auswirkung von Netzstrom (Wechselstrom mit \(230\;\mathrm{V}\) und \(50\;\mathrm{Hz}\)), wenn der Stromweg über die linke Hand und den linken Fuß führt – also über das Herz.

  • Ströme unter \(0{,}5\;\mathrm{mA}\) sind nicht wahrnehmbar (blauer Bereich)
  • spürbar, aber keine Muskelreaktion (grüner Bereich)
  • Muskelkontraktion (gelber Bereich)
  • dauerhafte Schädigung des Körpers (roter Bereich)

Im Diagramm kannst du gut erkennen, dass nicht nur die Größe der Stromstärke, sondern auch seine Einwirkdauer entscheidend für die Auswirkung ist.

Bei Batterien bis \(12\;\mathrm{V}\) gilt der Strom durch den Körper als ungefährlich. Bitte verwende nur solche Spannungsquellen für deine Versuche!

13.13.7 Schutzerdung

Die Schutzerdung (auch Erdung oder Erde, engl. protective earth), ist ein Leiter, der direkt mit der Erde verbunden ist. Seine Isolierung ist immer grün-gelb gestreift.

Besitzen elektrische Geräte Metallteile an der Oberfläche, sind diese mit dem Schutzkontakt der Steckdose verbunden. Sollte in einem fehlerhaften Gerät eine Verbindung von Außenleiter und Metallgehäuse bestehen, wird der Strom sofort zur Erde abgeleitet.

Berührst du das defekte Gerät am Metallgehäuse, während du es einschaltest, gibt es zwei mögliche Stromwege zu Erde: über den Schutzleiter und über deinen Körper. Diese Schaltung entspricht einem Stromteiler. Um den Strom durch deinen Körper so klein wie möglich zu halten, muss der Widerstand des Erdleiters sehr klein sein. Das wird durch einen großen Leiterquerschnitt erreicht. Der geerdete Schutzleiter schützt dich also bei einem defekten Gerät vor einem Stromschlag.

(a) Flachstecker, (b) Profilstecker und (c) Schuko-Stecker

Bild 13.165: (a) Flachstecker, (b) Profilstecker und (c) Schuko-Stecker

In Bild 13.165 siehst du die bei uns gebräuchlichen Stecker. Nur der Stecker rechts hat einen Schutzkontakt (Schuko-Stecker), wie du sie an Mikrowellenöfen, Toastern oder Wasserkochern findest. Die Stecker links (Flachstecker) und in der Mitte (Profilstecker) haben keinen Schutzkontakt. Der zusätzliche Ring des Profilsteckers hat nur eine mechanische Aufgabe: Er erschwert das Herausziehen des Steckers, wenn versehentlich an dem Kabel gezogen wird. Du findest Profilstecker an Geräten wie Staubsaugern oder Bohrmaschinen.

Geräte, die keinen Schuko-Stecker haben, müssen eine besondere Schutzisolierung ausweisen, die das Berühren unter Spannung stehender Teile verhindert. Das Symbol für eine Schutzisolierung („Doppelquadrat“) findest du auf dem Typenschild des Gerätes (Bild 13.166).

Typenschild eines Fernsehers

Bild 13.166: Typenschild eines Fernsehers

13.13.8 Fehlerstromschutzschalter

Als Fehlerstrom wird jeder Strom bezeichnet, der nicht den für ihn vorgesehenen Stromweg nimmt. Tritt ein Fehlerstrom auf, unterbricht ein Fehlerstromschutzschalter oder FI-Schalter (dabei steht das „F“ für das Wort Fehler und „I“ für das Formelzeichen der elektrischen Stromstärke) den Stromkreis. Die englische Bezeichnung lautet residual current device (kurz RCD) oder residual current operated circuit-breaker (kurz RCCB).

Der Fehlerstromschutzschalter vergleicht den Strom durch Außenleiter und Neutralleiter. Sind diese beiden Ströme nicht gleich groß, muss Strom über einen anderen Weg unkontrolliert abfließen (Fehlerstrom). In diesem Fall unterbricht der Schalter sofort beide Leiter und beendet den Stromfluss in diesem Stromkreis.

