14.1 Temperatur
Bist du krank, hast du meistens auch Fieber. Ob du tatsächlich Fieber hast oder nicht, entscheidet der Arzt durch Messung deiner Körpertemperatur mit einem Thermometer (Bild 14.2).
In diesem Kapitel erfährst du unter anderem, was Temperatur eigentlich genau bedeutet, wie Temperatur gemessen wird und was der absolute Nullpunkt ist.
14.1.1 Brownsche Bewegung
Anfang des 19. Jahrhunderts dokumentierte Robert Brown die unregelmäßige Bewegung von Blütenpollen, die er in einer Flüssigkeit unter dem Mikroskop beobachten konnte.
Als Ursache für diese nach ihm benannte Brownsche Bewegung (engl. Brownian motion) wurde zunächst die Bewegung von kleinen Lebewesen vermutet. Es stellte sich jedoch heraus, dass die ständige ungeordnete Bewegung der Atome und Moleküle dafür verantwortlich ist.
Moleküle sind zwar prinzipiell zu klein, um sie mit einem Mikroskop beobachten zu können, ihre Bewegung wird aber durch die Stöße mit den viel größeren Pollen indirekt sichtbar (Bild 14.3).
Atome und Moleküle sind in ständiger Bewegung. |
Kein Geringerer als Albert Einstein hat 1905 in einem Artikel die Brownsche Bewegung als Folge der Molekularbewegung mathematisch beschrieben.
Links:
- Film: Brownsche Bewegung von Latex-Kügelchen in Wasser
- Simulation: Brownsche Bewegung
14.1.2 Diffusion
Unter dem Begriff Diffusion (engl. diffusion) (nach dem lateinischen Wort diffusio für „das Auseinanderfließen“) wird die allmähliche Durchmischung zweier oder mehrerer Stoffe durch die ungeordnete Molekularbewegung von Teilchen verstanden. Kann Diffusion stattfinden, kommt es am Ende immer zu einer vollständigen Durchmischung; die unterschiedlichen Teilchensorten sind dann alle gleichmäßig auf das Volumen verteilt.
In Bild 14.4 siehst du die Diffusion von Tinte in Wasser bei unterschiedlichen Temperaturen. Bei einer Wassertemperatur \(50\;^\circ\mathrm{C}\) ist nach 90 Sekunden die Tinte fast vollständig durchmischt, während im Wasser mit einer Temperatur von nur \(20\;^\circ\mathrm{C}\) die Durchmischung gerade erst begonnen hat. Je größer die Temperatur (engl. temperature), desto heftiger die Bewegung der Moleküle, und desto schneller sind alle Teilchen gleichmäßig auf das Volumen verteilt. Ganz allgemein kann gesagt werden:
Temperatur ist ein Maß für die ungeordnete Bewegung der Atome und Moleküle. |
In einem späteren Abschnitt werden wir sogar sehen, dass die absolute Temperatur direkt proportional zu der durchschnittlichen kinetischen Energie der Moleküle in einem Gas ist (Mittlere kinetische Energie und Temperatur).
14.1.3 Thermometer
Ein Thermometer (engl. thermometer) dient der Temperaturmessung. Nahezu jeder physikalische und chemischer Vorgang ist temperaturabhängig. Daher gibt es sehr unterschiedliche Bauweisen von Thermometern. Die häufigsten Typen sind:
Diese Thermometer werden wir uns in den folgenden Abschnitten genauer ansehen.
14.1.3.1 Flüssigkeitsthermometer
Flüssigkeitsthermometer verwenden die thermische Volumenausdehnung einer Flüssigkeit, um die Temperatur anzuzeigen. Steigt oder sinkt die Temperatur, steigt oder sinkt die Flüssigkeit in einem sehr dünnen Röhrchen (Kapillare).
Bei Fieberthermometern (Bild 14.5) befindet sich im unteren Ende des Röhrchens zusätzlich eine Verjüngung (Kapillarverengung). Kühlt die Flüssigkeit ab, ziehen sich die Flüssigkeitsteile auf beiden Seiten der Verjüngung zusammen. Aufgrund der Oberflächenspannung versuchen beide Teile ihre Oberfläche zu minimieren. Dabei reißt ihre Verbindung an der dünnsten Stelle ab und der Flüssigkeitsteil, der bei der Skala ist - der also die Temperatur anzeigt - wird nicht mehr zurückgezogen. Auf diese Weise wird die erreichte Maximaltemperatur weiterhin angezeigt (Maximumthermometer). Vor der nächsten Messung muss durch Schütteln oder Klopfen die Flüssigkeit in den Boden des Thermometers zurückbefördert werden.
