13.7 Experimente und Anwendungen der elektromagnetischen Induktion

In Bild 13.75 siehst du eine zusammengedrückte Getränkedose. Sie wurde mit einem sehr starken Magnetfeld berührungslos zerstört. Interessanterweise ist Aluminium aber unmagnetisch!

Zusammengedrückte Aluminium-Dose

Bild 13.75: Zusammengedrückte Aluminium-Dose

Die elektromagnetische Induktion, die du im letzten Kapitel kennengelernt hast, hat viele praktische Anwendungen. Einige davon wie Wirbelstrombremse oder Induktionskochfeld werden hier vorgestellt. Und natürlich erfährst du, was es mit der eingeschnürten Getränkedose auf sich hat.

13.7.1 Fall eines Stabmagneten durch eine Spule

Ein Stabmagnet wird über eine Spule gehalten und dann losgelassen (Bild 13.76).

Fall eines Stabmagneten durch eine Spule

Bild 13.76: Fall eines Stabmagneten durch eine Spule

In Bild 13.77 siehst du den zeitlichen Verlauf der induzierten Spannung in der Spule, wenn der Magnet durch die Spule fällt.

Zeitlicher Verlauf der induzierten Spannung

Bild 13.77: Zeitlicher Verlauf der induzierten Spannung

Der freie Fall ist eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung. Deutlich kannst du erkennen, dass die Geschwindigkeit und damit der Betrag der Induktionsspannung proportional mit der Falldauer zunimmt.

An der umgekehrten Polung der Induktionsspannungen beim Eintreten und beim Verlassen der Spule kannst du die Lenzsche Regel erkennen. Zu Beginn gibt es kein Feld in der Spule. Nähert sich der Permanentmagnet der Spule, muss der Induktionsstrom so wie in Bild 13.78 gerichtet sein. Die Polung des induzierten Magnetfeldes in der Spule ist dann so gerichtet, dass es den Permanentmagneten abstößt und einem Anwachsen des magnetischen Feldflusses entgegenwirkt.

Polung des Induktionsstromes bei Annäherung

Bild 13.78: Polung des Induktionsstromes bei Annäherung

Verlässt der Permanentmagnet die Spule (Bild 13.79), ist der Induktionsstrom so gerichtet, dass das induzierte Magnetfeld in der Spule den Permanentmagneten anzieht, um einem Abschwächen des magnetischen Feldflusses in der Spule entgegenzuwirken. Sowohl bei der Annäherung als auch bei der Entfernung des Permanentmagnets von der Spule kommt es zu einer Verzögerung der Fallbewegung.

Polung des Induktionsstromes bei Entfernung

Bild 13.79: Polung des Induktionsstromes bei Entfernung

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13.7.2 Waltenhofensches Pendel

Das Waltenhofensche Pendel (engl. Waltenhofen’s pendulum) ist ein Experiment, welches das Wirkprinzip der Wirbelstrombremse verdeutlicht. Der nach Adalbert von Waltenhofen benannte Versuchsaufbau besteht aus einem leitenden Plättchen als Pendelkörper, das zwischen den Polen eines Elektromagneten schwingt (Bild 13.80).

Waltenhofensche Pendel Versuchsaufbau

Bild 13.80: Waltenhofensche Pendel Versuchsaufbau

Solange der Elektromagnet ausgeschaltet ist, kann das Pendel frei schwingen. Sobald der Elektromagnet eingeschaltet wird, kommt es sowohl beim Hineinschwingen in das Magnetfeld als auch beim Hinausschwingen aus dem Magnetfeld zu einer Flussänderung. Die nach dem Faradayschen Induktionsgesetz induzierten Wirbelströme erzeugen ein Magnetfeld, das nach der Lenzschen Regel der Bewegung entgegenwirkt und die Schwingung des Pendels dämpft. Je stärker das Magnetfeld, desto schneller kommt das Pendel zur Ruhe.

Waltenhofensche Pendelkörper

Bild 13.81: Waltenhofensche Pendelkörper

Wird statt des vollen Pendelkörpers (Bild 13.81, a) ein Leiter mit Schlitzen (b) verwendet, können sich fast keine Wirbelströme ausbilden und es kann sich in der Folge kaum ein Gegen-Magnetfeld ausbilden. Trotz vorhandenem Magnetfeld kommt es in diesem Fall zu fast keiner Dämpfung des Pendels.

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13.7.3 Wirbelstrombremse

Im Demonstrationsversuch Waltenhofensches Pendel hast du gesehen, wie ein bewegter Körper durch die von Magnetfeldern verursachten Wirbelströme berührungslos abgebremst wird. Bei der Wirbelstrombremse wird dieses Prinzip auf eine rotierende Scheibe angewandt (Bild 13.82).