Prinzipieller Aufbau eines Fehlerstromschutzschalters

Bild 13.167: Prinzipieller Aufbau eines Fehlerstromschutzschalters

In Bild 13.167 siehst du den prinzipiellen Aufbau eines Fehlerstromschutzschalters. Außenleiter und Neutralleiter sind mit gleicher Windungszahl gegengleich(!) um denselben Eisenkern gewickelt. Fließt durch beide Elektromagnete derselbe Strom, heben sich die Wirkungen der beiden entgegengesetzt gepolten Magnetfelder auf. Sobald es zu einer Differenz der beiden Ströme kommt, unterbricht der Schalter in der Mitte beide Leiter. Eine mechanische Analogie wäre das Armdrücken. Solange beide Wettkämpfer mit derselben Kraft drücken, passiert nichts. Erst wenn einer schwächelt, kippt der „Schalter“ und beendet das Duell.

Fehlerstromschutzschalter

Bild 13.168: Fehlerstromschutzschalter

Im Stromkreisverteiler kannst du Fehlerstromschutzschalter von Leitungsschutzschaltern durch die Prüftaste (Beschriftung „T“) unterscheiden (Bild 13.168). Drückst du die Prüftaste, wird ein Fehlerstrom simuliert. Löst der Schalter dabei nicht aus, ist er defekt und muss von einem Elektroinstallateur getauscht werden. Dieser Funktionstest sollte etwa alle sechs Monate durchgeführt werden. Am besten führst du oder ein anderes Familienmitglied diese Prüfung am Tag nach der Zeit-Umstellung durch, wenn bei Geräten die Uhrzeit neu eingestellt werden muss.

Bei Stromunfällen ist die Wirkdauer des Stromes entscheidend. Um zu verhindern, dass Personen durch einen Fehlerstrom gefährdet werden, muss der Fehlerstromschutzschalter sehr schnell auslösen. Die Abschaltzeit liegt unter \(200\;\mathrm{ms}\) (\(0{,}2\;\mathrm{s}\)).

13.13.9 Stromunfälle

Berührst du nur einen Kontakt einer Batterie, fließt kein Strom. Erst wenn du auch den zweiten Kontakt berührst, fließt ein (schwacher) Strom durch deinen Körper. Berührst du zum Beispiel beide Kontakte einer \(9\;\mathrm{V}\) Batterie mit deiner Zunge, spürst du den elektrischen Strom als leichtes Kribbeln.

Bei einer Batterie gibt es eine Spannung (elektrische Potenzialdifferenz) nur zwischen den beiden Kontakten. Das ist im Stromnetz anders! Bei der Übertragung des Dreiphasen-Wechselstroms wird als zweites Potenzial die Erde verwendet. Daher gibt es eine Potenzialdifferenz zwischen jedem Außenleiter und der Erde! Schon die Berührung eines Leiters kann zu einem Stromfluss über dich und die Erde führen (Bild 13.169, Mitte). Da der Stromfluss über deinen Körper ein Fehlstrom ist, schaltet der Fehlerstromschutzschalter die Anlage sofort aus. Trotzdem: Berühre nie freiliegende Leitungen und führe keine Gegenstände in Steckdosen ein!

Das Berühren des Neutralleiters sollte aber doch kein Problem sein, oder? Vorsicht! Auch zwischen Neutralleiter und Erde gibt es fast immer auch eine (meist kleinere) Spannung (Potenzialdifferenz) zur Erde. Die Spannung im Neutralleiter ist nämlich nur dann exakt null, wenn alle Außenleiter des Dreiphasen-Wechselstroms exakt gleich „belastet“ sind, also die Summe der Geräte an jedem Außenleiter die gleiche Leistung haben. Darum unterbricht der Fehlerstromschutzschalter auch immer Außen- und Neutralleiter!

Unterschiedliche Stromunfälle

Bild 13.169: Unterschiedliche Stromunfälle

In Bild 13.169 rechts siehst du einen Unfall bei dem Betrieb mit einem defekten Gerät. Gibt es eine leitende Verbindung zwischen Außenleiter und Metallgehäuse, kann der Strom über dich zur Erde fließen. Geräte mit einem Metallgehäuse müssen eine Schutzerdung besitzen. Im Fehlerfall führt der Strom über den Schutzleiter zu einem Kurzschluss und der Leitungsschutzschalter unterbricht den Stromkreis. Der Stromfluss über die Erde entspricht auch einem Fehlerstrom, also kann der Fehlerstromschutzschalter ebenfalls auslösen. In der Praxis unterbricht einfach der Schalter, der schneller reagiert.