Früher wurde Quecksilber – das einzige Reinmetall, das bei Normalbedingungen flüssig ist – verwendet. Da Quecksilber hochgiftig ist, wird heute die Flüssigkeit zum Beispiel Galinstan – eine Legierung, die ebenfalls bei Raumtemperatur flüssig ist – als Thermometerflüssigkeit verwendet.
14.1.3.2 Digitale Thermometer
An der Messspitze befindet sich ein temperaturabhängiger elektrischer Widerstand (Thermistor). An diesem wird eine bekannte Spannung angelegt und der Strom gemessenen. Daraus errechnet eine Elektronik die Temperatur und diese wird dann am Display angezeigt. Digitale Thermometer benötigen daher immer eine Spannungsquelle (etwa eine Batterie).
14.1.3.3 Strahlungsthermometer
Strahlungsthermometer (Pyrometer) messen die Temperaturstrahlung von Oberflächen. Dabei wird die Wellenlänge der höchsten Strahlungsintensität ermittelt. Da die Lage des Maximums temperaturabhängig ist, kann damit die Temperatur angezeigt werden. Die berührungslose Messung hat den Vorteil, dass auch sehr hohe Temperaturen damit gemessen werden können (mehrere Tausend Grad Celsius).
Das Ohr-Fieberthermometer funktioniert ähnlich: Es misst die Intensität der Infrarotstrahlung, die dein Innenohr abstrahlt. Auch die Intensität bei einer bestimmten Wellenlänge ist charakteristisch für eine bestimmte Temperatur. Im Gegensatz zu anderen Fieberthermometern beträgt die Messdauer nur Bruchteile von Sekunden.
14.1.4 Celsius-Skala
Die Celsius-Skala ist die dir am geläufigsten Maßeinheit der Temperatur. Sie wurde im 18. Jahrhundert von Anders Celsius eingeführt. In dieser Skala entspricht \(0^\circ\mathrm{C}\) dem Gefrierpunkt von Wasser und \(100^\circ\mathrm{C}\) dem Siedepunkt von Wasser. Da sowohl Gefrier- als auch Siedepunkt von dem Luftdruck abhängen, muss für die Werte ein Normaldruck von \(1\;\textrm{bar}\) auf Meeresniveau vorausgesetzt werden.
Das Symbol für die Maßeinheit ist eine Kombination aus dem Gradzeichen (\(^\circ\)) und dem Großbuchstaben „C“. Diese sind als Einheit zu betrachten und dürfen nicht getrennt geschrieben werden.
14.1.5 Niedrigste Temperatur
Um 1800 wurde untersucht, wie stark sich Gase mit steigender Temperatur ausdehnen. Dabei ergibt sich zwischen Temperatur und Gasvolumen der lineare Zusammenhang in Bild 14.9. Verlängerst du die Gerade im negativen Temperaturbereich, findest du einen Schnittpunkt mit der Temperaturachse. Bei der Temperatur \(-273{,}15^\circ\mathrm{C}\) sollte das Gasvolumen nach diesem Diagramm \(0\;\mathrm{m^3}\) betragen. Ein negatives Volumen ist physikalisch unsinnig, daher kannst du vermuten, dass es eine kleinste Temperatur geben muss.
Später wurde erkannt, dass die Temperatur ein Maß für die kinetische Energie von Atomen und Molekülen einer Substanz ist. Ist diese kinetische Energie null, ist die niedrigste mögliche Temperatur, der absolute Nullpunkt (engl. absolute zero), erreicht.
14.1.6 Kelvin-Skala
Wenn es aber eine niedrigste Temperatur gibt, ist es sinnvoll, die Temperaturskala dort beginnen zu lassen. Daher wurde das Kelvin (Einheit der absoluten Temperaturskala) als SI-Einheit festgelegt. Die Einheit trägt den Namen von William Thomson (der spätere Lord Kelvin). Bei dieser Skala wird die Gradeinteilung der Celsius-Skala übernommen und nur der Nullpunkt auf den absoluten Nullpunkt verschoben. Es gibt keine negativen Temperaturwerte auf der Kelvin-Skala!
