13.1 Magnetismus
Sicher hast du einen oder sogar mehrere Magnete bei dir zu Hause, etwa einen Kühlschrankmagnet. Jeder von uns hat schon grundlegende Erfahrungen mit der Wirkung von Magneten gesammelt (Bild 13.3).
In diesem Kapitel geht es um das Verhalten von Dauermagneten (Permanentmagneten), ihren Polen und ihr Feld.
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13.1.1 Natürliche Magnete
In Bild 13.4 siehst du natürlich vorkommendes Magnetit (Magneteisenstein, \(\mathrm{Fe}_3\mathrm{O}_4\)). Von diesem Mineral war schon vor der Antike bekannt, dass es Stoffe wie Eisen anzieht.
Nur ferromagnetische Stoffe werden merkbar von Magneten beeinflusst. Neben Eisen sind das noch die Metalle Kobalt und Nickel. Andere Stoffe, auch andere Metalle, werden nicht beeinflusst. Aluminium zum Beispiel ist zwar ein Metall, aber unmagnetisch, wie du leicht mithilfe eines Magneten und einer Alufolie selbst überprüfen kannst.
13.1.2 Pole eines Dauermagnets
Jeder Dauermagnet – egal welcher Form – besitzt zwei Stellen, an denen die Kraft besonders stark ist. Diese Stellen werden als Pole des Magneten bezeichnet. Experimente mit zwei Magneten zeigen, dass es sowohl anziehende als auch abstoßende Kräfte gibt. Jeder Dauermagnet hat zwei unterschiedliche Pole. Sie werden als Nordpol und Südpol bezeichnet.
Wie für elektrische Ladungen gilt auch für magnetische Pole:
- Gleichnamige Pole stoßen einander ab (Nordpol-Nordpol, Südpol-Südpol).
- Ungleichnamige Pole ziehen einander an (Nordpol-Südpol, Südpol-Nordpol).
Um die Polung eines Magnets sofort zu erkennen, werden sie manchmal farblich markiert (Bild 13.5): Üblich sind:
- magnetischer Nordpol: Rot (Merkhilfe: Beide Worte haben den Buchstaben o)
- magnetischer Südpol: Grün (Merkhilfe: Beide Worte haben den Buchstaben ü)
13.1.3 Trennung von Magnetpolen
Elektrisch positive Ladungen können von negativen getrennt werden. Zum Beispiel besitzt ein Elektron eine einzelne negative Elementarladung. Im Gegensatz dazu lassen sich Magnetpole nicht trennen.
Teilst du wiederholt einen Magnet, erhältst du immer einen kleineren Magnet mit zwei Polen (magnetischer Dipol, Bild 13.6). Es gibt keine magnetischen Monopole!
13.1.4 Ampèresche Elementarmagnete
Die Vorstellung, dass Materie aus vielen kleinen Magneten aufgebaut ist, geht auf André-Marie Ampère zurück. Mithilfe des Elementarmagneten-Modells lässt sich das Teilungsverhalten eines Magneten verstehen – jedes Teilstück besteht eben immer noch aus einer Vielzahl von Elementarmagneten.
Auch die Magnetisierung von ferromagnetischen Stoffen lässt sich mit diesem Modell einfach erklären. Sind die atomaren magnetischen Dipole (Elementarmagneten) eines Stück Eisens zufällig orientiert, heben sich die magnetischen Wirkungen dieser Elementarmagnete gegenseitig auf und es kommt zu keiner makroskopischen Magnetwirkung (Bild 13.7 (a)) – das Eisen ist unmagnetisiert.
Bei einem magnetisierten Stück Eisen sind die atomaren magnetischen Dipole gleich ausgerichtet und die magnetischen Wirkungen der atomaren magnetischen Dipole verstärken sich. Es kommt zu einer makroskopischen Magnetwirkung. Sind alle Elementarmagnete vollständig ausgerichtet (Sättigungsmagnetisierung), ist das Feld am stärksten (Bild 13.7 (b)).
13.1.5 Magnetfeld
So wie die elektrische Kraft einer Ladungsanordnung durch das elektrische Feld \(E\) beschrieben werden kann, kann die magnetische Kraft durch das magnetische Feld \(B\) (engl. magnetic field) beschrieben werden.
Legst du eine Glasplatte auf zwei Stabmagnete mit ungleichnamig zugewandten Polen und streust Eisenfeilspäne darauf, erhältst du eine Vorstellung von dem Verlauf der Feldlinien (Bild 13.8).
Die Richtung der magnetischen Feldlinien ist durch die Nordrichtung einer Kompassnadel im Feld festgelegt (Bild 13.9).
Im Gegensatz zu elektrischen Feldlinien, die an elektrischen Ladungen entspringen oder enden, sind magnetische Feldlinien immer geschlossen – haben also keinen Anfang und kein Ende! Die Magnetfeldlinien verlaufen daher innerhalb von Magneten weiter (Bild 13.10).
13.1.6 Magnetfeld eines Stabmagneten
Das Magnetfeld eines Stabmagneten (engl. bar magnet) siehst du in Bild 13.11.
Bei einem Stabmagnet verlaufen die Feldlinien im Außenraum vom Nord- zum Südpol.
13.1.7 Magnetfeld eines Hufeisenmagnets
Neben dem Stabmagnet ist der Hufeisenmagnet (engl. horseshoe magnet) eine weitere häufige Bauform eines Magneten. Sein Magnetfeld siehst du in Bild 13.12
Beachte den Bereich zwischen den beiden Polen. Dort befindet sich ein fast homogener Feldbereich, in dem die Feldlinien zueinander parallel verlaufen.