Moderne Haushalte sind durch Leitungsschutzschalter, Fehlerstromschutzschalter und Schutzerdung schon sehr sicher. Leider gibt es dennoch Unfälle, bei denen keine der drei Schutzmaßnahmen hilft. Berührst du sowohl Außenleiter und Neutralleiter mit deinem Körper (Bild 13.169 links), hält dich die Anlage einfach für einen weiteren Verbraucher! In diesem Fall kann nur eine andere Person helfen und den Stromkreis unterbrechen. Um auch diesen Fall zu verhindern, sind einige Wohnungen schon mit Steckdosen ausgestattet, die einen integrierten Berührungsschutz (engl. protective shutter) haben. Er öffnet nur dann, wenn mit einem Stecker auf beide Öffnungen derselbe Druck ausgeübt wird.

13.13.10 Arbeiten an elektrischen Anlagen

Jeder von uns, der keine Ausbildung zum Elektroinstallateur abgeschlossen hat, gilt vor dem Gesetz als elektrischer Laie. Dieser darf folgende Dinge tun:

  • Elektrische Geräte in Betrieb nehmen, also an einer Steckdose einstecken und einschalten.
  • Leuchtmittel einer Lampe tauschen.
  • Leitungsschutzschalter und Fehlerstromschutzschalter im Stromkreisverteiler ein- und ausschalten.
  • Defekte Schmelzsicherungen tauschen

Für jede andere Arbeit an der elektrischen Anlage im Haushalt soll deine Familie einen Elektroinstallateur beauftragen!

13.13.11 Defekte Geräte

Für defekte Geräte und Elektrogeräte gibt es mittlerweile viele Reparatur-Initiativen, wie zum Beispiel Reparatur-Cafés, bei denen ehrenamtliche Profis die Fehlerursache suchen und vielleicht sogar reparieren können (Bild 13.170). So verlängerst du die Lebensdauer deiner Geräte und setzt ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft. Oft ist nämlich nur eine Sicherung zu tauschen und das Gerät funktioniert wie neu.

Repair Café in Amsterdam

Bild 13.170: Repair Café in Amsterdam

Es ist toll, wenn du dich dafür interessierst, wie Elektrogeräte funktionieren. Bevor du allerdings ein Gerät öffnest, suche dir auf jeden Fall eine fachkundige Person, zum Beispiel in einem Reparatur-Café, mit der du das Gerät gemeinsam erkundest. Erstens lauern in manchen Geräten unsichtbare Gefahren (zum Beispiel giftige Substanzen oder geladene Kondensatoren) und zweitens kann dir die Person vermutlich so einiges über die Funktionsweise des Geräts erklären. Lässt sich ein Gerät nicht reparieren, bringe die „Überreste“ zum Recyclinghof (Altstoffsammelzentrum oder Entsorgungshof), damit sie ordnungsmäßig entsorgt werden können.

13.13.12 Trenntrafo

Aus Sicherheitsgründen dürfen sich unmittelbar neben Wasserhähnen keine Steckdosen befinden. Manchmal findest du in Badezimmern aber eine sogenannte Rasiersteckdose (Bild 13.171).

Rasiersteckdose

Bild 13.171: Rasiersteckdose

Dies sind besondere Steckdosen, die für Geräte mit kleiner Leistung wie Rasierapparate oder elektrische Zahnbürsten vorgesehen sind. Die Steckdose ist durch einen Trenntrafo (engl. isolating transformer) – einem Transformator mit dem Übersetzungsverhältnis 1:1 – vom Netzstrom galvanisch getrennt. Das bedeutet, dass es nur zwischen beiden Polen der Steckdose eine Potenzialdifferenz (Spannung) gibt, aber keine zwischen je einem Pol und der Erde. Selbst wenn es eine leitende Verbindung zur Erde gäbe, fließt kein Strom.

13.13.13 Stromzähler

Jeder Haushalt besitzt einen Stromzähler (engl. electricity meter). Der Name ist eigentlich falsch, denn das Messgerät misst die aus dem Stromnetz entnommene elektrische Energie (Bild 13.172). Der Stromzähler befindet sich direkt vor dem Stromkreisverteiler, daher werden Verluste, die durch den Transport der elektrischen Energie zum Haushalt erfolgen, nicht berücksichtigt. Stromzähler zeigen die gemessene Energiemenge nicht in Joule, sondern in der Einheit Kilowattstunde an.