Prinzip einer Wirbelstrombremse

Bild 13.82: Prinzip einer Wirbelstrombremse

In dem Bereich vor und nach dem Magneten – also in den Bereichen, an denen es zu einer magnetischen Flussänderung kommt, – entstehen nach dem Faradayschen Induktionsgesetz Wirbelströme innerhalb der leitenden Platte. Die daraus resultierenden Magnetfelder behindern nach der Lenzschen Regel die Rotationsbewegung. Bei abgeschaltetem Elektromagnet rotiert die Scheibe ungebremst.

Im Gegensatz zu einer mechanischen Bremse gibt es bei einer Wirbelstrombremse keine sich berührenden Teile. Es gibt keinen Material-Verschleiß und die Bremswirkung ist unabhängig von der Witterung (zum Beispiel Nässe). Achterbahnen und Freifalltürme auf Jahrmärkten verwenden Wirbelstrombremsen aus Permanentmagneten. Sie funktionieren auch bei einem Stromausfall verlässlich.

13.7.4 Thomson-Effekt

Befindet sich ein leitendes Material in einem Feld eines Elektromagneten, der mit Wechselspannung betrieben wird, kommt es ständig zu einer Flussänderung. Damit lässt sich ein leitender Körper beschleunigen oder im Gravitationsfeld über dem Magneten in Schwebe halten (Thomson-Effekt (engl. electrodynamic suspension). Der nach Elihu Thomson benannte Effekt lässt sich mit dem Thomsonschen Ringversuch (engl. Thomson jumping ring) zeigen, bei dem ein (unmagnetischer) Kupfer-Ring über dem Wechselfeld eines Elektromagneten schwebt (Bild 13.83).

Leitender Ring schwebt im Wechselfeld eines Elektromagneten

Bild 13.83: Leitender Ring schwebt im Wechselfeld eines Elektromagneten

Nach der Lenzschen Regel ist das induzierte Magnetfeld um den leitenden Ring – unabhängig von der Polung des Elektromagneten – immer entgegengerichtet und es kommt zu einer ständigen Abstoßung. Der Ring darunter ist nicht geschlossen – der Spalt ist deutlich zu sehen. Es kommt zwar zu einer induzierten Spannung, aber es kann sich kein induzierter Strom ausbilden. Daher kann sich auch kein Magnetfeld um den geschlitzten Ring bilden und er wird vom äußeren Magnetfeld nicht abgestoßen.

Praktische Anwendung findet dieses Prinzip bei der Magnetschwebebahn und der Gaußkanone.

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13.7.5 Induktionskochfeld

Ein Induktionskochfeld besteht im Prinzip aus einer oder mehreren Spulen, die sich unter einer Glas-Kochplatte befindet (Bild 13.84).

Induktionskochfeld mit durchsichtiger Kochplatte

Bild 13.84: Induktionskochfeld mit durchsichtiger Kochplatte

Befindet sich Kochgeschirr aus einem elektrisch leitenden Material auf dem Kochfeld, wird es durch das magnetische Wechselfeld der Kochfeld-Spule erwärmt. Verwendest du Induktionskochgeschirr mit einem Boden aus einem ferromagnetischen Material, ist die Erwärmung besonders stark. Die Erwärmung hat dann nämlich zwei Ursachen:

  1. die ohmsche Wirkung der im Kochgeschirr induzierten elektrischen Wirbelströme

  2. die Ummagnetisierungsverluste des ferromagnetischen Materials

Induktionsherde benötigen ein eigenes Geschirr und sind in der Anschaffung teurer als Elektroherde. Davon abgesehen haben sie aber einige Vorteile:

  • Der Wirkungsgrad ist höher, da die Kochplatte selbst nicht durch die elektrische Energie erwärmt wird.

  • Die Kochplatte wird nur durch den Topf durch Wärmeleitung und Wärmestrahlung erwärmt. Überkochende Speisen brennen nicht an und du kannst dich an der Kochplatte so gut wie nicht verbrennen.

  • Nach dem Abschalten des Induktionskochfeldes kommt es zu keiner weiteren Energieübertragung mehr. Das Kochgeschirr kann auf dem Kochfeld verbleiben, ohne dass Speisen anbrennen – wie beim Kochen mit einem Gaskochfeld.

13.7.6 Induktives Laden

Das induktive Laden (engl. inductive charging) wird hauptsächlich bei elektrischen Zahnbürsten verwendet und wird auch bei Smartphones immer beliebter (13.85).

Induktives Laden eines Smartphones

Bild 13.85: Induktives Laden eines Smartphones

Die Ladestation erzeugt ein sich ständig wechselndes Magnetfeld. Befindet sich die im Smartphone verbaute Spule in diesem Feld, wird eine Wechselspannung induziert. Nach dem Gleichrichten kann damit ein Akku geladen werden.

Diese Form der drahtlosen Übertragung elektrischer Energie ist allerdings auf kleine Leistungen beschränkt und der Wirkungsgrad mit rund \(60\,\%\) relativ gering. Lädst du dein Smartphone mit einem Kabel, sind es fast \(100\,\%\).