13.1.8 Magnetfeld der Erde
Das Erdmagnetfeld ähnelt der Form des Magnetfelds eines Stabmagneten (Bild 13.13).
Befindet sich eine Magnetnadel in diesem Feld, richtet sie sich in Nord-Süd-Richtung der Erde aus. Dieses Verhalten eines Magneten führte zur ersten praktischen Anwendung: dem Magnetkompass (Bild 13.14), der zur Navigation genutzt werden kann.
Als magnetischer Nordpol einer Kompassnadel wurde jener Magnetpol festgelegt, der zum geografischen Nordpol zeigt. Da aber ungleichnamige Pole einander anziehen, muss sich am geografischen Nordpol der magnetische Südpol der Erde befinden!
Die Lage der geografischen Pole (Durchstoßpunkte der Drehachse mit der Erdoberfläche) und der magnetischen Pole der Erde ist nicht gleich. Diese Abweichung wird Missweisung (oder Deklination) genannt. Der Fehler ist umso größer, je näher sich der Magnetkompass bei einem der beiden Pole befindet.
Das Erdmagnetfeld ändert sich in Stärke und Richtung von Ort zu Ort. Am Äquator beträgt es etwa \(30\;\mathrm{\mu T}\) (Mikrotesla) an den Polen rund das doppelte (rund \(60\;\mathrm{\mu T}\)). In Mitteleuropa beträgt die Magnetfeldstärke etwa \(48\;\mathrm{\mu T}\).
Die Erde ist kein Dauermagnet. Das kann schon deswegen nicht so sein, weil der äußere Erdkern flüssig ist und die Temperatur über der Curie-Temperatur (Temperatur, bei der die magnetische Eigenschaft eines Dauermagnets verschwindet) aller Stoffe liegt. Gesteinsuntersuchungen belegen außerdem, dass es in der Geschichte der Erde mehrmals zu einer Polumkehr gekommen ist, bei der magnetische Nord- und Südpol ihre Lage tauschen. In Bild 13.15 siehst du das Erdmagnetfeld vor und während einer Polumkehr (keine eindeutigen Magnetpole) in einer Simulation. Das Erdmagnetfeld besitzt in dieser Zeit keine eindeutigen Magnetpole.
Die Ursache für das Magnetfeld der Erde sind elektrische Ströme im Erdkern (Geodynamo). Wie ein Magnetfeld durch einen Stromfluss entsteht, erfährst du in einem späteren Kapitel, Magnetfelder durch Stromfluss.
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13.1.9 Magnetische Feldenergie
In Bild 13.16 siehst du zwei Ringmagnete, die so aufeinandergelegt wurden, dass ihre gleichnamigen Pole einander abstoßen. Um ihren Abstand zu verringern, musst du Arbeit gegen die magnetische Kraft verrichten. Diese Arbeit ist aber nicht verloren. Sobald du deine Hand entfernst, bewegt sich dieser Magnet wieder an seine ursprüngliche Position, wie beim Zusammendrücken einer Spiralfeder.
So wie es bei der Annäherung von zwei Ladungen zu einer Änderung des elektrischen Feldes kommt, führt auch die Annäherung zweier Magnete zu einer Änderung des magnetischen Feldes. Wie auch beim elektrischen Feld kannst du dir auch hier vorstellen, dass die von dir verrichtete Arbeit im Magnetfeld als magnetische (Feld-)Energie (engl. magnetic energy) gespeichert ist.
13.1.10 Gauß-Kanone
Eine einfache Gauß-Kanone (engl. gauss-cannon) besteht aus einem Permanentmagneten, auf dessen Rückseite sich nur eine und auf dessen Vorderseite sich mehrere Stahlkugeln befinden (Bild 13.17, a). Wird die hintere Kugel von dem Magneten getrennt (b) und dann losgelassen (c), bewegt sich anschließend die vorderste Kugel mit einer überraschend großen Geschwindigkeit weg (d). Die große Geschwindigkeit der auslaufenden Kugel scheint im Widerspruch zum Energieerhaltungssatz zu stehen.
Wird die hintere Kugel von der Anordnung getrennt, muss Arbeit gegen die magnetische Kraft verrichtet werden. Diese Kraft ist nach der Trennung als potenzielle Energie im Magnetfeld gespeichert. Wird die Kugel losgelassen, wandelt sich diese potenzielle Energie in kinetische Energie um. Trifft sie den Magneten, wird ihr Impuls – wie beim Kugelstoßpendel – vollständig an die ganz rechte Kugel übertragen. Diese ist weiter vom Magneten entfernt und erfährt dadurch eine geringere Anziehung. Sie kann sich daher vollständig von der Anordnung entfernen, obwohl sie beim Wegrollen gebremst (negativ beschleunigt) wird.
Für das gesamte System gilt die Energieerhaltung. Die kinetische Energie der letzten Kugel muss daher gleich der Änderung der Magnetfeldenergie sein, die beim Trennen der ersten Kugel im System gespeichert wurde. Der scheinbare Widerspruch kommt durch die stark anwachsende Beschleunigung der durch die Annäherung immer stärker werdenden Magnetkraft. Dadurch nimmt die Geschwindigkeit in den letzten hundertstel Sekunden vor dem Auftreffen auf den Magneten extrem stark zu (Bild 13.18). Das ist aber mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen.
Der Name des Experiments geht übrigens auf Carl Friedrich Gauß zurück, der als einer der ersten Forscher den Magnetismus wissenschaftlich untersuchte.
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- Video: Gauss-Kanone (slow motion)