Elektromechanischer Stromzähler

Bild 13.172: Elektromechanischer Stromzähler

Der elektromechanische Stromzähler (Ferraris-Zähler, Bild 13.172) besteht aus einer Aluminiumscheibe, die sich zwischen den Kernen zweier Spulen befindet. Die Spulen sind dabei so angeordnet, dass sie zusammen ein magnetisches Drehfeld erzeugen. Durch induzierte Wirbelströme wird die Scheibe wie bei einem Induktionsmotor angetrieben. Das Drehmoment auf die Schreibe ist zu jedem Zeitpunkt proportional zum Produkt aus Stromstärke und Spannung (elektrische Wirkleistung).

Immer mehr Haushalte werden von den Netzbetreibern auf digitale Stromzähler (Smartmeter) umgerüstet. Das hat für den Netzbetreiber den Vorteil, dass er die Werte über die entnommene Energie aus der Ferne zu jeder Zeit ablesen und sogar den gesamten Stromkreis eines Haushalts ein- und ausschalten kann.

13.13.14 Drehstromanschluss

In Werkstätten und in Physiksälen findest du Drehstrom-Stecker und Steckdosen mit 5 Kontakten (Bild 13.173). Drei davon sind die Außenleiter (L1, L2, L3), einer der Neutralleiter (N) und der dickere Kontakt ist der Schutzleiter (PE).

Drehstromstecker

Bild 13.173: Drehstromstecker

Damit stehen einem angeschlossenen Gerät nicht nur der Dreiphasenwechselstrom für einen Synchron-Motor oder Induktionsmotor zur Verfügung, sondern auch ein sogenannter Kraftstrom (Wechselstrom mit \(400\;\mathrm{V}\)).

13.13.15 Herleitung Kraftstrom

Kraftstrom erhältst du als Spannungsdifferenz zwischen zwei Außenleitern. Die resultierende Spannung ist wieder sinusförmig, allerdings mit größerer Amplitude als die Einzelamplituden (Bild 13.174).

Kraftstrom als Differenz zweier Außenleiter

Bild 13.174: Kraftstrom als Differenz zweier Außenleiter

Beim Dreiphasenwechselstrom sind die Spannungen der Außenleiter um je \(120^\circ\) phasenverschoben. Daher sind alle Innenwinkel des gelben Dreiecks \(60^\circ\) (\(=180^\circ - 120^\circ\)). Es ist daher gleichseitig mit der Seitenlänge \(s\). Nach dem Satz des Pythagoras gilt für die Höhe \(h\) in diesem Dreieck:

\[\begin{align} h^2 + \left(\frac{s}{2}\right)^2 = {} & s^2 \\ h^2 + \frac{s^2}{4} = {} & s^2 &&\qquad\Bigr\rvert-\frac{s^2}{4} \\ h^2 = {} & s^2 - \frac{s^2}{4} &&\qquad\Bigr\rvert \; s^2 \;\text{herausheben}\\ h^2 = {} & (1-\frac{1}{4})\cdot s^2\\ h^2 = {} & \frac{3}{4}\cdot s^2 &&\qquad\Bigr\rvert \;\sqrt{(\ldots)}\\ h = {} & \frac{\sqrt{3}}{2}\cdot s \\ \end{align}\]

Für den Betrag der Differenz zweier Außenleiter im Zeigerdiagramm (zum Beispiel \(\vec{L}_1-\vec{L}_2\)) ist gerade die doppelte Höhe \(h\) des Dreiecks und wir erhalten:

\[\begin{align} |\vec{L}_{12}| = {} & |\vec{L}_1-\vec{L}_2| \\ = {} & |\vec{L}_1+(-\vec{L}_2)| \\ = {} & 2\cdot h \\ = {} & \cancel{2}\cdot \frac{\sqrt{3}}{\cancel{2}} \cdot |\vec{L}_1| \\ = {} & \sqrt{3} \cdot |\vec{L}_1| \\ \end{align}\]

Führt ein Außenleiter eine Spannung von \(230\;\mathrm{V}\) gegen den Neutralleiter, erhalten wir für die Spannungsdifferenz zweier Außenleiter:

\[ u_\mathrm{max} = \sqrt{3}\cdot 230\;\mathrm{V} = 398{,}37\ldots\;\mathrm{V}\approx 400\;\mathrm{V} \]