13.7.7 Elektromagnetische Tonabnehmer

Der elektromagnetische Tonabnehmer einer E-Gitarre besteht aus einem Permanentmagnet und einer aus sehr dünnem Draht gewickelten Spule um diesen Magnet. Wenn die Saite des Instruments aus einem ferromagnetischen Material besteht, wird sie durch den Magnet teilweise magnetisiert. Bewegt sich die Saite, führt das zu einer magnetischen Flussänderung in der Spule, die eine geringe Spannung (einige zehn bis wenige Hundert Millivolt) induziert. Mithilfe eines Gitarrenverstärkers kann diese Spannung hörbar gemacht werden (Hörbeispiel Audio abspielen).

Aufbau eines Gitarren-Tonabnehmers

Bild 13.86: Aufbau eines Gitarren-Tonabnehmers

Im Gegensatz zum Single Coil Tonabnehmer besteht der Humbucker aus zwei nebeneinander liegenden, gegenläufig gewickelten Spulen (Bild 13.87). Damit lassen sich unerwünschte Signale anderer elektrischer Geräte wie zum Beispiel einem benachbarten Computer unterdrücken. Durch diese Art der Tonabnahme wird aber auch die Charakteristik des Klanges verändert. Da höherfrequente Saiten-Oberschwingungen unterdrückt werden, klingt er „wärmer“.

E-Gitarre mit einem Humbucker- (links) und zwei Single-Coil-Pickups (Mitte und rechts)

Bild 13.87: E-Gitarre mit einem Humbucker- (links) und zwei Single-Coil-Pickups (Mitte und rechts)

Wird ein Effektgerät zwischen Tonabnehmer und Verstärker geschaltet, kann das Eingangssignal der Gitarre beliebig verfremdet werden (Hörbeispiel Audio abspielen).

13.7.8 Pinch-Effekt

Befindet sich eine Alu-Dose in einer Spule und wird ein kurzer Strompuls von typischerweise zehn bis hunderttausenden Ampere durch diese Spule geleitet, bewirkt die extrem große Flussänderung einen sehr großen induzierten Strom in der Dose. Das um den Wirbelstrom entstehende Magnetfeld stößt sich nach der Lenzschen Regel von dem Spulenmagnetfeld ab. Ist die Spule robust genug, wird nur die Dose nach innen verformt (Bild 13.88).

Leitende Dose in Spule

Bild 13.88: Leitende Dose in Spule

Dieser Pinch-Effekt (von engl. to pinch „quetschen“) hat auch eine praktische Anwendung. Zum Beispiel kann er zur Aufheizung und Begrenzung eines Plasmas verwendet werden. So wurde die erste kontrollierte Kernfusion erzeugt.

13.7.9 Faradaysches Paradoxon

Die Faraday Scheibe besteht aus einer magnetischen Platte, die sich mit einer unmagnetischen leitenden Platte (zum Beispiel Kupfer oder Aluminium) auf einer Achse befindet. Beide Scheiben können unabhängig voneinander gedreht werden (Bild 13.89).

Versuchsaufbau Faraday Scheibe

Bild 13.89: Versuchsaufbau Faraday Scheibe

Beim Experimentieren stellst du fest:

  • Leiterscheibe dreht, Magnetscheibe ruht: Eine Spannung wird angezeigt.
  • Leiterscheibe ruht, Magnetscheibe dreht: Die Spannung ist null.
  • Beide Scheiben drehen synchron: Eine Spannung wird angezeigt.

Als Michael Faraday die Experimente durchführte, war er sehr verblüfft. Er nahm an, dass die elektrische Spannung eine Folge der Relativbewegung beider Scheiben sei. Wie sollte dann eine Spannung entstehen, wenn beide Scheiben sich synchron drehen? Daher wird der Ausgang dieses Experimentes auch Faradaysches Paradoxon genannt.

Dabei sind die Ergebnisse bei der Faraday Scheibe gar nicht schwer zu verstehen. Die magnetische Scheibe hat ein symmetrisches Feld bezüglich der Rotationsachse. Daher kommt es – egal, welche Scheibe sich dreht – nie zu einer Flussänderung! Dreht sich aber die Leiterscheibe im Magnetfeld nach rechts (im Uhrzeigersinn), verschiebt die Lorentzkraft nach der UVW-Regel die freien Elektronen an den Rand der Scheibe (Bild 13.90). Diese Ladungsverschiebung führt zu einer elektrischen Spannung zwischen dem Mittelpunkt und dem Rand der Scheibe. Die Drehung der Magnetscheibe hat dabei keinen Einfluss auf die Form des Magnetfeldes.

Lorentzkraft bei der Faraday-Scheibe

Bild 13.90: Lorentzkraft bei der Faraday-Scheibe

Das Prinzip der Faraday Scheibe kann bei der Unipolarmaschine verwendet werden, um einen Gleichstrom mit großer Stromstärke zu erzeugen.