Daher ergibt sich eine einfache Umrechnung der beiden Temperaturskalen (\(K\) Temperaturwert in Kelvin; \(C\) Temperaturwert in Grad Celsius):
\[\begin{align} K = {} & C + 273{,}15 \tag{14.1} \\ C = {} & K - 273{,}15 \tag{14.2} \\ \end{align}\]
Beachte: Es heißt zwar „Grad Celsius“, aber die Einheit der absoluten Temperaturskala ist „Kelvin“ (also ohne „Grad“ davor)!
14.1.7 Dritter Hauptsatz der Thermodynamik
Nach der Erkenntnis, dass es einen absoluten Nullpunkt gibt, hat ein regelrechter Wettlauf danach begonnen, diese niedrigste Temperatur auch experimentell zu erreichen. Heute können Temperaturen von nur einem milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt erreicht werden! Die Experimente haben aber auch gezeigt, dass der absolute Nullpunkt nur asymptotisch erreicht werden kann (also beliebig nahe, ohne ihn je zu erreichen).
Diese Erfahrung wird im dritten Hauptsatz der Thermodynamik (engl. third law of thermodynamics) ausgedrückt:
Der absolute Nullpunkt ist nicht erreichbar. |
Diese Aussage wird auch das Nernstsche Theorem genannt (nach Walther Nernst).
Im Kapitel Quantenmechanik wirst du von der Nullpunktsenergie. Heute wissen wir, dass die Energie eines Systems niemals null sein kann und wir können auch diese kleinste Energie für ein bestimmtes System berechnen!
14.1.8 Fahrenheit-Skala
Im Vereinigten Königreich und im angloamerikanischen Raum wird die Fahrenheit-Skala für die Angabe von Temperaturen im Alltag verwendet.
Die Temperatur-Maßeinheit „Grad Fahrenheit“ (\(^\circ\mathrm{F}\)) ist nach Daniel Gabriel Fahrenheit benannt, der Anfang des 18. Jahrhunderts Thermometer mit dieser Skala baute. Als Nullpunkt \(0\;^\circ\mathrm{F}\) für seine Skala verwendete er die tiefste Temperatur, die er mit einer Mischung aus Eis, Wasser und Salz (Kältemischung) erzeugen konnte (ungefähr \(−17{,}8\;^\circ\mathrm{C}\)). Als zweiten Wert legte er die Körpertemperatur eines gesunden Menschen ursprünglich bei \(100\;^\circ\mathrm{F}\) fest (Nach der aktuellen Definition liegt die Normaltemperatur eines Menschen etwa bei \(96\;^\circ\mathrm{F}\)).
Durch die unterschiedliche Wahl der Fixpunkte in der Celsius- und in der Fahrenheit-Skala ist die Umrechnung zwischen den Werten ein wenig aufwendiger (\(F\) Temperaturwert in Grad Fahrenheit; \(C\) Temperaturwert in Grad Celsius):
\[\begin{align} F = {} & \frac{9}{5}\cdot C + 32 \tag{14.3} \\ C = {} & \frac{5}{9}\cdot (F - 32) \tag{14.4} \end{align}\]
14.1.9 Vergleich der Temperatur-Skalen
Im Bild 14.11 findest du eine Gegenüberstellung der Kelvin-, Celsius- und Fahrenheit-Skala für einige wichtige physikalische Prozesse.
14.1.10 Temperaturwerte in Formeln
Neben den drei hier vorgestellten Temperatureinheiten gibt es noch viele weitere. In allen Formeln der Physik, in denen eine Temperatur \(T\) vorkommt, ist aber immer die absolute Temperatur gemeint. Du musst den Wert also stets in Kelvin einsetzen, damit du das korrekte Ergebnis erhältst!
Dasselbe gilt natürlich prinzipiell auch für alle Formeln, in denen eine Temperaturdifferenz \(\Delta T\) vorkommt. Da die Kelvin- und die Celsius-Skala aber nur um einen festen Wert gegeneinander verschoben sind, stimmen die Zahlenwerte von Temperaturdifferenzen bei der Einheit Kelvin und der Einheit Grad Celsius überein. Hast du die Werte in Grad Celsius gegeben, kannst du die Differenz berechnen und in die Formel einsetzen, ohne vorher in die Einheit Kelvin umzurechnen.